Großprozess nach Türkei-Erdbeben:Angehörige: "Sie haben einen Sarg gebaut"
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Nach dem Erdbeben in der Türkei vor elf Monaten hat nun ein erster großer Prozess begonnen. Elf Angeklagten drohen wegen mutmaßlicher Baumängel an einem Hotel lange Haftstrafen.
Erdbeben Anfang 2023: 72 Menschen kamen im türkischen Adiyaman in einem Hotel ums Leben. (Archiv)
Quelle: dpa
Im Südosten der Türkei hat der erste große Prozess im Zusammenhang mit den verheerenden Erdbeben vom vergangenen Februar begonnen. Ein Hotelbesitzer und zehn weitere Angeklagte müssen sich seit Mittwoch in der Stadt Adiyaman für den Einsturz eines Vier-Sterne-Hotels und den Tod von 72 Menschen verantworten. Gutachtern zufolge wies das Hotel große Baumängel auf.
Unter den Opfern waren 26 Mädchen und Jungen aus Nordzypern, die für ein Volleyball-Schulturnier in die Türkei gereist waren. Eltern und Beobachter aus Nordzypern reisten zu dem Prozess an. Sie hielten vor dem Gericht in Adiyaman unter Tränen Schilder mit Bildern der toten Kinder hoch.
Rusen Karakaya, die ihre 14-jährige Tochter verloren hat, sagte:
Sie werde nicht ruhen, bis die Verantwortlichen, vom Bauherrn bis zu denen, die die Genehmigung erteilt haben, zur Rechenschaft gezogen werden.
Angeklagten droht Haftstrafe von 22 Jahren oder mehr
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten bewusste, fahrlässige Tötung und die Verletzung von mehr als einer Person vor. Den Beschuldigten droht eine Haftstrafe von 22 Jahren oder sogar mehr. Fünf von ihnen, darunter der als Bauherr agierende Hotelbesitzer und der Architekt, sitzen in Untersuchungshaft.
Die Beschuldigten waren beim ersten Prozesstag nicht anwesend, sondern wurden per Video zugeschaltet. Der 72 Jahre alte Hotelbesitzer sagte vor Gericht: "Die Beschuldigungen sind alle haltlos und eine Lüge."
Hotelbesitzer weist Schuld von sich
Der Hotelbesitzer verwies zudem darauf, dass der Bau von den Behörden kontrolliert und nicht beanstandet worden sei. In einer separaten Ermittlung soll die Verantwortung der Behördenmitarbeiter geklärt werden, die Genehmigungen ausstellten. Die Angehörige Karakaya sagt, nicht das Erdbeben habe ihre Liebsten getötet, sondern die für den Bau Verantwortlichen.
Die Kinder sollten nun eigentlich in Zypern sein, Volleyball spielen oder mit ihren Freunden Kaffee trinken. "Stattdessen kämpfen wir um Gerechtigkeit für sie."
Am Morgen des 6. Februar hatte ein Erdbeben der Stärke 7,7 den Südosten der Türkei und Nordsyrien erschüttert. Ein weiteres Beben der Stärke 7,6 folgte am Nachmittag desselben Tages. Allein in der Türkei kamen nach Regierungsangaben mehr als 50.000 Menschen ums Leben.
Quelle: dpa
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