Bürgergeld-Einigung: Wie Heil die Grünen vor den Kopf stößt
Ampel-Einigung beim Bürgergeld:Wie Heil die Grünen vor den Kopf stößt
von Dominik Rzepka
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Arbeitsminister Heil verkündet die Erhöhung des Bürgergelds. Interessant ist der Zeitpunkt: Er macht das heute, nicht gestern. Ein wichtiges Detail und ein Affront gegen Lisa Paus.
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) stellten am Montag die Einigung bei der Kindergrundsicherung vor.
Es ist 10:40 Uhr, als sich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in seinem Ministerium in Berlin vor die Presse stellt und etwas tut, das Minister gern tun, wenn sie bei ihrem Klientel punkten wollen. Er verteilt mehr Geld an die 5,5 Millionen Menschen, die in Deutschland Bürgergeld bekommen, also das ehemalige Hartz IV.
Zum 1. Januar 2024 erhalten Erwachsene künftig 563 Euro, das sind 61 Euro mehr als derzeit. Auch für Kinder und Jugendliche steigen die Regelsätze - und zwar um etwa zwölf Prozent, wie Heil stolz verkündet:
Grüne sind sauer auf Heil - und sagen das sogar
Es ist 12:41 Uhr, als sich Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann in Berlin vor die Presse stellt und etwas sagt, das Politiker oft sagen, wenn sie eigentlich ziemlich sauer sind, das aber nicht gleich jeder mitbekommen soll. Zur Erhöhung des Bürgergelds sagt sie:
Was Haßelmann meint? Diesen nicht ganz unwichtigen Termin gestern. Da sitzt Hubertus Heil nämlich neben Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP), stellt die Einigung in Sachen Kindergrundsicherung vor und sagt zum Bürgergeld: nichts.
Warum Heils Schweigen ein Affront ist
Heils Schweigen am Montag passt Lindner wunderbar ins Konzept. Der FDP-Chef kann jetzt zur Kindergrundsicherung sagen, die Ampel habe "keine generellen Leistungserhöhungen verabredet".
Nach langem Streit gab es eine Einigung zur Finanzierung der Kindergrundsicherung. Sozialverbände reagieren enttäuscht auf den Kompromiss. Die Dortmunder Tafel ist ein Beispiel wie Armut im Alltag aussieht.29.08.2023 | 1:47 min
Paus hingegen muss in jedem Interview erklären, warum sie sich nicht hat durchsetzen können. Warum aus den ursprünglich geforderten zwölf Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung am Ende nur 2,4 Milliarden geworden sind.
Etwas umständlich verweist sie darauf, dass die Ampel das soziokulturelle Existenzminimum neu berechnen will und dass auch das Teil der Einigung mit Lindner ist. Nur das versteht an diesem Tag niemand.
Millionen Kinder bekommen mehr Geld
Dabei bedeutet die Neuberechnung des Existenzminimums, dass das Bürgergeld steigen wird. Und dass Millionen bedürftige Menschen insgesamt mehr Geld vom Staat kriegen werden, darunter auch viele Kinder. Wie anders wäre der Termin am Montag gelaufen, wäre das gestern schon bekannt gewesen.
Doch ein Ergebnis der "harten Verhandlungen" zwischen Paus und Lindner ist ganz offenbar, dass am Montag nicht über die Erhöhung des Bürgergelds geredet werden darf. Noch nicht. Dabei streuen Heils Leute am Montagabend, der Arbeitsminister werde genau das am Dienstagmorgen tun.
FDP gewinnt Kampf um Deutungshoheit
Dahinter steckt eine Kommunikationsstrategie. Denn auch das ist Politik: Wer wann was sagen darf. Wer wann und womit die Nachrichten bestimmt, die Deutungshoheit, den Spin. Und gewonnen hat: Die FDP. Wieder einmal.
Die Grünen versuchen inzwischen, das nachzuholen. Die Kindergrundsicherung und die Erhöhung des Bürgergelds gehörten zusammen, sagt Britta Haßelmann. Sie spricht von einem Gesamtpaket. Doch es ist zu spät. Die Online-Artikel sind geschrieben, die Tageszeitungen gedruckt.
Scholz und die Kommunikationsstrategie
Es ist 12:58 Uhr, als sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Meseberg in Brandenburg zum Auftakt der Ampel-Klausur vor die Presse stellt und sich ein gutes Miteinander für die Regierung insgesamt wünscht.
Er sagt das so, als habe er mit der Kommunikationsstrategie in Sachen Kindergrundsicherung nichts zu tun. Doch der Tag heute zeigt, Scholz und seine SPD lassen die Grünen mithilfe der FDP immer wieder gegen die Wand fahren. Die Frage ist, wie lange die Grünen das noch mit sich machen lassen. Und ob das nicht die eigentliche Sollbruchstelle dieser Ampel ist.
Das Bürgergeld soll steigen. Ab Anfang 2024 werden Erwachsene 563 Euro im Monat bekommen, ein Plus von 61 Euro. Das hat Arbeitsminister Heil angekündigt.