Parteiprogramm beschlossen:Wagenknecht-Partei will Annäherung an Moskau
Russland einbinden, EU zurückdrängen, Zuwanderung reduzieren: Das Bündnis Sahra Wagenknecht hält in Berlin seinen ersten Parteitag ab und beschließt sein erstes Parteiprogramm
Die vor drei Wochen gegründete Partei Bündnis Sahra Wagenknecht ist in Berlin zum ersten Bundesparteitag zusammengekommen. Es ging um Personalien und das Europawahlprogramm.27.01.2024 | 1:42 min
Ende der Waffenhilfe für die
Ukraine, Öl und Gas aus Russland, Asylverfahren an Außengrenzen und in Drittstaaten - mit diesen und weiteren Forderungen zieht das Bündnis
Sahra Wagenknecht in die Europawahl. Ohne Gegenstimme beschloss der
BSW auf seinem Bundesparteitag am Samstag das Programm für die
Europawahl am 9. Juni. Es ist geprägt von scharfer Kritik an der
EU und der Forderung nach mehr Entscheidungsgewalt für die Nationalstaaten.
In Berlin findet der erste Parteitag des Bündnis Sahra Wagenknecht statt. ZDF-Korrespondetin Andrea Maurer berichtet über die Entwicklungen.27.01.2024 | 1:10 min
Ein Europa nach dem Motto "Weniger ist mehr"
Die Wagenknecht-Partei will "ein selbstbewusstes Europa souveräner Demokratien". Im Programm heißt es: "Die EU in ihrer aktuellen Verfassung schadet der europäischen Idee." Kritisiert werden eine "abgehobene Politik ferner, demokratisch kaum kontrollierter EU-Technokraten" und eine "ausufernde EU-Regelungswut".
Im Zweifel sollten die Mitgliedsländer auf nationaler Ebene EU-Vorgaben nicht umsetzen, "wenn sie wirtschaftlicher Vernunft, sozialer Gerechtigkeit, Frieden, Demokratie und Meinungsfreiheit zuwiderlaufen". Das BSW will eine EU nach dem Motto: "Weniger ist mehr." Das bezieht sich auch auf die Mitgliedsländer: Die Partei will ein "Moratorium für die EU-Erweiterung".
Interview mit Sarah Wagenknecht auf dem BSW-Bundesparteitag in Berlin27.01.2024 | 12:24 min
Stopp der Waffenhilfe an die Ukraine als Angebot an Moskau
Zum Ukraine-Krieg fordert das BSW: "Um Russland zur Aufnahme von Verhandlungen zu motivieren, sollte für diesen Fall der sofortige Stopp aller Rüstungsexporte in die Ukraine angeboten werden." Frieden und Sicherheit in Europa könne "stabil und dauerhaft nicht im Konflikt mit der Atommacht
Russland gewährleistet werden", heißt es weiter.
Eine neue europäische Friedensordnung müsse "längerfristig auch Russland einschließen". Beim Thema Sicherheitspolitik, aber auch an anderen Stellen, wird Europas Nähe zu den
USA kritisiert. "Europa muss eigenständiger Akteur auf der Weltbühne werden, statt Spielball im Konflikt der Großmächte und Vasall der USA zu sein", heißt es in der Präambel des Programms.
Das BSW will Europa "erneut zu einem Friedensprojekt machen, als das es einst konzipiert worden war".
Rede der Co-Parteivorsitzenden Sahra Wagenknecht auf dem 1. Bundesparteitag von Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Berlin27.01.2024 | 34:05 min
Wiederannäherung an Russland und Distanz zu USA
Die Wagenknecht-Partei will "die Öl- und Gaslieferung aus Russland wieder aufnehmen und langfristige Energieverträge schließen". Die
EU-Wirtschaftssanktionen hätten "Russland kaum getroffen und den Krieg in der Ukraine nicht gestoppt", der europäischen Wirtschaft aber "massiv geschadet".
Das BSW warnt davor, "sich zu stark an die USA zu binden". Sonst bestehe auch "die Gefahr, mit
China den wichtigsten Handelspartner zu verlieren". Zudem dürfe Europa "nicht länger eine digitale Kolonie der Vereinigten Staaten sein, sondern muss eine eigenständige digitale Infrastruktur aufbauen".
In der Verkehrspolitik fordert das BSW, die Entwicklung verbrauchsärmerer Modelle zu fördern, statt Verbrennerautos zu verbieten. Generell müsse es eine "Re-Industrialisierung Europas" geben.
Für viele Linke gilt Sahra Wagenknecht als Spalterin - für Anhänger ihrer neuen Partei als echte Wahlalternative. Welche Erfolgsaussichten hat die vermeintliche One-Woman-Show?23.01.2024 | 13:18 min
Migration: Warnung vor "Parallelgesellschaften"
Die Wagenknecht-Partei will
Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und in Drittstaaten. "Es darf nicht länger kriminellen Schleppernetzwerken überlassen werden, wer Zugang zur EU bekommt", heißt es in dem Programm. Die EU müsse ihre Flüchtlings- und Migrationspolitik "grundlegend" reformieren, so die Forderung.
Das BSW warnt, "in Frankreich und anderen Ländern, etwas schwächer ausgeprägt auch in Deutschland", seien in den vergangenen Jahren "islamistisch geprägte Parallelgesellschaften entstanden".
Die Wagenknecht-Partei präsentiere sich als weitere Alternative zur Regierung, sagt der Politologe Thorsten Faas. "AfD bekommt starke Konkurrenz."08.01.2024 | 18:00 min
Kritik an "Konformitätsdruck" und "Cancel Culture"
Auch die von Wagenknecht oft beklagte "
Cancel Culture" ist Thema des Wahlprogramms. Viele Menschen in der EU "trauen sich nicht mehr, offen zu sagen, was sie denken", heißt es darin. Kritische Stimmen würden "diffamiert, stigmatisiert und ausgegrenzt". Ein solcher "Konformitätsdruck" sei mit einer offenen, liberalen Gesellschaft unvereinbar.
Quelle: AFP