Einigung bei Haushalt - Regierungskrise beseitigt?

    Kommentar

    Nach Einigung im Haushalt:Zukunft der Ampel - ein Tanz auf dünnem Eis

    Daniel Pontzen
    von Daniel Pontzen
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    Die Ampel hat erbittert um den Etat gerungen, nun wurde eine Einigung verkündet. Eine Eskalation ist abgewendet - aber von Friede, Haushalt, Eierkuchen kann nicht die Rede sein.

    TN: Haushalt steht: Ampel gerettet?
    Nach langem Ringen steht der Haushalt 2025. Worauf hat sich die Ampel-Koalition geeinigt?05.07.2024 | 72:29 min
    "Schlaf wird überschätzt", sagte der Kanzler mit einem angedeuteten Schmunzeln zu Beginn jener Pressekonferenz, auf der er gemeinsam mit seinem Vizekanzler und dem Finanzminister das vorstellte, was nun Einigung zum Haushalt genannt wird. Ein bisschen Heiterkeit also nach einer erneut durchverhandelten Nacht. Die Botschaft: So geht Politik, alles gut, alles im Griff.
    Und, natürlich, man kann die Geschichte so erzählen: Bis kurz vor Beginn der für den frühen Morgen angesetzten Fraktionssitzungen stand es Spitz auf Knopf, aber all das habe der Kanzler eingepreist, Verhandlungserfahrung eben, ein Profi am Werk.

    Haushaltskrise zu Ende, Ampel-Krise geht weiter?

    Bloß: Die Frage ist, wer dieser Erzählung noch folgen mag. Wer den Fraktionsvorsitzenden zuhörte, als sie sich am frühen Morgen zu jener Einigung äußerten, die auf den letzten Metern erzwungen worden war, dem konnte nicht verborgen bleiben, mit welcher Genervtheit, mit welcher Geringschätzung sie über manche ihrer Koalitionspartner sprachen.
    Das Ende der Koalition, mit dem offen gedroht wurde, sowohl von Seiten der FDP als auch der SPD - auch wenn diese finale Eskalation nun abgewendet wurde, gilt jetzt nicht Friede, Haushalt, Eierkuchen. Denn das, was jetzt vorgelegt wurde, ist nach wie vor kein konkreter Haushaltsentwurf.

    Schon auf Haushalt 2024 nur mit Mühe geeinigt

    Obwohl man mit diesem Vorgehen - erst die öffentlichkeitswirksame Verkündung einer wachsweichen Einigung, dann erbitterter Streit - erst zum Jahreswechsel äußerst schlechte Erfahrungen machte, verfährt man nun ähnlich. Und nicht nur das damals folgende Hupen der Bauern klingt manchem bis heute in den Ohren - auch der teils sehr öffentlich ausgetragene Ampel-"interne" Streit über die zuvor nicht festgezurrten Details.
    Otto Fricke (l-r), haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, und Dennis Rohde, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
    Der Haushalt 2024 ist nach demselben Muster zustande gekommen wie nun der Haushalt 2025: mit einer wachsweichen Einigung.19.01.2024 | 1:52 min
    Nun also dasselbe Muster, schon wieder. Fast vergessen ist da nämlich schon, dass bereits vor dem Ordnungsruf aus Karlsruhe vergangenen November - als das Bundesverfassungsgericht die Verschuldungspraxis der Bundesregierung für verfassungswidrig erklärte - ein ähnlich zähes Ringen um den Haushalt vorausgegangen war.
    Auch damals waren, entgegen der jahrelang eingeübten Praxis, keine Eckpunkte vorgelegt worden, auch damals verzögerte sich der gesamte Prozess. Hashtag Profis.
    SGS Zimmermann
    Scholz, Lindner und Habeck haben Eckpunkte für den Haushalt 2025 präsentiert. Wie das finanziert werden soll, dazu Diana Zimmermann.05.07.2024 | 1:06 min

    Ampel-Problem: Konträrer Blick auf grundlegende Fragen

    Wäre das einzige Problem eben jene Verzögerung, könnte man es wohl auch diesmal tatsächlich weglächeln. In Wahrheit aber wurde im Vorfeld des heutigen Vormittags noch ein bisschen deutlicher als zuvor, wie fundamental unterschiedlich, wie mitunter gar konträr der Blick der Koalitionspartner auf grundlegende Fragen ist: wie der Staat mit Geld umzugehen habe, wie die Wirtschaft anzukurbeln ist, wie dicht gespannt das soziale Netz sein soll.
    Insofern: Selbst wenn es die Ampel nun (wieder einmal) mit allerlei haushalterischer Fantasie geschafft hat, manche Finanzierungsfragen in die Zukunft zu verlagern - ihr selbst, so wirkt es heute trotz der verkündeten Einigung, scheint keine gedeihliche Zukunft beschieden.
    Wer dem Gros der Ampel-Abgeordneten heute morgen zuhörte, konnte jedenfalls nicht den Eindruck gewinnen, dass sie noch an einem gemeinsamen Projekt arbeiteten. Dass man sich vielmehr noch einmal aufraffe, mit letzter Kraft und zunehmend widerwillig, genötigt von einer Mischung aus Staatsräson (mit Blick auf Frankreich) und Zukunftsangst (mit Blick auf die eigenen Umfragewerte).
    ZDF-Politbarometer
    Das aktuelle ZDF-Politbarometer befasst sich mit folgenden Themen: Erzielt die Ampel im Haushaltsstreit eine Einigung? Und ist die AfD eine Gefahr für die Demokratie?28.06.2024 | 0:56 min

    Scholz: Geht in Koalition "immer um die Sache"

    Die Bundestagswahl soll, wenn alles planmäßig läuft, voraussichtlich am 28. September des nächsten Jahres stattfinden. Demnach blieben bis dahin rund 64 Wochen. Eine ziemlich lange Zeit, gemessen daran, wie dünn das Eis ist, auf dem die Koalition gerade tanzt.
    "Wir dürfen uns nicht mit uns selbst beschäftigen", sagte der Kanzler zum Abschluss seines Statements - im Gegensatz zu den einleitenden Worten ohne jede Ironie, auch nicht beim Schlusssatz: "Deshalb geht es uns dreien immer um die Sache."
    Im Vordergrund Bundeskanzler Scholz; im Hintergrund ein Traktorkonvoi vor dem Brandenburger Tor.
    Die Zustimmungswerte der Ampel sinken in der gesamten Bevölkerung. ZDFheute live analysiert die Gründe.09.01.2024 | 31:40 min
    Die Zufriedenheit über sich selbst und das eigene Handwerk wurden erneut deutlich. Und somit auch die Differenz zur Fremdwahrnehmung der Ampel durch die Wählerschaft.
    Ob sich die Stimmung im Land mit seiner "Sowohl-als-auch-Politik", wie der Kanzler sie selbst nannte, noch drehen lässt? Man braucht wohl mindestens Scholz’schen Optimismus, um darauf zu hoffen.
    Daniel Pontzen ist Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.

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