Pistorius-Antrittsbesuch macht Eindruck in Washington

    Antrittsbesuch in Washington:Pistorius-Auftritt in den USA macht Eindruck

    Autorenbild: Elmar Theveßen
    von Elmar Theveßen, Washington
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    Erleichterung macht sich breit in Washington: Der Besuch von Boris Pistorius scheint den lang gehegten Wunsch nach einer gemeinsamen Führungsrolle greifbar zu machen.

    Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius steht umringt von Reportern vor einem Zweiten-Weltkriegsdenkmal aus Metall und Säulen.
    Boris Pistorius am Denkmal zur Erinnerung an den Zweiten Weltktrieg in Washington
    Quelle: AP

    "Wir sehen uns ja recht häufig", sagt Lloyd Austin mit einem Lächeln auf dem Gesicht und ergänzt:

    Boris, ich freue mich darauf, noch enger zusammenzuarbeiten, um unsere gemeinsame Sicherheit und unsere gemeinsamen Werte zu verteidigen.

    Lloyd Austin, US-Verteidigungsministers

    Es sind dankbare Worte des US-Verteidigungsministers an seinen deutschen Gast im Pentagon.

    Pistorius erinnert an den Kalten Krieg

    Er sei stolz, sagt Boris Pistorius von der anderen Seite des großen Tischs, dass Deutschland nun der zweitgrößte Geldgeber nach den USA für die Ukraine ist. Als "Kind des Kalten Krieges" habe er immer auf die amerikanische Freundschaft vertraut. "Deshalb", so der Bundesverteidigungsminister, "haben wir eine besondere Verantwortung, nun die Ostflanke der Nato zu verteidigen".
    Pistorius hat schon vor dem Treffen bei der US-Regierung wohl einen erleichterten Stoßseufzer ausgelöst: "Na endlich!" Einst, bei einer Rede in Mainz im Mai 1989, hatte der damalige Präsident George Bush senior Deutschland eine gemeinsame Führungsrolle als "Partner in Leadership" angeboten. Dabei sei "Verantwortung" der wohl wichtigste Faktor, so Bush damals: "Unsere Verantwortung ist es, nach vorn zu schauen und die Verheißungen der Zukunft zu verwirklichen."

    Bundesverteidigungsminister will stärkere geopolitische Rolle

    Mehr als 33 Jahre später signalisiert der Bundesverteidigungsminister nun in einem Interview mit der New York Times genau das - eine stärkere geopolitische Rolle Deutschlands. Es werde sich nicht nur in Europa, sondern weit darüber hinaus stärker engagieren: "Wir sehen auch eine europäische Verantwortung für den Indo-Pazifik", so Pistorius.
    Im vergangenen Sommer hatte die deutsche Luftwaffe erstmals an Militärmanövern in Australien teilgenommen:
    Die Bundesrepublik wolle dazu beitragen, "dass die regelbasierte internationale Ordnung und internationales Recht eingehalten werden, und dass die Navigationsfreiheit und die Offenheit der Handelswege auch in Zukunft weiter erhalten bleiben".

    Pistorius sendet klare Botschaft an China

    Eine klare Botschaft an China, das aus amerikanischer Sicht zunehmend eine Bedrohung in der Region darstellt. Deutschland werde sich dort nicht als Militärmacht etablieren, aber Verbündete durchaus mit Waffen beliefern, sagt der Minister.

    Das bedeutet nicht, dass wir die Welt mit deutschen Waffen überschwemmen wollen. Wir müssen das mit Augenmaß angehen.

    Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

    Die US-Regierung hört das gern und sicher auch, dass Deutschland rund 4.000 Soldaten permanent in Litauen stationieren will und mit anderen europäischen Ländern einen gemeinsamen Schutzschirm gegen Raketenangriffe plant - auch, wenn Frankreich da noch nicht mitziehen will. Natürlich weiß man hier in Washington, dass Pistorius bei all diesen Plänen - vor allem bei einem stärkeren Engagement im Indopazifik - noch eine Menge Gegenwind in der Berliner Ampel-Koalition überwinden muss.
    Aber der deutsche Minister wirkt entschlossen:

    Wenn man ein Ziel erreichen will, muss man die Diskussion anstoßen.

    Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

    "Ich glaube, dass die Diskussion geführt werden muss, und hoffe, dass sie mit einem Ergebnis endet, das zum Ausdruck bringt, dass wir verstanden haben, dass strategische Partner im Indopazifik kein 'nice to have' sind, sondern etwas, auf das wir - übrigens auch die Weltwirtschaft, die freien Handelswege und die Navigationsfreiheit - angewiesen sind."

    Gespräche über Nato-Perspektiven für Ukraine

    Pistorius hat mit Austin und mit dem Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan auch über den Wunsch Kiews gesprochen, spätestens nach einem Ende des Krieges in der Ukraine Mitglied der Nato zu werden. Eine Zusage dafür beim anstehenden Nato-Gipfel im litauischen Wilnius in zwei Wochen gilt als unwahrscheinlich.
    Boris Pistorius
    "Warten wir ab, wie die Wahlen ausgehen. Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass sich die Amerikaner aus der NATO zurückziehen", so Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister.28.06.2023 | 5:34 min
    Aber Sicherheitsgarantien für die Ukraine soll es wohl geben. "Was das noch sein kann, darüber werden noch Beratungen geführt.

    Es wird nach meiner Einschätzung definitiv keinen Termin für einen Beitritt geben.

    Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

    "Dass alle der Auffassung sind, die Zukunft der Ukraine liegt in der Nato, das ist oft genug betont worden", sagt Pistorius.

    Verteidigungsminister muss Skeptiker in eigener Partei und Koalition überzeugen

    Pistorius' erster Auftritt kam gut an in der amerikanischen Hauptstadt, in der die Nato im nächsten Jahr ihren 75. Geburtstag feiert. Über all die Jahrzehnte hat das transatlantische Bündnis Frieden, Sicherheit und Freiheit garantiert, nachdem die USA und ihre Verbündeten Deutschland und Europa vom Unterdrückungsregime der Nazis befreit hatten.
    Bundesverteidigungsminister Pistorius und US-Verteidungsminister Austin vor einem Leopard 2- Kampfpanzer
    An seinem ersten Arbeitstag als Verteidigungsminister spricht Boris Pistorius mit US-Kollege Austin über gemeinsame Panzerlieferungen. ZDFheute live zeigt die Statements.19.01.2023 | 39:48 min
    Auch deshalb besuchte Boris Pistorius an diesem Tag das Denkmal zum Zweiten Weltkrieg. "Hier markieren wir den Preis der Freiheit" steht dort in Stein gemeißelt. Nun muss das 'Kind des Kalten Krieges', wie sich Pistorius nennt, die Skeptiker in seiner eigenen Partei und der Regierungskoalition überzeugen, dass Deutschland eben wegen seiner Geschichte mehr geopolitische Verantwortung übernehmen muss. "Na endlich", heißt es hier in Washington.
    Elmar Theveßen leitet das ZDF-Studio in Washington.

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