In vier Tagen Israel, Oman und Katar: Es ist eine heikle Reise mit schwierigen Gesprächspartnern, auf der sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier befindet.
Bundespräsident Steinmeier zu Gast in Katar bei Emir Tamim bin Hamad al-Thani.
Quelle: AFP
Schon im Vorfeld ließ der Bundespräsident verlauten, dass seine viertägige Nahost-Reise eine schwierige Reise werde.
Schwierig, weil er zwar als Freund nach Israel reist, aber die Vergangenheit ihn immer wieder einholt. Zum Beispiel seine Nähe zum Iran aus der Zeit der Atomverhandlungen? Schwierig, weil die Weltlage gerade so ist wie sie ist? Schwierig, weil schon der Kanzler, die Außenministerin und auch der Verteidigungsminister vor ihm da waren? Es ist wohl von allem etwas, was diesen Besuch so schwierig macht.
Steinmeier betont Solidarität
Zwei Tage Israel sind der Auftakt - er kommt als Freund des israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog. Schon die Vorgänger des jetzigen - Riflin und Peres - beschrieb Steinmeier stets als seine Freunde, den jetzigen kennt er über zehn Jahre.
Steinmeier steht an der Seite Israels, der Staat habe das Recht sich zu wehren, betont er mehrfach, seine Solidarität gelte einem Israel, das sich wehre, das um eine existenzielle Bedrohung kämpfe.
Besuch im Kibbuz Be'eri
Der Besuch war ursprünglich als Staatsbesuch geplant, für die letzte Novemberwoche. Nach dem 7. Oktober hielt Steinmeier an einem Besuch fest. Es ist vielleicht sogar der passende Zeitpunkt, da die weltweite Unterstützung für Israel und die Empörung über die Massaker der Hamas zu bröckeln scheint - angesichts der Bilder aus Gaza und der vielen zivilen Opfern.
Als erstes Staatsoberhaupt besucht er dann den Kibbuz Be‘eri, hier kamen 130 Menschen ums Leben, zwischen 50 und 80 Geiseln wurden in den Gaza-Streifen verschleppt. Die Hälfte der Häuser, das Gemeindezentrum, vieles ist zerstört. Es sind unfassbare Bilder, wie hier die Hamas gewütet hat.
Friedliches Miteinander auf einen Schlag zerstört
Einige Überlebende sind zurückgekommen, freuen sich über den Besuch des deutschen und israelischen Präsidenten. Die sind sichtlich erschüttert angesichts dessen, was sie hier sehen. Die Straßen und Plätze, die verschont wurden, lassen erahnen, wie schön es hier einmal war. Man habe an das friedliche Nebeneinander geglaubt, erzählen sie hier.
Die Bewohner des brutal von der Hamas überfallenen Kibbuz Kfar Azza fühlen sich verraten. Mit einigen Palästinensern haben sie im Kibbuz eng zusammengearbeitet. Doch genau die haben der Hamas Lagepläne und Informationen geliefert und das gezielte Morden ermöglicht.08.11.2023 | 2:00 min
Vivian Silver war eine von ihnen, 74 Jahre alt, eine Jüdin aus Kanada, Friedensaktivistin. Zeit ihres Lebens fuhr sie einmal die Woche an die Grenze zu Gaza, holte kranke Frauen und Kinder ab und brachte sie zur Behandlung in israelische Krankenhäuser. Sie glaubte an den Frieden, starb in der vermeintlichen Sicherheit ihres Hauses, das nur vor Bomben schützte, nicht vor Terrorangriffen.
Gegenseitig Mut zusprechen
Es dauerte vier Wochen, bis sie anhand ihrer Zähne identifiziert wurde. Die schlimme Nachricht erhielt die Tochter an ihrem 26. Geburtstag, erzählt eine der israelischen Soldatinnen, die direkt nach dem Massaker hierher kamen. "Wie soll ich noch an das Gute im Menschen glauben, nach dem was hier passiert ist, sind das wirklich Menschen?", fragen sie uns.
Es sind viele solcher Geschichten, die alle hier zu hören bekommen, auch der Bundespräsident. Die Überlebenden, der israelische und der deutsche Präsident, sie alle sprechen sich hier Mut zu. Die Bewohner wollen zurückkommen in ihre Heimat. Be‘eri soll wieder aufgebaut werden, wenn denn Israel, die Welt, hier den Frieden garantiert.
Oman - Unterstützung für die Hamas
Doch der ist derzeit nicht in Sicht, räumt Steinmeier ein, man freut sich über kleine Fortschritte. Am Abend telefoniert er mit einem Vater, dessen Frau und zwei kleine Töchter in Geiselhaft waren. Sie wurden freigelassen, sind wieder vereint. Es sei die einzige gute Nachricht in diesen zwei Tagen in Israel gewesen, sagt Steinmeier.
