Debatte über Migration:Länder lehnen Prepaid für Asylbewerber ab
von Kristina Hofmann
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Abfuhr an die FDP: Die Länder lehnen ab, die Versorgung von Asylbewerbern auf Sachleistungen umzustellen. Fast alle sind dagegen, ergab eine ZDF-Umfrage: Es gehe gesetzlich nicht.
Gefülltes Regal einer Kleiderkammer: Würden die Bundesländer auf Sachleistungen umstellen, müssten die Kommunen sie vermutlich im größeren Stil einrichten.
Quelle: dpa
Die Frist ist im Raum: Bis 6. November sollen die Bundesländer die Versorgung von Asylbewerbern auf Prepaid-Bezahlkarten umstellen. Das fordert die FDP seit Tagen. Die Union ist auch dafür, der Kanzler nicht abgeneigt. Die Hoffnung: Weniger Geldauszahlung schränkt den Zuzug nach Deutschland ein.
"Die Auszahlung von Bargeld ist ein Pull-Faktor", so FDP-Fraktionschef Christian Dürr zu ZDFheute, "und wird zum Teil ausgenutzt, um Geld in die Heimat zu schicken. Bezahlkarten sind das beste Mittel, um das zu verhindern."
Umfrage: Mehrheit gegen Dürr-Vorschlag
Am 6. November kommen die Länder wieder zur Ministerpräsidentenkonferenz zusammen. Derzeit sieht es nicht danach aus, dass sie bis dahin die Versorgung von Asylbewerbern von Geld- auf Sachleistungen umstellen. Eine Umfrage von ZDFheute ergab: Die Mehrheit der Länder ist dagegen.
Allein Hessen, Bremen und Thüringen verweisen auf das November-Treffen, "der Meinungsbildungsprozess ist noch nicht abgeschlossen", heißt es aus dem Sozialministerium in Bremen.
In Rheinland-Pfalz, wie im Bund von einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP regiert, ist man da eindeutiger:
Die Ablehnung der Länder hat mehrere Gründe.
Der DStGB nennt hohe Gesundheitskosten bei Asylbewerbern. Die Debatte um Bargeld und wachsende Flüchtlingszahlen fordert Kommunen und Politik heraus.29.09.2023 | 1:17 min
Erstes Argument: Die Urteile des Bundesverfassungegerichts
Bislang ist es so: Wer in Deutschland einen Antrag auf Asyl stellt, wird in der Regel in Erstaufnahmeeinrichtungen in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Ein Bett, Heizung, Kleidung, Hausrat zur Verpflegung wird als Sachleistung gestellt.
Dazu bekommen die Menschen ein sogenanntes Taschengeld, um ihren persönlichen Bedarf zu decken. In Mecklenburg-Vorpommern beträgt es derzeit zwischen 117 und 182 Euro, je nachdem, ob man beispielsweise mit minderjährigen Kindern zusammenlebt.
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Das Bundesverfassungsgericht hatte erst im vergangenen Jahr die Versorgung noch einmal geprüft und entschieden, dass allen in Deutschland lebenden Menschen das Existenzminium gewährt werden muss. Es darf auch nicht verringert werden, um es als Abschreckung zu benutzen. Das Taschengeld als Sachleistung auszugeben, sieht man daher in Nordrhein-Westfalen skeptisch.
"Vor Einführung einer Karte müsste zunächst geklärt werden, inwiefern eine solche Lösung nicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Ausübung der persönlichen Lebensgestaltung sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes bedeutet", heißt es dort. Ob das den Verwaltungsaufwand reduziert? Das CDU-geführte Nordrhein-Westfalen ist momentan entschieden:
Zweites Argument: Umstellung braucht neues Gesetz
Zweiter Fall: In der Regel werden die Menschen nach der Erstaufnahme auf die Kommunen verteilt. Ebenfalls dort oft in Gemeinschaftsunterkünften, Containerdörfern, manchmal in Pensionen, seltener in Wohnungen.
