AfD-Mitglieder sitzen in Wahlkabinen am Tag der Europawahlversammlung 2023 (Archivfoto)
Quelle: Reduters
Die Spitze der
AfD will trotz des Verdachts biografischer Falschangaben an den Kandidaten für
die Europawahl im kommenden Jahr festhalten. Einen entsprechenden Beschluss fasste der Bundesvorstand am späten Montagabend nach mehrstündigen Beratungen in Berlin.
Zwei der kürzlich beim Parteitag in Magdeburg nominierten Kandidaten seien nicht in der Lage gewesen, ihre Angaben zu Berufs- und Studienabschlüssen durch Dokumente zu belegen, hieß es weiter. Dies werde aber keine Konsequenzen haben.
Belege über Studienabschluss von Khan-Hohloch fehlen
Dabei handelt es sich nach Angaben aus dem AfD-Vorstand um die Kandidatin Mary Khan-Hohloch, die auf Platz 14 der Kandidatenliste für die Europawahl steht, und um den Kandidaten Arno Bausemer, der auf Platz zehn steht.
Khan-Hohloch konnte in ihren eingereichten Unterlagen nicht ihre Behauptung belegen, ein Studium der Religionswissenschaft und des öffentlichen Rechts absolviert zu haben. Die AfD-Politikerin habe zwar Bescheinigungen über einzelne absolvierte Hochschulveranstaltungen vorlegen können - aber keine Urkunde, die ein abgeschlossenes Studium dokumentiert hätte.
Bausemer hat diverse Angaben nicht belegt
Der Kandidat Bausemer habe keine Belege für seine Behauptung vorlegen können, eine Berufsausbildung und ein Volontariat absolviert zu haben, hieß es weiter aus dem Vorstand. Auch er konnte seinen Studienabschluss demnach nicht nachweisen.
Bausemer hatte bei seiner Bewerbung um einen Platz auf der Europa-Kandidatenliste unter anderem angegeben, ein journalistisches Volontariat absolviert zu haben und Geschäftsführer eines mittelständischen Betriebs gewesen zu sein. Dies konnte er nach Angaben aus Vorstandskreisen nicht durch Dokumente belegen.
Arno Bausemer (AfD) hat mehrere Angaben aus seinem Lebenslauf nicht belegt.
Quelle: dpa
AfD überprüft Angaben aller Kandidaten zur Europawahl
Nach Medienberichten über Zweifel an den Angaben der Kandidaten zu ihrem Lebenslauf hatte der AfD-Bundesvorstand Ende August allen 35 nominierten Europa-Kandidaten eine Frist gesetzt, bis zum 11. September überprüfbare Nachweise zu ihren Angaben zu Berufsausbildung und Studienabschlüssen vorlegen. Die eingereichten Unterlagen wurden von Vertrauensleuten ausgewertet, die ihre Befunde am Montag dem Vorstand präsentierten.
In einer mehr als vierstündigen Sitzung beschloss der AfD-Bundesvorstand dann am Abend, an den Kandidaten trotz des nicht ausgeräumten Hochstapelei-Verdachts festzuhalten. Andernfalls hätte die gesamte Aufstellung der Kandidaten für die Europawahl im kommenden Jahr wiederholt werden müssen. Diesen aufwändigen und kostspieligen Prozess, der einen neuerlichen Nominierungsparteitag erfordert hätte, habe der Vorstand vermeiden wollen, hieß es in den Kreisen.
AfD-Vorgehen könnte Präzedenzfall schaffen
In der Vorstandssitzung wurde zwar darüber geredet, ob die offenkundigen Falschangaben Konsequenzen für die Bewerber haben müssten. Es sei dann aber vereinbart worden, zu einem nicht näher bestimmten späteren Zeitpunkt über mögliche Konsequenzen zu reden. Im Vorstand wurde demnach auch die Sorge laut, dass durch das jetzige Vorgehen ein Präzedenzfall geschaffen wird, der künftige Kandidaten dazu verleiten könnte, ihre Biografien aufzubauschen.
Für die AfD ist die Angelegenheit unangenehm: Sie hatte bei dem Nominierungsparteitag Ende Juli und Anfang August in Magdeburg großen Wert darauf gelegt, Kandidaten mit praktischer Berufserfahrung von außerhalb der Politik aufzustellen. Die AfD wollte sich dadurch erklärtermaßen von Berufspolitikern der etablierteren Parteien absetzen.
Für Befremden in Teilen des Vorstands sorgte am Montag, dass
Ko-Parteichefin Alice Weidel ihre Teilnahme an der abendlichen Sitzung absagen ließ. Dies sei von Kritikern als Versuch gewertet worden, auf größtmögliche Distanz zu der Affäre zu gehen. Ihr Ko-Parteichef Tino Chrupalla nahm demnach an der Sitzung teil.
Quelle: ZDF, AFP