Parlamentswahl: Vier Erkenntnisse nach der Schweiz-Wahl

    Analyse

    Parlamentswahl im Nachbarland:Vier Erkenntnisse nach der Schweiz-Wahl

    Houben Luisa
    von Luisa Houben
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    Die Schweiz hat ein neues Parlament gewählt: Die Rechtspopulisten haben gewonnen, die Grünen verloren. Was sagt das Ergebnis über die Schweizer? Eine Analyse.

    Schweiz, Meyrin: Stimmzettel für die Parlamentswahl werden von Wählern in die Wahlurne geworfen.
    Die Schweizer Volkspartei ist der klare Gewinner der Wahlen.
    Quelle: dpa

    Die Schweiz hat ein neues Parlament gewählt. Im Wahlkampf dominierten Hass und Hetze gegen Einwanderer, sie übertönten den Ruf nach mehr Klimaschutz. Vier Erkenntnisse des Wahlsonntags:

    1. Hetze gegen Migranten führt zu Erfolg

    "Es ist eine riesige Erleichterung", sagt David Zuberbühler. Er hat am Wahlabend Tränen in den Augen - vor Freude. Seine Partei, die Schweizer Volkspartei (SVP), ist klare Gewinnerin der Wahl. Die nationalkonservative, rechtspopulistische Partei bekam am Sonntag fast 29 Prozent der Stimmen.
    Vor vier Jahren wurde sie zwar auch stärkste Kraft, hatte aber Stimmen verloren. Dieses Mal gewinnt sie mit großem Abstand, erreicht das zweitbeste Resultat ihrer Geschichte. Zurückzuführen ist ihr Sieg auf das Versprechen für mehr Sicherheit zu sorgen. Erst hatten sie versucht mit Neutralität und Debatten ums Gendern für sich zu werben, Erfolg aber stellte sich erst ein, als sie radikal auf Zuwanderung und Asylpolitik setzten.
    So behaupteten sie im Wahlkampf, Gewalttaten resultierten aus dem Betritt der Schweiz zum Schengen-Raum und druckten Wahlplakate mit Slogans wie: "Neue Normalität: Eritreer ersticht unschuldigen Mann".
    Die pauschale Kriminalisierung von Ausländern hatte Erfolg. Die Forderungen nach Bestrafung kamen bei Wählenden gut an. Als Überschrift diente der Slogan einer Volksinitiative: "Keine 10-Millionen-Schweiz". In dem Land leben aktuell etwas mehr als neun Millionen Menschen. Doch selbst in kleinen Gemeinden, in idyllischen Bergdörfern verfestigte sich die Meinung, man habe dort keinen Platz für andere.
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    Zu Besuch bei der SVP und den Grünen: Am 22. Oktober wählen die Schweizerinnen und Schweizer einen neuen Nationalrat. 20.10.2023 | 1:59 min

    2. Die Grüne Welle ist vorbei

    Laut war er, der Kampf gegen die Klimakrise. Doch die Parolen für mehr Umweltschutz sind verhallt - auch in der Schweiz. Nicht, weil die Grünen und Grünliberalen sie nicht mehr rufen, sondern weil andere Krisen sie übertönten. Und so konnten die Schweizer Grünen ihren Wahlerfolg von 2019 nicht wiederholen. Im Gegenteil: Sie verloren die Hälfte der damals neuen Wählen und bekamen weniger als 10 Prozent der Stimmen.
    Und das obwohl der Klimawandel weiter zu einer der größten Sorgen der Schweizer zählt. Es scheint, als hätten dessen Folgen, wie extreme Wetterereignisse, die Menschen weniger mobilisiert. Andere Themen, wie die Sorge um steigende Lebenshaltungskosten, konnten die Öko-Parteien wiederum nicht besetzen. Damit zu punkten gelang anderen Parteien.

    3. Bedürfnis nach sozialer Absicherung ist groß

    Steigende Krankenkassenbeiträge, hohe Mieten oder wenig Rente: Von diesen Sorgen profitierten am Sonntag die Sozialdemokraten und die Mitte. Beide konnten im Vergleich zu 2019 dazu gewinnen.
    Dabei ist die Mitte der Zusammenschluss der Christlichdemokratischen Volkspartei und Bürgerlich-Demokratischen Partei mit neuem Anstrich. Nachdem sie deutlich an Wähleranteilen eingebüßt hatten, machten sie seit Anfang 2021 gemeinsame Sachen und setzen auf das Versprechen, die gesellschaftliche Mitte zu repräsentieren.
    Auf nationaler Ebene ist es ihnen geglückt damit neue Wähler zu gewinnen. Auch, weil sie sich im Wahlkampf sozialpopulistisch äußerten. Die Mitte forderte zum Beispiel Krankenkassenkosten zu senken, ohne darzulegen, wie sie die Mehrkosten finanzieren wolle.

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    4. Die Schweizer sind politikmüde

    Die Schweizer sind sich treu geblieben. Trotz Krieg, Klimawandel und sinkender Kaufkraft, die Menschen schienen nicht motiviert, zur Wahl zu gehen. Gerade mal 46,6 Prozent gaben am Sonntag ihre Stimme ab.
    Es mag daran liegen, dass das Wahlergebnis kaum etwas verändern wird. Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament bleiben in der Regel gleich und wirken sich nur sehr langsam auf die Zusammensetzung der Regierung aus. Und die Schweizer wissen: Sie können immer wieder mitreden. Mehrmals im Jahr finden zu einzelnen Themen Volksabstimmungen statt.

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