Je nachdem, wo und wie die Menschen leben, gibt es Geld- oder Sachleistungen. Das Asylbewerberleistungsgesetz legt fest, dass außerhalb der Erstaufnahme "vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs zu gewähren" sind.
Ausnahmen gibt es, und auf die beruft sich FDP-Fraktionschef Dürr: Es können Leistungen durch "Abrechnungen, Wertgutscheine oder von Sachleistungen gewährt werden." Allerdings nicht für alles: Der "notwendige persönliche Bedarf ist (…) durch Geldleistungen zu decken." Sachleistungen dafür gibt es nur bei "vertretbarem Verwaltungsaufwand" oder bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft.
Mehr Sach- anstelle von Geldleistungen? Die Ampel, so das bayerische Innenministerium, hat "kein wirkliches Interesse an einer Lösung". Oder kann das Gesetz "nicht richtig lesen". Da, wo derzeit Sachleistungen per Gesetz erlaubt sind, "werden diese in Bayern gewährt". Wer mehr wolle, müsse das Gesetz ändern.
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Aber selbst das findet man dort schwierig: Würde man das Taschengeld und damit den persönlichen Bedarf, wie etwa Handy-Verträge, durch Sachleistungen "gerichtsfest" abdecken, könnten es "zu einem Mehr an Leistungen" führen, befürchtet Bayern. Und: Könnte von einer Bezahlkarte das komplette Guthaben abgehoben und damit an andere überwiesen werden, setze das "weitere Zuzugsanreize nach Deutschland".
Drittens Argument: Der Aufwand ist zu hoch
Viele Länder sind sich einig: Der Aufwand für Sachleistungen sei finanziell, administrativ und personell zu groß. Sachleistungen, heißt es aus dem Senat für Soziales aus Hamburg, verursachen "Kosten sowie nicht zu unterschätzenden Verwaltungs- und Personalaufwand". Wenn überhaupt, wäre die Umstellung nach Ansicht von Berlin "nur mittelfristig umsetzbar".
Denn nicht nur Waren müssten die Kommunen horten. Sie müssten sich auch um Dienstleistungen wie etwa Friseurbesuche kümmern, schätzt Rheinland-Pfalz. Die Folge: Eine "weitere Überbürokratisierung der besonders belasteten Migrationsverwaltung".
Länder wie Mecklenburg-Vorpommern haben diesen ohnehin reduziert: Sie händigen Geldleistungen persönlich aus oder überweisen sie auf ein Konto, wenn ein Leistungsmissbrauch "nach Kenntnis der Behörde" unwahrscheinlich ist. Hannover überlegt derzeit, ein Debit-Chipkarten-System für ausgewählte Supermärkte auszugeben. Aber auch da ist die Sorge: hoher Verwaltungsaufwand.
"Mit den Ländern, aus denen viele Menschen kommen," müssten "faire Migrationsabkommen" getroffen und damit "legale Zugangswege" geschaffen werden, so Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen.05.10.2023 | 7:08 min
Dürr: Argumente der Länder "fadenscheinig"
FDP-Fraktionschef Christian Dürr hält die Argumente der Länder für "fadenscheinig":
Die Auszahlung von Bargeld, sagte er zu ZDFheute, "ist ein Pull-Faktor und wird zum Teil ausgenutzt, um Geld in die Heimat zu schicken. Bezahlkarten sind das beste Mittel, um das zu verhindern."
Schützenhilfe bekommen die Länder vom Städte- und Gemeindebund. Die ganze Diskussion sei "total überschätzt", so Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Eine Umstellung werde weder die Anziehungskraft Deutschlands abschwächen noch die Kommunen entlasten.
"Wer Kommunen entlasten will, muss in größeren Dimensionen denken", so Landsberg. Für ihn ist das: eine echte Verteilung der Menschen in Europa, Kontrolle der Außengrenzen und Abschiebung derjenigen, deren Asylgesuch rechtskräftig abgewiesen wurde.