Kommentar: AfD ignorieren ist keine Lösung

    Kommentar

    Kopf-an-Kopf-Rennen in Thüringen:AfD ignorieren ist keine Lösung

    von Nicole Diekmannn
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    Die AfD stellt doch nicht den OB in Nordhausen. Trotzdem ist das Ergebnis von knapp 50 Prozent peinlich für die demokratischen Parteien. Das zu ignorieren, ist keine Lösung.

    Jörg Prophet, unterlegener Kandidat der AfD bei der Oberbürgermeister-Wahl in Nordhausen
    Unterlegener Kandidat der AfD bei der Oberbürgermeister-Wahl in Nordhausen: Jörg Prophet.
    Quelle: Reuters

    Ganz grob betrachtet, ist das Ergebnis der Oberbürgermeisterwahl von Nordhausen ein gutes Ergebnis für die Demokratie. Sieht man allerdings nur ein kleines bisschen schärfer hin - da reicht schon eine Auge - dann zeigt sich: Es ist ein peinliches Ergebnis für die demokratischen Parteien. Und eine Warnung. Eine weitere.
    Denn ein dermaßen knappes Ergebnis, ein zwischenzeitliches Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen einem parteilosen Amtsinhaber und einem Vertreter des als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Landesverbandes des Faschisten Björn Höcke - das kann nur solche zufriedenstellen, denen Vieles egal ist.

    AfD hat knapp 50 Prozent geholt

    Heute ist kein Tag, an dem man den Blick auf den Sieger richten sollte. Sondern auf den Unterlegenen. Knapp 50 Prozent hat da jemand geholt, der im Wahlkampf lieber auf einer Veranstaltung des rechtsextremen Magazins "Compact" auftrat und dafür eine Kandidaten-Sprechstunde schwänzte.
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    Wegen des Vorwurfs der Verwendung von NS-Vokabulars muss der Thüringer AfD-Chef Höcke vor Gericht.13.09.2023 | 2:07 min

    Demokratische Parteien nicht mit blauem Auge davongekommen

    Das wohl Erschütternde: dass sich noch immer keinerlei Strategie der anderen Parteien abzeichnet. Ja, es gab dieses Mal keine gemeinsame Wahlempfehlung. Das sei in Sonneberg kontraproduktiv gewesen, heißt es. In Sonneberg feierte die AfD ihren ersten kommunalpolitischen Erfolg und stellt dort nun einen Landrat.
    Aber es kann ja wohl weder der Anspruch in einer erwachsenen Demokratie, geschweige denn eine Strategie sein, die Dinge erstmal laufen zu lassen und dann, wenn es zur Stichwahl kommt, nachzudenken?
    Die demokratischen Parteien sind heute nicht mit einem blauen Auge davongekommen, sondern standen kurz vorm K.O. Sie waren schon vorher angezählt. Wozu sie selbst ein gutes Stück beigetragen haben.
    In Nordhausen selber haben sie in den vergangenen elf Jahren fünf Oberbürgermeister verschlissen. Teils unwürdiger Streit erschütterte das Vertrauen der Leute in die etablierten Parteien.

    Stichwahl in Nordhausen
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    Kai Buchmann, Oberbürgermeister von Nordhausen

    Trägt Ampel-Streit zum Erstarken der AfD bei?

    Eine Parallele zum Bund: Auch dort wird seit Monaten gestritten. Das Heizungsgesetz, die Kindergrundsicherung, Atomkraft, das AfD-Kernthema Asyl - alles sorgt für offen ausgetragenen und mitunter erbitterten Zoff in der Ampel.
    Hinzu kommt der Streit, ob diese Dauerstreiterei möglicherweise mit zum Erstarken der AfD beiträgt. Und obendrein versucht die Union, diesen Streit für sich zu nutzen, wobei vor allem die Merz-CDU durch wildes Irrlichtern auffällt und sich in Definitionslabyrinthen verrennt bei der Frage, was eigentlich eine Brandmauer ist und wie Zusammenarbeit oder eben keine Zusammenarbeit aussieht.
    Einen Wille zum Erkenntnisgewinn, wer oder was in welchem Maße der AfD den aktuellen Höhenflug bereitet, ist dabei nicht in Sicht. Sondern vor allem das Bestreben, sich bei dieser Gelegenheit auf Kosten der anderen zu profilieren.
    Verantwortungslos wird da auf die anderen geschimpft, die für den Höhenflug der angeblich wirklich Verantwortungslosen verantwortlich sind.
    28.07.23., Magdeburg: Tino Chrupalla, Alice Weidel und Maximilian Krah stehen vor einem AfD-Poster.
    Die AfD bezeichnet sich selbst als bürgerlich und liberal, tatsächlich werden die Töne immer radikaler.19.09.2023 | 7:17 min

    AfD ignorieren ist keine Lösung

    Viele kluge Leute wie Politikwissenschaftler, Historiker oder Soziologen, die nicht im Verdacht stehen, eine eigene Agenda wie zum Beispiel möglichst gutes Abschneiden bei Landtagswahlen zu verfolgen, stellen Theorien auf: Wer wählt die AfD aus Überzeugung, wer aus Protest? Wer ist wie womöglich wieder zurückzugewinnen?
    Eine einfache, eindeutige Antwort gibt es nicht. Aber eine relativ wahrscheinliche Annahme: die AfD möglichst lange zu ignorieren - das ist keine Lösung.
    Die AfD in Thüringen führt die Umfragen an. Der heutige Tag wird daran nichts ändern. Am 1. September 2024 finden dort Landtagswahlen statt. Viel Zeit bleibt bis dahin nicht mehr. Aber genug, um sich zu versündigen, würde man sie nicht nutzen.
    Nicole Diekmann ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.

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    AfD-Aufkleber an einer Bushaltestelle in Thüringen
    Quelle: dpa, AFP
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