Russlands Wirtschaft: Verzockt Wladimir Putin sich?

    Analyse

    Verstaatlichungen in Russland:Verzockt sich Putin in der Wirtschaft?

    von Sebastian Ehm
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    In St. Petersburg lädt der russische Präsident zum Wirtschaftsforum. Die russische Wirtschaft wächst, vor allem wegen der Rüstungsinvestitionen. Doch diese Politik birgt Risiken.

    Wladimir Putin im Kreml in Moskau, am 31.05.2024.
    Trotz Sanktionen wächst die russische Wirtschaft. Doch Putins Strategie birgt auch Risiken.
    Quelle: epa

    Wladimir Putin will glänzen dieser Tage in St. Petersburg. Er will zeigen, wie mächtig und stark sein Land wirtschaftlich ist und vor allem, wie wenig man den Westen als Handelspartner braucht.
    Tatsächlich rieb sich manch einer verwundert die Augen, als der Internationale Währungsfonds IWF im April die Wirtschaftsprognose für Russland im Jahr 2024 deutlich nach oben korrigierte. Um 3,2 Prozent werde die russische Wirtschaft wachsen, prognostizierten die Währungshüter. In Deutschland, zum Vergleich, geht man im Moment von einem Wachstum um 0,3 Prozent aus.
    Protest vor Brennelementefabrik Lingen
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    Wirtschaft in Russland umgestellt

    Sanktionen, Krieg. War da was? Der Kreml hat seine Wirtschaft umgestellt. 115 Milliarden Dollar fließen allein dieses Jahr in die Rüstungsindustrie. Das führt zu einem enormen Wachstum dieser Wirtschaftszweige. Auffällig dabei ist, dass immer mehr Firmen in der Rüstungsindustrie verstaatlicht werden. Wladimir Putin und der Kreml wollen die Schlüsselindustrie nicht in privater Hand sehen und pumpen ordentlich Geld in die Rüstung. Geld, das sie mutmaßlich aus dem Verkauf von Öl und Gas erzielen. Indien und China sind Großabnehmer.
    Die Energieriesen Rosneft, Gazprom und andere kontrolliert Putin bereits. Doch im Juni 2023 erteilte er der Regierung zudem den Auftrag, ein Gesetz auszuarbeiten, das dem Staat ein Vorzugskaufrecht für strategisch wichtige Unternehmen einräumt - und dies auch noch mit erheblichen Preisnachlässen. In Russland ist eine wahre Verstaatlichungskampagne in Kraft getreten.
    China-Experte Professor Sebastian Heilmann bei ZDFheute live.
    China nehme entscheidend Einfluss auf die russische Kriegswirtschaft. Die Beziehung zwischen beiden sei "außerordentlich nützlich" für beide Seiten, erklärt China-Experte Heilmann.16.04.2024 | 17:37 min

    Kreml beschlagnahmt Unternehmen

    In einem Jahr habe die russische Regierung 15 Verteidigungsunternehmen im Wert von rund 3,6 Milliarden US-Dollar beschlagnahmt, sagte der russische Generalstaatsanwalt Igor Krasnow im März der russischen Zeitung Kommersant.
    Für Professor Michael Rochlitz, Wirtschaftswissenschaftler und Russland-Experte an der Universität Oxford, kommt diese Welle an Verstaatlichung nicht überraschend. Sie hatte sich angekündigt. So hätten in den letzten zehn Jahren im Umfeld von Wladimir Putin die Silowiki an Einfluss gewonnen - also Personen, die in den Sicherheitsdiensten Karriere gemacht haben und oft eine Sowjetvergangenheit haben.

    Die Silowiki hatten schon immer ein besonderes Verständnis davon, wie eine Volkswirtschaft funktionieren soll. Sie waren schon immer dafür, dass der Staat da stärker eingreift.

