Serbien: Hunderttausend protestieren gegen Vucic

    Gegen Korruption und Regierung:Hunderttausend strömen zu Protest nach Belgrad

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    Der Widerstand gegen Serbiens Präsident Vucic wächst. Mehr als 100.000 Menschen haben sich in Belgrad zum bislang wohl größten Massenprotest versammelt.

    Menschen auf einer Demonstration in Serbien
    Nach Protesten gegen seine Regierung hat sich der serbische Präsident Vučić geäußert. Er teilte mit, er habe die Botschaft verstanden. Ein Wechsel sei aber nur mit Wahlen möglich.16.03.2025 | 0:17 min
    Studierende, Landwirte und andere Bürger: Mehr als 100.000 Menschen haben am Samstag in Belgrad bei einer Großdemonstration gegen Korruption und gegen die serbische Regierung von Präsident Aleksandar Vucic protestiert. Etliche von ihnen waren tagelang zu Fuß aus allen Landesteilen in die Hauptstadt Serbiens gereist.
    Das Innenministerium gab die Zahl der Teilnehmer mit 107.000 an und meldete bis zum Nachmittag keine "größeren Vorfälle". Dennoch rief das Ministerium alle zu friedlichem Protest auf. Da auch Anhänger der Regierung mobilgemacht hatten, wurden gewaltsame Zusammenstöße befürchtet.

    "Ganz Serbien hat sich aufgelehnt"

    Rund 31.000 Menschen hatten sich laut Innenministerium bereits am Freitagabend in Belgrad versammelt. Sie wollten die Ankunft der Demonstrierenden feiern. "Ganz Serbien hat sich aufgelehnt, das erlebt man nicht alle Tage. Ich glaube, das ist das Ende des Regimes", sagte der Teilnehmer Slobodan Horvat dazu.
    Serbische Studentin sitzt zum Protestieren auf der Straße
    Eine Protestwelle erschüttert Serbien. Seit dem Einsturz eines Bahnhofsdachs in Novi Sad fordern Demonstranten ein Ende der weitverbreiteten Korruption und einen Kurswechsel. 06.02.2025 | 12:27 min
    Auch Unterstützer der Regierung von Präsident Aleksandar Vucic waren bereits vor Ort, darunter Ultranationalisten, Mitglieder militanter Gruppen und mutmaßliche Hooligans, die in der Nähe des Parlaments Barrikaden aufbauten.

    Experte: Proteste werden zur Bewährungsprobe

    Für Präsident Vucic, dem Kritiker einen autokratischen Führungsstil vorwerfen, entwickelt sich die Protestwelle zur Bewährungsprobe.

    Vucic ist verzweifelt, denn er sitzt fest.

    Aleksandar Ivkovic, Forscher am Centre for Contemporary Politics in Belgrad

    Würde der Staatschef den Forderungen der Regierungskritiker nachkommen, würde dies unweigerlich zur Verhaftung "einflussreicher Mitglieder der Regierungselite" führen. Zugleich würde Repression die Proteste nur weiter anheizen, so Ivkovic.
    Seiner eigenen Wählerschaft erscheine der Autokrat längst als geschwächt. Längerfristig könnten die Proteste das Ende Vucic-Ära einläuten, schätzt der Experte.

    Erzbischof von Belgrad: "Zeichen der Hoffnung"

    Rückendeckung bekamen die Protestierenden vom katholischen Erzbischof von Belgrad, Ladislav Nemet. Aus einem Brief des Kardinals zitieren örtliche Medien: "Euer Mut und eure Entschlossenheit, für Gerechtigkeit und Fairness zu kämpfen, sind ein Zeichen der Hoffnung und des Glaubens an eine bessere Zukunft für Serbien." Weiter mahnte Nemet einen friedlichen Verlauf der Proteste an.

    Auslöser für Proteste: Bahnhofs-Drama von Novi Sad

    Die von Studierenden angeführten Proteste hatten nach dem Einsturz eines Bahnhofsvordachs in der Stadt Novi Sad am 1. November begonnen, bei dem 15 Menschen ums Leben gekommen waren. Das Unglück befeuerte die Wut über die Korruption in Serbien, die Proteste richten sich inzwischen zunehmend gegen Vucics Regierung. Über Monate kam es seither im ganzen Land zu großen Protesten.
    "Wir werden alles in unsere Macht stehende tun, um die Demonstration abzusichern", versuchte Präsident Vucic Bedenken in einer Ansprache am Freitagabend zu zerstreuen. Gleichzeitig drohte er, als Präsident werde er nicht zulassen, "dass die Straße die Regeln diktiert". Er hob hervor:

    Nur um das klarzumachen, ich lasse mich nicht unter Druck setzen.

    Aleksandar Vucic, serbischer Präsident

    Er rief alle Seiten zum Gewaltverzicht auf und befahl der Polizei, keine übermäßige Gewalt anzuwenden.
    Studenten und andere Demonstranten, die im Vorfeld einer Großdemonstration an diesem Wochenende eingetroffen sind, marschieren am Freitag, 14. März 2025, in der Innenstadt von Belgrad, Serbien.
    Seit Monaten finden Massenproteste gegen die Vucic-Regierung in Serbien statt. Ein Vorwurf: Korruption. 15.03.2025 | 2:30 min

    Serbische Regierung: Aktivisten festgenommen

    Regierungsangaben zufolge wurden bereits am Freitag sechs Aktivisten festgenommen. Sie stünden im Verdacht, "Aktionen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und die Sicherheit in Serbien" geplant zu haben.
    "Was sich alle fragen, ist, ob die Regierung versuchen wird, Gewaltsituationen herbeizuführen, um anschließend einen Vorwand für die Ausrufung des Ausnahmezustands zu haben", sagte der Experte Srdjan Cvijic vom Belgrader Zentrum für Sicherheitspolitik.

    Wir können seit ein paar Tagen sehen, dass das Regime versucht, die Spannungen zu eskalieren.

    Srdjan Cvijic, Zentrum für Sicherheitspolitik, Belgrad

    Die Regierung baue "ein Potemkinsches Dorf vor dem Präsidentenpalast auf, mit bezahlten Pro-Regierungs-Demonstranten", so Cvijic weiter.

    Staatsmedien reden bereits von "Putsch"

    Auch in den Staatsmedien war vor der Demonstration am Samstag der Ton schärfer geworden. Die Studenten planten einen "Putsch", hieß es.
    Die serbische Regierung steht wegen der Protestwelle unter wachsendem Druck. Ende Januar erklärte Ministerpräsident Milos Vucevic seinen Rücktritt. Präsident Vucic ruft derweil abwechselnd zum Dialog auf oder macht ausländische Einmischung für die Proteste verantwortlich - ein Vorwurf, den auch Kremlchef Wladimir Putin geäußert hatte. Vor der Demonstration am Samstag warnte Vucic vor einem "endgültigen" Showdown.
    Quelle: AFP, KNA, dpa

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