Haushaltsurteil: Scheitert Lindner, scheitert die FDP
Analyse
FDP nach dem Haushaltsurteil:Scheitert Lindner, scheitern die Liberalen
von Britta Buchholz
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Der FDP-Finanzminister muss Deutschland aus der Haushaltskrise führen - und seine Partei mitnehmen. Das könnte ein Spagat werden - für beide. Zweimal ging er schon in Vorleistung.
Ausgerechnet der Polit-Profi Christian Lindner wurde kalt erwischt. Dem Finanzminister fehlte ein Plan B - ein solches Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte er sich in der Dimension nicht vorstellen können. Um den Haushalt 2023 überhaupt durchzubekommen, setzte Lindner die Schuldenbremse für dieses Jahr aus und beantragte einen Nachtragshaushalt.
Quelle: dpa
Fragen an den Bundesfinanzminister von Bettina Schausten und Anne Gellinek - heute um 19:20 im ZDF und bei ZDFheute
Der FDP-Finanzminister stand dermaßen mit dem Rücken zur Wand, dass er seine eigene Errungenschaft - die Einhaltung der Schuldenbremse - für 2023 beerdigen musste. Das war für ihn schmerzhaft - und auch für seine Partei.
Selbstverständnis der FDP bekommt Risse
Die Liberalen sehen sich als Partei der finanzpolitischen Vernunft - als Garant für solide Haushaltspolitik. Gerne sehen sie ihre eigene Funktion als eine Art Korrektiv innerhalb der Ampel. Wenn rot-grüne Ausgabeideen entstehen, ersticken sie diese gerne mit gelben Realitätshinweisen. Nur diese Sichtweise bekommt nun Risse.
Und die Partei rutscht in ein Dilemma: Sie tragen eine Politik mit, die sie zum Teil ablehnen. Gerade subventionierte Wirtschaftspolitik ist für viele Liberale der komplett falsche Weg. Eine Chipfabrik in Magdeburg durch Steuergelder zu finanzieren - das käme einem marktwirtschaftlich geprägten Liberalen nicht in den Sinn.
Und so wirkt es fast ein wenig erleichtert, wenn der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler sagt: "Für mich sind die Chipfabriken mit dem Urteil aus Karlsruhe nicht finanzierbar." Und nicht nur die. "Wir müssen darüber nachdenken, ob wir am Bürgergeld sparen können. Es war ein Fehler, alle ukrainischen Flüchtlinge ins Bürgergeld zu lassen. Auch die Kindergrundsicherung ist nicht finanzierbar." Das sind harsche Worte für beide Koalitionspartner.
FDP steht hinter Parteichef Lindner - weitestgehend
Mit dem eigenen FDP-Parteichef gehen sie bisher dagegen rücksichtsvoll um. Die FDP weiß um die Nöte des Finanzministers. Am Wochenende gab es in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Parteitage der Liberalen. Die Kritik am Führungspersonal blieb weitestgehend aus.
Es gibt den sogenannten Weckruf, mit dem 26 FDP-Mitglieder den Austritt aus der Ampel fordern. Aber noch ist es eine kleine Gruppe innerhalb der Partei. Und dann gibt es Matthias Nölke. Er ist Initiator einer Mitgliederbefragung, Ampel beenden: Ja oder nein. Die Parteiführung versucht das herunterzuspielen - allein der Umstand, dass der Initiator bei rund 75.000 Mitgliedern fast vier Wochen für die Unterschriften gebraucht habe, werten sie als Signal der Entspannung.
Doch auch wenn das Ergebnis nicht bindend ist, es wird ein Seismograf für die Stimmung innerhalb der Partei. Die FDP ächzt unter den verlorenen Landtagswahlen- und so manche Umfrage sieht sie gefährlich nah an der Fünf-Prozent-Hürde. Ausgerechnet in dieser Lage müssen auch Liberale Zugeständnisse während der Haushaltsverhandlungen machen, das könnte Ampel-kritische Mitglieder bestärken.
Finanzminister muss auf zentrale FDP-Vorhaben verzichten
Zudem verzichtete der Finanzminister überraschend auch auf eines der FDP-Kernvorhaben: die Startfinanzierung der Aktienrente. Neben dem Aussetzen der Schuldenbremse 2023 ist das die zweite liberale Errungenschaft, die wegfällt - jedenfalls erst einmal.
Wie hoch die Nervosität ist, zeigte sich auch, als der Haushaltsexperte Otto Fricke sagte, in der jetzigen Lage müsse alles geprüft werden - Steuererhöhungen schloss er nicht aus. Ein Tabubruch - mittlerweile ist er zurückgerudert. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schloss die definitiv aus.
Und auch eine Abschaffung der Schuldenbremse kommt für die Liberalen für 2024 nicht infrage. Franziska Brandmann, Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen sagt dazu:
Nicht nur für die. Die Liberalen sind glasklar - nur ihre Partner sehen das eben anders.
Die Schuldenbremse sei "eine der wichtigsten Instrumente", so FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. "Dahinter steht ja die gesamte Politik der amtierenden Regierung."27.11.2023 | 5:22 min
Haushaltskrise bietet auch Chance für Lindner und FDP
Damit setzt das Haushaltsurteil die Liberalen unter Druck - und besonders ihren Parteivorsitzenden. Ausgerechnet in dieser Lage ein liberaler Finanzminister. Das kann Fluch oder Segen sein - je nach Perspektive. Die unter Druck stehende FDP sieht aber auch eine Chance in der Haushaltskrise: Die Bevölkerung will überwiegend an der Schuldenbremse festhalten - und die Liberalen stilisieren sich gerade als eine Art Hüter eben dieser.
Das könnte Wähler zurückbringen - wenn sie sie denn einhalten können. Scheitert Lindner mit dieser roten Linie, könnte auch seine Partei dem schwer standhalten.