Reichtum in Deutschland: Warum kommt keine Vermögenssteuer?
Reichtum in Deutschland:Warum gibt es keine Vermögenssteuer?
von Hauke Wendler
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Gut 100 Jahre lang gab es in Deutschland eine Vermögenssteuer. Doch 1997 wurde sie "ausgesetzt", unter sonderbaren Umständen. Wie kam es dazu? Und warum ändert sich daran nichts?
Gut 100 Jahre gab es in Deutschland eine Vermögensteuer, die dem Staat damals Milliarden in die Haushaltskasse spülte. Doch 1997 wurde sie plötzlich "ausgesetzt". Wie kam es dazu? 14.10.2024 | 35:07 min
Über rund 18 Billionen Euro verfügen die Deutschen privat. Die ärmeren 50 Prozent besitzen dabei de facto fast nichts. Die reichsten 0,1 Prozent hingegen, das sind nur 80.000 Menschen, halten zusammen bis zu 20 Prozent des Vermögens in Deutschland. Eine extrem ungleiche Verteilung, auch im internationalen Vergleich.
Dabei hatte Deutschland einst eine Vermögenssteuer, die genau das verhindern sollte. Was ist daraus geworden?
Vermögenssteuer 1997 ausgesetzt
Offiziell wurde die Vermögenssteuer 1997 nicht abgeschafft, sondern nur "ausgesetzt". Hintergrund war eine Entscheidung aus Karlsruhe von 1995: Damals kritisierte das Bundesverfassungsgericht, die Besitzer von Immobilien würden zu wenig Steuern zahlen. Das Vermögenssteuergesetz müsse überarbeitet werden, so die Richter. Daraufhin argumentierte die damalige Bundesregierung von CDU/CSU und FDP, eine Gesetzesreform sei viel zu kompliziert.
Deshalb wurde die Vermögenssteuer nicht überarbeitet - sondern komplett ausgesetzt. Aber was war dran an der Argumentation von Union und FDP?
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Barbara Hendricks, die für die SPD ab 1994 im Finanzausschuss saß, erinnert sich im Interview mit ZDF frontal: "Es gab einen ausformulierten Gesetzentwurf zur Vermögenssteuer, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes aufgegriffen hat. Und der hat im Bundesrat eine Mehrheit bekommen und ist ganz offiziell dem Bundestag zugeleitet worden."
Quelle: ZDF
Mehr zum Thema sehen Sie am Dienstag, dem 15. Oktober, ab 21 Uhr in der ZDF-Sendung frontal - und jederzeit in der ZDF-Mediathek.
Lobbyarbeit der "Familienunternehmer"
So konnte der Staat seit 1997 schätzungsweise mehrere 100 Milliarden Euro an Steuern nicht einnehmen. Weil die Überarbeitung eines Gesetzes nie abgeschlossen wurde. Trotzdem hält sich die Behauptung von der Vermögenssteuer, die viel zu aufwendig sei.
Auf seiner Website rühmt der sich der Verein "Die Familienunternehmer", er habe damals "erfolgreich gegen die Vermögenssteuer geklagt". ZDF frontal fragte ein Interview dazu an - und bekam eine Absage.
Woher rührt die Abwehrhaltung dieses Lobbyvereins, der sich sonst für seine offene Medienarbeit lobt? Wie alle eingetragenen Vereine müssen auch die Familienunternehmer Sitzungsprotokolle und ähnliche Dokumente hinterlegen. Ihre Papiere lagern im Vereinsregister im Amtsgericht Charlottenburg, für jeden einsehbar.
Der Familienunternehmer-Verband sorgt sich um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschlands.25.04.2024 | 1:36 min
"Kampagne gegen Vermögenssteuer"
In der Akte von 2016 findet sich ein möglicher Anhaltspunkt für die abweisende Haltung des Vereins: Da kritisiert ein Familienunternehmer die angeblich "eher linkslastigen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten".
In anderen Akten finden sich eindeutige Hinweise auf die politische Arbeit der Familienunternehmer. Da heißt es zum Beispiel, einer der Schwerpunkte der Vereinsarbeit sei eine "Kampagne gegen Vermögenssteuer". Dafür solle zu den Bundestagswahlen 2021 ein "nennenswerter Etatposten" eingeplant werden.
So machen einflussreiche Unternehmer und Lobbyisten seit Jahrzehnten Druck, um eine Neuauflage der Vermögenssteuer zu verhindern. Welche Auswirkungen hat das auf die Politik?
Wie die FDP den angeblichen Klima-Diesel an deutsche Tankstellen brachte und warum die Sache stinkt.16.07.2024 | 16:33 min
CDU: "Unterschied zwischen Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer"
Friedrich Merz und Carsten Linnemann, die mit der CDU im kommenden Jahr die Regierung übernehmen wollen, lehnten entsprechende Interviewanfragen ab. Aber Linnemann vermittelt einen Termin mit Mathias Middelberg, ihrem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, zuständig für Haushalt und Finanzen. Wie steht die Union heute zur Vermögenssteuer, die sie in den 90er Jahren "ausgesetzt" hat?
"Ich mache einen großen Unterschied zwischen der Vermögenssteuer und der Erbschaftssteuer. Weil jemand, der erbt, der hat ja nichts dafür getan. Ich finde es fair, wenn wir eine vernünftige Erbschaftssteuer haben und da auch hohe Erbschaftssteuersätze", erklärt Middelberg.
Wie geht es weiter mit der Schuldenbremse? Ralf Stegner von der SPD plädiert auf ein Aussetzen der Schuldenbremse 2024. Mathias Middelberg von der CDU spricht sich dagegen aus.30.11.2023 | 11:57 min
CDU offen für Reform der Erbschaftssteuer
Ein Christdemokrat, der höhere Steuern will? Noch dazu unter einem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz, der seit Jahrzehnten als Gegner von Steuererhöhungen gilt?
Wir haken nach, verweisen auf das Bundesverfassungsgericht, das gerade prüft, ob das Erbschaftssteuergesetz nicht Lücken habe und den Unternehmenserben zu Unrecht Vorteile gewähre. Doch Middelberg bleibt bei seinem Plädoyer für eine Reform der Erbschaftssteuer, auch für den Fall einer Regierungsübernahme von CDU/CSU im kommenden Jahr: "Wir werden das an der Erbschaftssteuer reparieren, was uns das Bundesverfassungsgericht aufgibt."
Bei den Lebensverhältnissen in Deutschland gibt es Unterschiede in vielen Bereichen. In anderen gelingt eine Angleichung, so der Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung.03.07.2024 | 1:22 min
Mögliche Folgen der Ungleichheit
Unabhängig davon, welche Koalition 2025 die Regierung übernimmt: Die Steuerpolitik dürfte eines der am heißesten diskutierten Politikfelder der kommenden Legislatur werden. Angesichts des Klimawandels und der maroden Infrastruktur seien höhere Steuereinnahmen wichtig, meint die Politologin Martyna Linartas von der FU Berlin. Auch um gegenüber den ärmeren Teilen der Bevölkerung ein Zeichen zu setzen: "Mit der Ungleichheit sehen wir auch eine Spaltung der Gesellschaft und die Erosion von Demokratie."
Es sei kein Zufall, dass die AfD besonders stark in den neuen Bundesländern sei, wo man auch nach über 30 Jahren nach der Wiedervereinigung immer noch extreme Ungleichheiten sehe.
Quelle: ZDF
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