Özdemir bei "illner": "Hätte die Beschlüsse nicht gebraucht"

    Özdemir zu Subventions-Kürzungen:"Ich hätte diese Beschlüsse nicht gebraucht"

    von Torben Schröder
    |

    Landwirtschaftsminister Özdemir (Grüne) rückt nach den Bauernprotesten dezent vom Ampel-Kompromiss ab. Ministerpräsident Wüst (CDU) kritisiert einen "übergriffigen" Politik-Stil.

    Von links: Clemens Fuest, Juli Zeh, Maybrit Illner, Cem Ãzdemir, Maria Fiedler SCHALTE: Hendrik Wüst
    Sehen Sie hier die Sendung "maybrit illner" vom 11. Januar 2024.11.01.2024 | 65:32 min
    Die Bauernproteste haben ein hierzulande nicht gekanntes Ausmaß erreicht. Und die Anliegen der Landwirte stoßen auf große Zustimmung.
    Das stellt die Schriftstellerin und Richterin Juli Zeh mit einem gewissen Erstaunen in der ZDF-Sendung "maybrit illner" fest. Sie habe eigentlich damit gerechnet, als einzige in der Diskussionsrunde für die Landwirte einzustehen.

    Özdemir rückt vom Koalitionskompromiss ab

    Dabei sagt auch der seitens der Landwirte vielfach angefeindete Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), mit Blick auf die von der Ampel-Koalition geplanten Zuschuss-Kürzungen: "Für mich hätte es diese Beschlüsse nicht gebraucht."
    In der Tat hatte sich Özdemir früh gegen die, wie der Ökonom Clemens Fuest ("ifo-Institut") vorrechnet, weit überproportionalen Belastungen der Bauern ausgesprochen. Und das muss noch nicht das Ende der Fahnenstange sein.

    Eine übermäßige Belastung der Landwirte ist nicht korrekt

    Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne)

    Er habe die teilweise Rücknahme der Kürzungen nun "mit unterschreiben müssen oder unterschrieben". Es handele sich eben um einen Kompromiss. Begeisterung klingt anders.
    Özdemir sagt auch: "Wir haben den Beschluss teilweise korrigiert, jetzt ist er beim Bundestag. Das Parlament ist frei zu entscheiden, was es macht."
    Wer einen impliziten Appell heraushört, nochmals zugunsten der Landwirte nachzuschärfen, ist damit sicher nicht allein.
    Cem Özdemir bei Maybrit Illner
    "Die Ampel muss jetzt endlich mal aufhören, sich mit sich selbst zu beschäftigen", sagt Cem Özdemir bei "maybrit illner".11.01.2024 | 2:25 min

    Juli Zeh: "Es entlädt sich gerade etwas"

    Es ist, findet Zeh, ein erfrischendes Signal, dass die Bundesregierung auf die Proteste reagiert. Das entkräfte den Vorwurf der Abgehobenheit.
    "Es entlädt sich gerade etwas", sagt Zeh. Die Bauern hätten das Gefühl, es niemandem recht machen zu können. "Ich erlebe sie als sehr veränderungsbereit, aber ihnen werden Steine in den Weg gelegt."
    Auch für Özdemir ist "der Agrardiesel eine Metapher für ein dahinter liegendes Problem".
    Von links: Juli Zeh, Maybrit Illner, Cem Ãzdemir
    Es sei ein positives Signal für den demokratische Prozess, wenn Protest Auswirkungen habe sagt Juli Zeh bei "maybrit illner".11.01.2024 | 0:44 min
    Der Minister spricht von einer "verfehlten Landwirtschaftspolitik der letzten drei Jahrzehnte". Da war häufiger die Union für die Landwirtschaft zuständig.

    Wüst: Die Bauern bezahlen den Preis für die Haushaltspolitik der Ampel

    "Die Ampel hat völlig unterschätzt, wie die Lage auf den Bauernhöfen ist", betont Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.
    Erstmals sei es so, dass die nachfolgende Generation nach Übernahme der Höfe nicht mehr investiert. "Da liegt strukturell etwas im Argen", sagt Wüst.

    Die Bauern sollen die verfassungswidrige Haushaltspolitik der Ampel bezahlen. Deshalb gehen sie auf die Straße.

    Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen

    Die Konsequenz: Die Spar-Beschlüsse bei den Bauern müssten komplett vom Tisch, fordert Wüst.
    SCHALTE: Hendrik Wüst
    Der nordrhein-westfälische Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) riet in der Debatte um ein AfD-Verbot zur Vorsicht. 11.01.2024 | 1:08 min

    Journalistin Fiedler: Schaden an der Glaubwürdigkeit der Regierung

    Davon wiederum hält die Journalistin Maria Fiedler ("Spiegel") nichts. Es sei nicht richtig, dass immer wieder Minister nach vereinbarten Beschlüssen ausscheren.
    Der Glaubwürdigkeit der Regierung schade auch, wenn auf den Druck der Straße hin weitere Beschlüsse korrigiert würden. In Zeiten der vielfältigen Krisen brauche es eine Regierung, die einen Plan hat. Diesen Eindruck erwecke die Ampel nicht.
    "Die Politik darf nicht zu viel versprechen", sagt Fuest. Sie könne die Bevölkerung nicht vor allen Problemen beschützen. Politische Entscheidungen müssten stets demokratisch getroffen und dürften nicht allein auf Basis wissenschaftlicher Belege vorgegeben werden.
    Diana Zimmermann
    Angesichts der Bauernproteste wächst nun auch in seiner Partei die Kritik an Scholz. Der Kanzler müsse sich empathischer zeigen, so Stimmen aus der SPD. 11.01.2024 | 1:13 min

    Die Grünen im Visier

    Für Zeh stehen die Bauernproteste stellvertretend für die Peripherie, die sich nicht gehört fühle. Dass die Grünen dabei verstärkt ins Visier rücken, überrasche nicht:

    Die Grünen sind zu einer Metapher geworden für eine bestimmte Haltung, die sich durch eine alternativlose Agenda auszeichnet.

    Juli Zeh, Schriftstellerin und Richterin

    Özdemir gesteht ein, dass seine Partei durch eine teils "moralinsaure Haltung" dazu beigetragen habe - und kritisiert die zum Schlechten veränderte Diskussionskultur.
    Wüst betont: "Den Leuten geht auf den Zeiger, dass Politik ständig übergriffig wird." Es gelte, den Bürgern Freiheit in Verantwortung zuzumuten.

    Mehr zum Thema Bauernproteste