FDP-Vorschlag: Ist das schwedische Rentenmodell ein Vorbild?
Vorschlag der FDP:Ist das schwedische Rentenmodell ein Vorbild?
von Nils Metzger und Oliver Klein
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Die FDP fordert ein flexibleres Rentenalter und mehr Anlagen am Kapitalmarkt - wie in Schweden. Sind die Skandinavier beim Rentensystem um Jahrzehnte voraus? Das sagen Experten.
Die FDP hat ihre Rentenpläne konkretisiert: Die Rente mit 63 soll gestrichen und über ihre Höhe soll diskutiert werden. Die Koalitionspartner reagieren belegt.14.05.2024 | 2:26 min
Wie soll in Zukunft das Rentensystem in Deutschland funktionieren, angesichts des demografischen Wandels? Erst im März hatten SPD und FDP ihre Pläne für ein neues Rentenpaket vorgestellt. Doch die Einigkeit war von kurzer Dauer, jetzt fordert die FDP erneut Reformen beim gesetzlichen Renteneintrittsalter. FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr sagte am Dienstag im Morgenmagazin des ZDF:
Ich glaube, wir sollten eben nicht in den starren Kategorien von 45 Jahren, Rente mit 63, mit 64 oder mit 67 Jahren denken. Und dann lohnt sich doch einfach mal ein Blick über die Grenzen - schauen wir uns Schweden an.
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Christian Dürr, FDP-Fraktionsvorsitzender
In Schweden gebe es das von der FDP geforderte flexible Rentenmodell, so Dürr. "Menschen arbeiten freiwillig länger, weil es sich für sie lohnt, weil sie Lust dazu haben", so Dürr.
Christian Dürr fordert "sichere Renten in der Zukunft, auch steigende Renten - andererseits stabile Beiträge". Das aktuelle Rentensystem sei dafür zu starr, so der FDP-Fraktionsvorsitzende.14.05.2024 | 5:06 min
Was macht Schweden anders als Deutschland?
Alle - auch Beamte und Selbständige - zahlen in Schweden ins Rentensystem ein und es gibt keine starre Altersgrenze für den Rentenbeginn. Aber vor allem: Das schwedische Modell setzt deutlich mehr auf Anlagen am Kapitalmarkt. Deutschland hat das jahrzehntelang vermieden und startet in Form des neu beschlossenen "Generationenkapitals" nun einen vorsichtigen Testlauf.
Bei den Betriebsrenten - die meist auch fondsgebunden sind - gibt es in Schweden auch nicht zahllose verschiedene branchen- oder sogar unternehmensspezifische Pensionskassen wie in Deutschland, sondern lediglich vier große Anbieter. Der Vorteil: Wechselt man den Arbeitsplatz, ist der Aufwand deutlich geringer.
Der Rentenbeitrag von 18,5 Prozent ist ähnlich hoch wie in Deutschland. Rente gibt es frühestens ab 63, aber jeder kann beliebig lange arbeiten und so Rentenansprüche erhöhen. Das System beruht im Wesentlichen auf drei Säulen:
Staatliche Rente: 16 Prozent des Einkommens landet in einem Umlageverfahren, weitere 2,5 Prozent fließen in die sogenannte "Prämienrente" - das Geld wird in Aktienfonds angelegt. Wie auch in Deutschland gilt: Wer zu wenig einzahlen konnte, hat Anspruch auf eine steuerfinanzierte "Garantierente".
Betriebliche Altersvorsorge: Arbeitgeber bieten in der Regel eine Betriebsrente an, meist fondsgebunden. Diese ist viel weiter verbreitet als in Deutschland, rund 90 Prozent der schwedischen Beschäftigten haben eine betriebliche Altersvorsorge.
Schwedisches System kommt ohne Milliardenzuschüsse aus
In Deutschland liegt der Rentenbeitragssatz derzeit bei 18,6 Prozent des Bruttolohns, wobei Arbeitgeber und -nehmer jeweils die Hälfte aufbringen - ähnlich wie in Schweden. Laut Hans-Böckler-Stiftung sollen auch die daraus letztlich resultierenden Rentenniveaus in Zukunft in vergleichbarer Höhe liegen. Bei einem Eintritt ins Berufsleben 2020 und einem Ruhestand ab 2063, bzw. 2065 kämen Rentner auf ein erwartetes Rentenniveau von 41,5 Prozent (Deutschland), beziehungsweise 41,3 Prozent (Schweden).
