Jubel, Schulterklopfen und eine strahlende Alice Weidel. Die
AfD hat bei beiden
Landtagswahlen kräftig zugelegt. Platz zwei in Hessen, in Bayern war er lange in Reichweite. Zwar ist der Abstand zu CDU und CSU beträchtlich. Auch reicht es derzeit nicht zur Regierungsbeteiligung. Noch nicht, sagt Alice Weidel.
Noch stehe die
Brandmauer. Nächstes Jahr, nach den drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, aber werde man "nicht mehr an uns vorbeikommen", glaubt Weidel. Dann müsse man "die AfD einbeziehen".
Alle Strategien der Parteien, die AfD klein zu halten oder zu ignorieren, sind gescheitert. Und das hat Gründe.
Bayern und Hessen haben neue Landtage gewählt. Daten, Reaktionen, Hintergründe - die Wahlsendung im ZDF.08.10.2023 | 128:42 min
Grund eins: Das Thema Migration
Alle Gewinner des Wahlabends - also die CSU in Bayern, die CDU in Hessen und die AfD in beiden Bundesländern - sprechen von einem "Denkzettel" für die
Ampel-Parteien in Berlin. Und alle drei machen es an einem Thema fest: an der
Migration.
Alle anderen landespolitischen Themen wurden von den Folgen der Zuwanderung und der Überforderung der Kommunen überlagert. Auch wenn die CSU in Bayern es erst auf den letzten Metern für sich entdeckt hat und Söder die Obergrenze forderte.
Erst spät haben die Parteien außer der AfD gemerkt, dass sich der Wind gedreht hat: 59 Prozent der Menschen in Bayern sagen mittlerweile, das Land kann die hohe Zahl der Geflüchteten nicht mehr verkraften. 53 Prozent sind es in Hessen.
In Bayern und Hessen ist ein neuer Landtag gewählt worden. CSU und CDU gewinnen, die AfD in Hessen auf dem zweiten Platz laut vorläufigem Ergebnis. Aktuelle News hier im Liveblog.
Eine Lösung? Ist bislang nicht in Sicht. Vieles wurde diskutiert, entschieden aber außer mehr Grenzkontrollen nicht viel. Zumindest wächst die Einsicht auch bei den Ampel-Parteien, dass etwas mehr getan werden muss.
"Wir sind nicht blind und taub", sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert mit Blick auf die Wahlergebnisse. Und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte ein "ganz neues Verständnis" innerhalb der Koalition zu dem Thema. "Da müssen wir uns noch einmal zusammensetzen."
In den Wahlergebnissen in Hessen und Bayern liege eine Botschaft an die Ampelkoalition in Berlin, sagt SPD-Generalsekretär Kühnert. Die Bundesregierung müsse Orientierung und Ordnung bieten.08.10.2023 | 3:23 min
Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte sagt, es gebe eine "Gesprächsstörung" zwischen den Regierenden und Regierten. Die Ampel habe keine Modelle vorgelegt, wie das Problem Migration zu lösen sei. "Staatsfrust und Staatsversagen" machten sich breit. Und derzeit sei es die AfD, die dieses Gefühl am ehesten bediene.
Grund zwei: Die Wortwahl
Besonders vertrackt ist die Situation in Bayern. Lange gelang es den Freien Wählern und der CSU, die AfD klein zu halten. Bis vor gut einem Jahr war die AfD in den Umfragen höchstens einstellig. Erst dann legte sie stetig zu. Obwohl oder vielleicht gerade weil der Ton schriller wurde und das Original immer weniger von der Kopie zu unterscheiden war.
Nun haben sich zwei Parteien rechts von der CSU etabliert.
Die AfD habe immer mehr Menschen von ihrer Politik überzeugen können, sagt AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel. Das Ergebnis sei auch ein Denkzettel für die Parteien der Ampel. 08.10.2023 | 5:33 min
Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, verstand sich immer als konservatives Korrektiv in der Koalition mit der CSU. Als noch ein bisschen konservativer und rechter als die konservative und rechte CSU. Im Sommer klang er bei einer Demonstration in Erding ziemlich ähnlich wie die AfD, als er sagte, "die schweigende Mehrheit" müsse sich die "Demokratie zurückholen" und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kein Rezept dagegen hatte. Ein Ausrutscher war das nicht.
Kurz vor der Wahl sagte Aiwanger
im ZDF: "Die jetzt Regierenden in Berlin regieren gegen die deutliche Mehrheit in der Bevölkerung." Ähnlich sagte es Weidel am Wahlabend: Die Menschen seien unzufrieden, weil die Ampel in Berlin "Politik gegen die eigene Bevölkerung macht, mehrheitlich."
Migranten dürften "nicht das Bargeld in die Hände bekommen" , so Hubert Aiwanger, Spitzenkandidat der Freien Wähler. "Wenn die Leute sehr schnell arbeiten müssten, würden sogar weniger kommen und nicht mehr.“06.10.2023 | 8:11 min
Aiwanger selbst sagt: "Das sind keine AfD-Parolen." Hätten die Freien Wähler einen "linksliberalen Kurs" eingeschlagen, dann wären weitere Wähler "nach rechts" gegangen. Das hätten die Freien Wähler "verhindert". Allerdings: Die AfD-Spitzenkandidatin Katrin Ebner-Steiner wirft Aiwanger vor, er tue so, als sei er "AfD-light". Dabei seien sie das original.
Grund drei: Querelen schaden nicht
Lange haben die Parteien geglaubt, die AfD erledige sich durch ihre parteieninternen Querelen irgendwie von selbst. Doch gerade die vergangenen Wochen zeigen: dem ist nicht so.
In Hessen schrumpfte die Landtagsfraktion um ein Viertel, weil ständig Abgeordnete austraten. In Bayern wurden Plakate mit Parolen der nationalsozialistischen SA aufgehängt und die Partei von dem Landesverfassungsschutz beobachtet, weil es "tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen" gibt. All das störte offensichtlich nicht.
Auch nicht, dass sich bei den möglichen
Anschlägen und Bedrohungen gegen die Parteichefs Tino Chrupalla und Alice Weidel Ungereimtheiten ergeben haben. Eine klärte Weidel am Wahlabend auf: Dass sie nach einer Bedrohung in einem Safehouse untergebracht worden sei,
stimme nicht.
Sie sei nach Mallorca gereist, um mit ihrer Familie Abstand zu bekommen. "Nichts anderes wurde von meiner Seite kommuniziert." Wer die Geschichte vom Safehouse im Umlauf gebracht hat "klären wir intern auf".
Kein Wahlsieg in Bitterfeld-Wolfen
Alice Weidel ist nach den Wahlsiegen in Hessen und Bayern sicher: "Wir sind auf dem richtigen Weg." Allerdings offensichtlich nicht überall. Auch nicht überall im Osten: In Bitterfeld-Wolfen, in Sachsen-Anhalt, scheiterte der AfD-Kandidat bei der Oberbürgermeister-Wahl. Gewonnen hat die Stichwahl der CDU-Amtsinhaber.