Für Nahost-Experte Daniel Gerlach ist klar: Arabische Staaten müssten nach dem Krieg Sicherheitsverantwortung für den Gazastreifen übernehmen, um dort eine palästinensische Verwaltung aufzubauen. 24.11.2023 | 3:15 min
Weiter geht es in den Oman, der Kontrast könnte größer nicht sein. Von außen betrachtet ist es das liberalste Land auf der arabischen Halbinsel, alles friedlich, alles prächtig. In Israel grauer Himmel und Dauerregen, in Maskat blauer Himmel, Sonne, fast Urlaubsstimmung. Doch es ist keine Demokratie, eine Monarchie, und der Oman steht auf der Seite der Hamas.
Pressefreiheit - nein danke
Es sind daher auch hier schwierige Gespräche, anders schwierig als in Jerusalem, aber halt schwierig, wenn man gerade aus Israel kommt und sich klar auf dessen Seite gestellt, die Verbrechen der Hamas verurteilt hat.
Einen kleinen Vorgeschmack bekamen die mitreisenden Journalisten, wie wenig hier westliche Werte geschätzt werden. Pressefreiheit, nein danke. Beim Empfang mit militärischen Ehren müssen Journalisten vorher ihre Handys abgeben - der Sultan wünscht kein Foto mit uns. Abseits in der Ecke dürfen wir stehen und gefälligst 20 Minuten vor Beginn schon schweigen. Als Aufseher sind eine Handvoll Soldaten für uns abgestellt - bewaffnet mit dem für den Oman typischen Krummdolch am Gürtel.
Katar - Keine Demokratie aber wichtiger Player
Letzte Station Katar. Auch keine Demokratie, im Gegenteil. Aber Katar ist einer der derzeit wichtigsten Player, einerseits Unterstützer der Hamas, gleichzeitig aber eine große Hilfe bei der Geiselbefreiung - wie übrigens auch damals bei der Evakuiierung vieler Deutscher aus Afghanistan.
Kein alltägliches Bild: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier muss in Doha 25 Minuten an der Gangway warten, bevor er das Flugzeug verlassen darf.
Quelle: ZDF/Wiedemeyer Patricia
Der Emir von Katar war gerade in Berlin, traf Steinmeier, Scholz und Baerbock, jetzt trifft Steinmeier ihn hier in Doha. Die Ankunft am Flughafen ist ungewöhnlich, der Bundespräsident muss 25 Minuten warten, ehe er das Flugzeug verlassen darf. Er steht mit vor der Brust verschränkten Armen oben an der Gangway, ob geplant oder Absicht, das ist nicht ganz klar. Journalisten sind hier übrigens auch nicht zugelassen, sie müssen abseits in einem Café warten.
Quelle: picture alliance / AA
Radikal-islamische Terrorgruppe, 1987 während erster Intifada gegründet
Name ist Akronym für "islamische Widerstandsbewegung"
Ziel: Zerstörung Israels und Einrichtung eines islamischen Staats
besitzt keine demokratische Legitimierung und geht restriktiv gegen Bevölkerung vor
Quelle: dpa
radikale Schiiten-Miliz, dominiert mehrere schiitische Gebiete im Libanon
Ziel: Interessen der Schiiten durchsetzen, Kampf gegen Israel
fungiert als politische Partei und Terror-Miliz
ideologisch und politisch mit Iran verbunden, enge Koordination mit Hamas
Großteil militärischer Ausstattung stammt aus Iran
verfügt über großes Raketenarsenal, können vermutlich zehntausende Kämpfer mobilisieren
bereits mehrmals im Konflikt mit Israel, etwa im Libanon-Krieg 2006
in Deutschland als Terrororganisation eingestuft
Experten verweisen auf eine instabile Lage im Libanon: Hisbollah könnte sich Krieg mit Israel wohl auch finanziell nur schwer leisten.
Quelle: ZDF/Iranian Supreme Leaders Office
seit der Revolution 1979 eine schiitische Islamische Republik
Staatsoberhaupt: Ali Khamenei - dieser erklärte zuletzt abermals: Die Palästinenser und andere Kräfte würden "das Krebsgeschwür Israel bald schon auslöschen"
Iran sieht Israel als Erzfeind an und lehnt dessen Existenz ab
fördert und finanziert seit Jahrzehnten Terror-Gruppen in der gesamten Region
konkurriert mit Saudi-Arabien um Einfluss in der Region, ermöglicht durch Öl-Milliarden
ist klar gegen eine mögliche Aussöhnung und Annäherung zwischen Israel und Saudi-Arabien, die sich zuletzt angedeutet hat. Könnte Hamas darum zu Großangriff auf Israel bewegt haben.
Quelle: Reuters, ZDF
Gespräche ohne deutliche Kritik
In Israel wurden die Deutschen als zweitbeste Freunde - nach den USA - bezeichnet. Steinmeier ist beruhigt das zu hören. Doch es erleichtert nicht gerade die Gespräche mit den arabischen Staaten. Doch ohne diese, ohne zumindest zwei starke arabische Staaten, wird es in Zukunft keine Lösung des Nahost-Konfliktes, einen Frieden zwischen Palästinensern und Israel geben. Reden muss man deshalb mit ihnen, ohne allzu viel zu kritisieren, auch wenn es westlichen Medien und westlichen Politikern schwer fällt.
Ja es war eine schwierige Mission, eine schwierige Reise für den Bundespräsidenten, aber es sind halt auch besondere, wahrlich keine einfachen Zeiten gerade.
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