Gegen Moskau: Europa muss "Abschreckungsfähigkeit" aufbauen
Experte zu russischer Bedrohung:Europa muss "abschreckungsfähig" werden
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Militärexperte Fabian Hoffmann warnt davor, einen möglichen russischen Angriff auf Nato-Staaten nur von der militärischen Stärke Moskaus abhängig zu machen. Die Lage sei komplexer.
Die Nato müsse auf einen Krieg mit Russland vorbereitet sein, so Politikwissenschaftler Hoffmann. Moskau denke über solche Szenarien nach – dem müsse effektiv begegnet werden.16.01.2024 | 11:37 min
"Wir sind einem Krieg mit Russland viel näher, als den meisten Menschen bewusst ist." Mit dieser These hat der Verteidigungsexperte Fabian Hoffmann auf der Kurznachrichtenplattform X (vormals Twitter) für Aufsehen gesorgt. Hoffmann ist Doktorand an der Universität von Oslo und beschäftigt sich dort mit Atomwaffen und deren Herausforderungen für die internationale Sicherheit.
Posting von Militärexperte Fabian Hoffmann
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Anders als viele Militärexperten oder auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hält Hoffmann das Zeitfenster, in dem sich Deutschland und die Nato für einen Konflikt mit Russland bereit machen müssen, für sehr viel kleiner.
Im Gespräch mit ZDFheute live erklärt Hoffmann, wie er zu seiner Annahme kommt und welche Möglichkeiten den Nato-Staaten bleiben.
Wann muss die Nato bereit sein für Attacken aus Russland?
Diskussionen über die Verteidigungsfähigkeit der Nato und der Bundeswehr sind nicht neu. Verteidigungsminister Pistorius geht davon aus, dass Russland erst in fünf bis acht Jahren überhaupt wieder imstande sei, an eine Attacke auf Nato-Territorium zu denken. Und das nur unter der Voraussetzung, der Krieg in der Ukraine würde bald enden. Hoffmann geht davon aus, dass die Nato schon früher voll verteidigungsfähig sein muss - nämlich schon in zwei bis drei Jahren.
Seine Analyse basiert dabei auch auf der jetzigen Fähigkeitslage der Bundeswehr und der Alliierten sowie auf den Plänen Russlands für einen Krieg mit der Nato. Hoffmann geht dabei allerdings nicht davon aus, dass ein Krieg in zwei bis drei Jahren bevorsteht:
Wie könnte die russische Strategie für einen Angriff aussehen?
Russlands militärische Strategie basiere auf zwei Komponenten, so Hoffmann. Zum einen, die militärischen Fähigkeiten, wie sie jetzt auch in der Ukraine zum Einsatz kommen, und zum anderen die Willenskraft. Willenskraft meint dabei die Bereitschaft, in einem Kampf mit der Nato durchzuhalten und davon auszugehen, dass die Nato nicht bereit wäre, immer größere Risiken in einer aktiven Kampfhandlung mit Russland einzugehen.
Daher habe sich Moskau auf andere Szenarien vorbereitet: Russland würde zum Beispiel versuchen, einen wesentlichen Teil des Nato-Territoriums einzunehmen, zum Beispiel im Baltikum. Nicht unbedingt ein ganzes Land, "aber einen so großen Teil, der nicht zu ignorieren ist."
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Danach würde Russland seinen nuklearen Schutzschirm sehr schnell und aggressiv über das besetzte Gebiet spannen und parallel die kritische Infrastruktur in Westeuropa mit Langstrecken-Präzisionsschlägen angreifen. Moskau würde so versuchen, die Nato dazu zu zwingen, auf Verhandlungsbasis einen Frieden zu suchen.
Wie wahrscheinlich ist ein russischer Angriff?
Aktuell sei Russland der Nato militärisch "klar unterlegen im konventionellen Bereich". Es sei aber gefährlich davon auszugehen, dass Russlands Entscheidung für oder gegen einen Krieg mit der Nato nur vom konventionellen militärischen Gleichgewicht abhängen würde, so Hoffmann. Gerade in Bezug auf die angesprochene Willenskraft könnte Russland ein Szenario erkennen, in dem es als Sieger davongehen könnte. Und dieses gelte es aktiv abzuschrecken.
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Wie könnte die Nato sich verteidigen?
Dafür brauche es eine generelle Wiederaufrüstung der Bundeswehr, meint Hoffmann. Die Nato müsse jederzeit bereit sein, die Grenzen des Bündnisses an der Frontlinie zu verteidigen oder gar nicht erst zuzulassen, dass Russland wesentliche Teile des Nato-Territoriums einnimmt, um einer Ausweitung des nuklearen Schutzschirms zu entkommen. Außerdem müsste die Flugabwehrfähigkeiten weiter und dramatisch aufgebaut werden.
Wichtig sei allerdings auch eine breitere Debatte um Kriegsszenarien: Was heißt es, mit Russland im Krieg zu stehen? Es müsse diskutiert werden, wie ein Krieg mit Russland geführt werden würde.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.