Der große Unterschied: Deutschland muss jährlich Milliardensummen aus Steuergeldern zuschießen, um das Niveau halten zu können. Allein 2022 flossen rund 81 Milliarden Euro als Bundeszuschuss in die Rentenversicherung.
Die Bundesregierung will das Rentenniveau garantieren, bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts. Die Älteren können aufatmen, die Jüngeren schon mal den Gürtel enger schnallen.
von Bernd Benthin
Schwedische Rentner mussten Kürzungen hinnehmen
In Schweden funktioniert das anders: Auch hier ist das umlagefinanzierte System der wichtigste Baustein des Rentenmodells. Heißt: Die Rentenleistungen sind hauptsächlich abhängig von der Lohnentwicklung und der Beschäftigungssituation, in geringerem Maße auch von der Entwicklung der Kapitalanlagen.
Aber: Wenn die laufenden Beiträge zuzüglich der Pensionsfonds unter einen bestimmten Schwellenwert fallen, werden die Renten automatisch gesenkt, erklärt die schwedische Rentenexpertin Lisa Laun gegenüber ZDFheute.
Nominal gab es deshalb bereits mehrfach Rentenkürzungen in Schweden. Das Land versuchte jedoch, die Einkommensverluste für Rentner durch steuerliche Entlastungen wieder auszugleichen. Laun hält das schwedische Modell für ein gutes Vorbild für Deutschland, vor allem, weil es finanziell besser aufgestellt sei und auch automatisch eine steigende Lebenserwartung berücksichtige.
Ähnlich sieht das auch der schwedische Ökonom Eskil Wandersjö vom Institute for Labour Economics: Er lobt das schwedische System, weil alle in ein gemeinsames System einzahlen. Auch die Flexibilität beim Renteneintrittsalter sei ein Vorteil. "Flexibilität ist gut, da manche Personen in der Lage sind und auch länger arbeiten möchten. Bei Menschen mit hohem Bildungsgrad ist das üblich", so Wandersjö.
Es gibt kein perfektes Rentensystem. Aber das schwedische ist eines der besten.
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Eskil Wandersjö, Institute for Labour Economics
Rente am Aktienmarkt - Rendite versus Risiko?
An den Aktienmärkten können Arbeitnehmer im Schnitt deutlich höhere Renditen erzielen als mit ihren Einzahlungen in die deutsche Rentenkasse. Dennoch stehen viele Deutsche Aktieninvestitionen skeptischer gegenüber als Menschen in anderen Ländern.
"Einen Paradigmenwechsel in der Rentenpolitik" – das verspricht die Bundesregierung mit ihrem Rentenpaket II. Sie will die gesetzliche Rente künftig durch Aktien mitfinanzieren.
05.03.2024 | 2:32 min
Kritiker eines Aktien-basierten Modells warnen etwa vor den Folgen eines Börsencrashs: Sie fürchten, der Staat müsste in so einem Fall mit Milliardenzahlungen einspringen. Experte Wandersjö verweist jedoch darauf, dass das schwedische Modell auch ohne direkte Steuerzuschüsse in Krisenzeiten auskomme.
Ist Deutschland zu spät dran bei Aktienrenten?
Ein anderer Kritikpunkt an den bisherigen Plänen für die Aktienrente in Deutschland: Die Reform komme viel zu spät, um das System noch zu stabilisieren. Der Ökonom Bert Rürup sagte etwa im März im "Tagesspiegel": "Es braucht eine Ansparphase von mindestens 15 Jahren, bis ein solches System nennenswerte Erträge abwirft. Aber dann ist unser demografisches Problem zum großen Teil überstanden."
Fazit
Der FDP-Vorschlag von kapitalgedeckter Altersvorsorge, Aktien-Renten und mehr Flexibilität beim Renteneintritt ist in anderen Ländern schon Realität - im Fall Schwedens mit positiven Erfahrungswerten. Ein Umbau des deutschen Rentensystems wäre jedoch komplex, müsste viele politische und gesellschaftliche Hürden überwinden. Bis zu einem Börsen-Boost für Deutschlands Rentenkassen wäre es also ein langer Weg.
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