2019 hebt die Polizei den Cyberbunker in Traben-Trarbach aus. Die Betreiber werden verurteilt. Die Generalstaatsanwaltschaft legt nun Revision beim BGH ein.
Quelle: LKA Rheinland-Pfalz
Es klingt wie ein Krimi: Ein Niederländer kauft 2013 eine frühere Bunkeranlage der
Nato im Moseltal für 450.000 Euro. Eigentlich geht Bürgermeister Patrice-Christian-Roger Langer (SPD) aus Traben-Trarbach davon aus, dass auf dem Gelände ein Unternehmen errichtet wird, das mit Daten arbeitet, Arbeitskräfte vor Ort anwirbt und stabile Arbeitsplätze schafft. Doch der Käufer hat andere Pläne.
Über Server laufen Drogendeal, Datenhehlerei, Falschgeldgeschäfte
Der über 60-Jährige baut mit drei anderen Niederländern, drei Deutschen und einem Bulgaren in dem ehemaligen Bunker ein geheimes und hochgesichertes Rechen- und Datenverarbeitungszentrum auf, wirbt damit, alles zu hosten, technisch alles möglich zu machen - außer Kinderpornografie und Terrorismus. Über die 886 Server laufen von 2014 bis 2019 Drogendeals von vielen Millionen Euro, Datenhehlerei, Computerangriffe und Falschgeldgeschäfte.
Die Bande wirbt mit einem "Bulletproof-Hoster", der das Ziel verfolgt, mit höchsten Sicherheitsstandards kriminelle Kunden vor dem Zugriff der staatlichen Ermittlungsbehörden zu schützen. Für 2.000 Euro pro Jahr konnten Betreiber illegaler Handelsplattformen eine Webpräsenz mieten. Die Kunden blieben anonym, die Angeklagten traten nach außen nicht mit echtem Namen auf. Verträge gab es nicht, wichtig war nur, dass gezahlt wurde, meist anonym über die Kryptowährung
Bitcoin.
Nach fünfjährigen Ermittlungen hebt die Polizei im Herbst 2019 die unterirdische Anlage aus.
Sie nutzen die Weiten des Internets, um anonym zu bleiben: Cyberkriminelle. Mindestens 230 Milliarden Euro Schaden werden sie allein im Jahr 2022 anrichten – mehr als jemals zuvor.05.05.2023 | 43:27 min
Erstmals Haftstrafen für Webhoster
Es ist einer der bundesweit größten Prozesse um Cybercrime, der am Landgericht Trier 2020 beginnt. Erstmals stehen nicht die Täter im Fokus, die im
Darknet illegal etwa Drogen und Waffen verkaufen. Erstmals sind es die Webhoster, die Betreiber der Server, die vor Gericht stehen. Sie machen die illegalen Geschäfte technisch erst möglich.
Das Gericht verurteilt die acht Angeklagten zu Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr auf Bewährung und fünf Jahren und neun Monaten Haft. Alle Acht hätten sich der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig gemacht. Hingegen sieht das Gericht von einer Verurteilung wegen Beihilfe zu den knapp 250.000 Straftaten, die über die gehosteten Seiten gelaufen sein sollen, ab. Den Angeklagten könne nicht nachgewiesen werden, dass sie konkret von einzelnen Taten gewusst und diese aktiv gefördert hätten.
Bundesgerichtshof bestätigt weitestgehend das Trierer Urteil
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am heutigen Dienstag das Urteil gegen die Betreiber im Wesentlichen bestätigt. Das Gericht hält an der Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, aber auch am Freispruch bezüglich der Beihilfe, fest. Ein konkreter Vorsatz hinsichtlich der Straftaten der Servernutzer konnte nicht festgestellt werden.
Es sei nicht ausreichend, dass die Betreiber die illegalen Machenschaften ihrer Kunden nur irgendwie förderten, ohne jedoch konkrete Vorstellungen davon gehabt zu haben, so die Karlsruher Richter. Dass die Angeklagten es generell für möglich hielten, dass Nutzer des Rechenzentrums Straftaten begehen, reiche für eine Verurteilung wegen Beihilfe nicht aus.
Die Generalstaatsanwaltschaft Rheinland-Pfalz, bei der die Landeszentralstelle Cybercrime angedockt ist, sah das noch anders. Die Angeklagten hätten nicht einfach nur Server bereitgestellt. Sie hätten gewusst, dass ihre Kunden die Server für strafbare Handlungen genutzt hätten.
Neuer Paragraph soll Betreiber von kriminellen Handelsplattformen bestrafen
Künftig soll der neu eingeführte §127 StGB Strafbarkeitslücken schließen und die Betreiber von kriminellen Handelsplattformen bestrafen. Da die Straftaten aber bereits einige Jahre zurückliegen, können die Angeklagten hiernach nicht verurteilt werden.
Abschließend entschieden ist das Verfahren aber nicht. Die Vorinstanz soll sich nun erneut mit Detailfragen befassen.
Birgit Franke ist Redakteurin der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.