Günstiger Strom für Industrie: Was dafür und dagegen spricht
Pro und Contra:Stärkt Industriestrompreis die Wirtschaft?
von Stephanie Barrett
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Das Wirtschaftswachstum stockt - aber wie kann es wieder angeregt werden? Die Grünen wollen einen subventionierten Industriestrompreis. Was spricht dafür - und was dagegen?
Wirtschaftsminister Robert Habeck will den Strompreis bis 2030 bei sechs Cent pro Kilowattstunde deckeln, aber nur für bestimmte Bereiche wie
Chemie oder Stahl.
Quelle: Uwe Anspach/dpa
Die Klagen aus der deutschen Wirtschaft werden immer drängender, der Streit um die Einführung eines subventionierten Industriestrompreises immer lauter.
Günstiger Strom für Industrie: Grüne und SPD dafür, FDP dagegen
Anfang Mai hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen gesetzlich garantierten Industriestrompreis von sechs Cent ins Gespräch gebracht, um die energieintensive Industrie zu entlasten. 80 Prozent ihres Stromverbrauchs sollten gedeckelt werden. Zunächst bis 2030 gedacht, als Brückenstrompreis, bis ausreichend grüner Strom die Preise wieder sinken lässt. So Habecks Plan.
Kosten: Rund 30 Milliarden Euro, finanziert aus dem Wirtschaftsstabilitätsfonds. Auch die SPD befürwortet den Vorschlag, die FDP lehnt das Vorhaben ab. Inzwischen spricht Habeck von einem auf drei bis fünf Jahre befristeten Preisrabatt - das würde die Kosten mindern und ist möglicherweise ein Zugeständnis, um den Finanzminister doch noch ins Boot zu holen.
Warum überhaupt ein Industriestrompreis?
Energieintensive Branchen wie Chemie, Stahl, Glas und Papier können in Deutschland kaum noch wettbewerbsfähig produzieren, weil Strom zu teuer ist. Nicht nur um ein Vielfaches teurer als in den USA und China, sondern auch gegenüber europäischen Mitbewerbern wie Frankreich und Spanien.
Viele Unternehmen verlagern ihre Produktion deshalb seit längerem schon ins Ausland. Ein Trend, der nicht erst mit dem Ukraine-Krieg begann, denn auch zuvor waren Strompreise in Deutschland bereits mit zahlreichen Gebühren belastet und zählten weltweit zu den höchsten.
Was spricht gegen den Industriestrompreis?
Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium rät vom Industriestrompreis ab, weil er "notwendige strukturelle Anpassungsprozesse bremst" - sprich: die Entwicklung energiesparender Technologien nicht vorangetrieben wird und energieintensive Unternehmen ihren Strombedarf bei einem günstigeren Preis eher erhöhen statt drosseln würden, was wiederum zu höheren Preisen am Strommarkt führen könnte.
"Energieintensive Industrien hätten ohnehin wenig Zukunft in Deutschland", so das Expertengremium, "weil Energie hier tendenziell immer teuer bleibe".
Strompreis
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Experte: Keine Investitionen in energieintensive Industrie
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, bringt es auf den Punkt: "Wir sollten das Geld nicht in die energieintensive Industrie stecken, sie wird auf Dauer ohnehin verschwinden."
Denn der Aufbau von erneuerbaren Energiequellen erfordert hohe Investitionen - zudem sorgt der europäische Emissionshandel für stetig steigende Energiepreise.
Hat Deutschland das Rennen bereits verloren?
Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag ist skeptisch und bemängelt, dass der Industriestrompreis nur einem kleinen Kreis von 1.000 bis 2.000 energieintensiven Unternehmen vor allem in der Stahl- und Chemieindustrie zugutekommen soll. Denn auch kleine und mittlere Betriebe litten unter den hohen Strompreisen.
Und wenn es nach Porsche- und Volkswagenchef Oliver Blume geht, hat Deutschland den Wettbewerb um energieintensive Investitionen sogar bereits verloren: Für seinen Batteriestandort suche er nach einem Standort mit Strompreisen unter sieben Cent. Aus diesen Gründen habe VW kürzlich entschieden, eine Batteriefabrik in Kanada zu bauen. Dort gebe es stabile und langfristige Energiepreisgarantien.
So düster sah es lange nicht aus für die deutsche Wirtschaft: Fachkräftemangel, Bürokratie, hohe Zinsen und die gestiegenen Energiepreise belasten die Industrie.27.07.2023 | 2:34 min
Was spricht also für den Industriestrompreis?
Der zumindest mittelfristige Erhalt der wichtigen Industrie für Grundstoffe und Basischemie in Deutschland. 95 Prozent der Industrieprodukte basieren darauf. Wandert sie aus Deutschland ab, würde sich das Land komplett von Importen abhängig machen, im Zweifel aus Staaten, deren Umweltauflagen niedriger sind als in Deutschland.
Auch für die Energiewende sind die Chemikalien unverzichtbar. Nicht zuletzt sichert die Branche über 500.000 gut bezahlte Jobs in Deutschland und sorgt für Milliarden Steuereinnahmen und Wohlstand in Deutschland.
Starre Strukturen in der Bürokratie und schleppende Digitalisierung: Fehlende Innovationen bremsen Deutschland aus. Europas Süden zeigt uns, wie es besser gehen kann.
von Philipp Katzer und Anja Kollruß
mit Video
Was schlagen die Gegner des Industriestrompreises stattdessen vor?
Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium schlägt neben dem schnellen Aufbau erneuerbarer Energien die Abschaffung der Stromsteuer vor. Sie beträgt derzeit 2,05 Cent pro Kilowattstunde.
Von der Reduzierung auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent hätten alle Unternehmen etwas, also auch kleine und mittlere Betriebe. Besonders energieintensive Industrieunternehmen profitieren bislang noch vom Spitzenausgleich für Energie und sind von der Stromsteuer befreit. Diese Entlastung soll allerdings im nächsten Jahr entfallen, im neuen Bundeshaushalt 2024 ist der Posten bereits gestrichen.
So würde die Abschaffung der Stromsteuer künftig allen Unternehmen in Deutschland helfen, Nachteile im internationalen Wettbewerb spürbar zu mindern.
Die Sorgen wegen einer möglichen Rezession in Deutschland treiben Wirtschaft und Politik um. Die Union fordert unverzügliches Handeln und sieht Kanzler Scholz in der Pflicht.