    Prof. Dr. Michael Rochlitz, Universität Oxford

    Bundesaußenministerin Baerbock vor Mikrofonen der Presse in Brüssel.
    Als Reaktion auf die Scheinwahl und den Tod Nawalnys verabschieden die EU-Außenminister heute weitere Sanktionen gegen Russland. Auch neue Ukraine-Hilfen wurden beschlossen. 18.03.2024 | 1:35 min

    Wladimir Putin: Russland auf Krieg eingestellt

    Außerdem habe Putin schon zu Anfang des Jahres 2023 die Richtung vorgegeben und angekündigt, dass sich Russland auf einen langen Krieg einstellen müsse, inklusive Umstellung der Wirtschaft. Schon damals kündigte der russische Präsident an, dass dafür Firmen verstaatlicht werden müssten. Der dritte Punkt, den Rochlitz anführt, sei gewesen, dass der Kreml ausländischen Firmen verboten habe, ihr Eigentum zu verkaufen und das Land zu verlassen.

    Im Prinzip war das schon eine de facto Verstaatlichung. Wenn man einmal einer Firma verbietet ihr Eigentum zu verkaufen, hat diese Firma in der Folge die Kontrolle über ihr Eigentum verloren.

    Prof. Dr. Michael Rochlitz, Universität Oxford

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    Er täuscht seine Gegner, verbreitet Angst und Schrecken und gibt sich als neuer Zar. Wladimir Putin herrscht mit eisernen Mitteln. Ist Russlands Präsident wirklich unberechenbar?15.03.2024 | 21:10 min

    Russland abhängig von Öl- und Gaspreisen

    Doch, dass der russische Staat so massiv eingreift in die Wirtschaft, könnte mittelfristig zum Problem für Putin werden. Denn die Investitionen, die Russland gerade tätigt, werden, salopp gesagt, im Krieg in der Ukraine Tag für Tag kaputt geschossen. Das seien, so Rochlitz, "keine Investitionen, die langfristig einen positiven Effekt auf die Wirtschaft haben."
    Russland sei im Moment extrem abhängig von Öl- und Gaspreis. Andere Staaten, die fossile Brennstoffe verkaufen, würden sich ein zweites oder drittes Standbein aufbauen, so Rochlitz. Russland nicht. Hier sei vielmehr zu beobachten, dass gut gebildete Leute das Land verlassen hätten. Investitionen in Bildung, Gesundheitswesen, Infrastruktur und Tourismus blieben aus. Die Folge: Wenn die Preise für Öl und Gas einbrechen, bricht die russische Wirtschaft ein.
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    Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine ist das Leben in Russland repressiver geworden. Viele Gesetze verbieten Kritik am Krieg und am Kreml. 22.02.2024 | 2:23 min

    Kaum Wettbewerb in Russlands Wirtschaft

    Ein Wettbewerb zwischen Firmen um das beste Produkt findet bei zunehmender Verstaatlichung im Land immer weniger statt. Innovation und internationale Wettbewerbsfähigkeit leiden darunter extrem. Das hat Auswirkungen auf die Zukunftsfähigkeit der russischen Wirtschaft. Doch Protest der Unternehmer sucht man in Russland vergeblich.

    Die Firmen in Russland haben ständig dieses Damoklesschwert der Enteignung über sich hängen. Man darf sich nicht falsch verhalten, dadurch sind sie recht machtlos.

    Prof. Dr. Michael Rochlitz, Universität Oxford

    Neuer Verteidigungsminister in Russland

    Putin hat mit den Personalentscheidungen in seinem neuen Kabinett dafür gesorgt, dass ein frischer Wind weht im Verteidigungsministerium. Der neue Verteidigungsminister Andrei Beloussow ist ein effizienter Wirtschaftswissenschaftler. Festnahmen im Verteidigungsministerium sprechen dafür, dass Putin zumindest der Korruption im Verteidigungswesen den Kampf angesagt hat und noch mehr aus der Rüstungsindustrie herausholen will.
    Neuer russischer Verteidigungsminister Andrej Beloussow
    Putins Vertrauter Schoigu muss seinen Posten als russischer Verteidigungsminister aufgeben. Neuer Minister wird der Vize-Regierungschef Beloussow.13.05.2024 | 1:38 min
    Doch was, wenn der Krieg einmal vorbei ist. Wie soll Russlands Wirtschaft dann aussehen? Verstaatlichung und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes. Das ist keine Zukunftsperspektive. Die Wirtschaft Russlands könnte nach dem Krieg große Probleme bekommen.
    Sebastian Ehm berichtet als Korrespondent über Russland, den Kaukasus und Zentralasien.

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