Verfassungsschutz und AfD: Was die Stillhaltezusage bedeutet

    FAQ

    Verfassungsschutz und AfD:Was die Stillhaltezusage bedeutet

    von C. Löffelhardt und J. Henrich
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    Nach den kritischen Äußerungen von Verfassungsschutzpräsident Haldenwang zum AfD-Bundesparteitag hat der Verfassungsschutz eine Stillhaltezusage abgegeben. Was genau heißt das?

    Thomas Haldenwang
    Die AfD hat vor Gericht einen Teilerfolg gegen Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang erzielt.
    Quelle: epa

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird seine Einschätzung zum Bundesparteitag der AfD und dem dort gewählten Kandidaten für die Europawahl nicht wiederholen. Präsident Thomas Haldenwang sprach vor wenigen Tagen von "rechtsextremistischen Verschwörungstheorien", die bei der Europawahlversammlung geäußert worden seien. Das Verwaltungsgericht Köln teilte nun mit, dass es in einem gerichtlichen Verfahren eine sogenannte Stillhaltezusage gegeben habe. Aber was genau ist das?

    Was ist eine Stillhaltezusage?

    Gesetzlich geregelt ist die Stillhaltezusage zwar nicht, trotzdem ist sie in der Praxis vor den Verwaltungsgerichten üblich. Hierdurch verpflichtet sich beispielsweise eine Behörde eine Handlung oder Aussage zu unterlassen, also "stillzuhalten", bis das Gericht endgültig seine Entscheidung trifft.
    Im aktuellen Fall hat das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Stillhaltezusage vor dem Verwaltungsgericht Köln abgegeben, sodass Äußerungen zu AfD-Kandidaten bis zum Ende der Europawahlversammlung der AfD unterlassen werden. An diese Zusage ist der Verfassungsschutz gebunden. Ob die Aussage des Präsidenten des Verfassungsschutzes Thomas Haldenwang rechtmäßig war oder nicht, ist damit aber nicht geklärt. Hierüber hat das Gericht noch zu entscheiden.
    Wer geht für die AfD bei der Europawahl als Spitzenkandidat ins Rennen?

    Dürfen sich staatliche Stellen kritisch zur AfD äußern?

    Wenn sich staatliche Stellen kritisch gegenüber politischen Parteien äußern, sind dabei zwei wesentliche Grundsätze zu beachten. Einerseits dürfen Staatsorgane nicht zu Gunsten oder zu Lasten einer politischen Partei auf einen Wahlkampf einwirken. Dies gilt auch außerhalb von Wahlkampfzeiten. Denn es gilt die Chancengleichheit der Parteien. Andererseits ist es aber Aufgabe von staatlichen Stellen, dass sie die Öffentlichkeit über politische Themen informieren.
    So hat das Bundesamt für Verfassungsschutz der Bevölkerung Auskunft über Bestrebungen zu geben, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Gerichtlich entschieden ist bereits, dass der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen darf. Ob eine Partei tatsächlich verfassungswidrig ist, darf aber allein das Bundesverfassungsgericht feststellen.

    Wie haben Gerichte bislang entschieden?

    Äußerungen über die AfD und ihre Mitglieder beschäftigen Gerichte und Staatsanwaltschaften immer wieder. Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt ein Ermittlungsverfahren gegen Demonstranten wegen Beleidigung eingestellt. Sie hatten AfD-Politiker Björn Höcke als "Nazi" bezeichnet. In einem ähnlichen Fall hatte ein Gericht vor einigen Jahren entschieden, dass es eine zulässige Meinungsäußerung darstellen kann, Höcke als "Faschist" zu bezeichnen.
    Wenn sich Amtsträger in offizieller Funktion äußern, ist der Rahmen allerdings strenger. Das Bundesverfassungsgericht stufte 2022 eine Aussage von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel als verfassungswidrig ein:
    Sie hatte während eines Staatsbesuchs im Ausland die Wahl von Politiker Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten Thüringens mit Stimmen der AfD als "unverzeihlich" bezeichnet. Das Karlsruher Gericht entschied, dass Merkel damit gegen die Neutralitätspflicht in ihrer Funktion als Bundeskanzlerin verstoßen hatte:
    2020 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer die AfD zwar in einem Interview als "staatszersetzend" bezeichnen durfte. Das Interview hätte allerdings nicht auf der Internetseite des Ministeriums veröffentlicht werden dürfen.
    Celine Löffelhardt und Jan Henrich arbeiten in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz
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