Österreich wählt:Darum geht es bei der Parlamentswahl heute
von Laura Meyer und Christian von Rechenberg, Wien
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An diesem Sonntag wird in Österreich ein neues Parlament gewählt. Umfragen zufolge läuft es auf ein Duell zwischen der Kanzlerpartei ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ hinaus.
Bei der Parlamentswahl in Österreich hat die rechtspopulistische Partei FPÖ erstmals Chancen, stärkste Kraft zu werden. Sie lag in Umfragen knapp vor der konservativen ÖVP.29.09.2024 | 0:23 min
Was wird in Österreich gewählt?
Österreich wählt einen neuen Nationalrat, wie das Parlament genannt wird. Insgesamt werden 183 Abgeordnete gewählt.
Was waren wichtige Wahlkampfthemen?
Wichtige Wahlkampfthemen waren das Jahrhunderthochwasser, das in vielen Teilen Österreichs massive Schäden an öffentlicher Infrastruktur und Privathäusern verursacht hat, sowie die Themen Migration und Teuerung.
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Was sagen die Umfragen?
Vorwahlumfragen zufolge wird das Rennen um Platz eins, und damit den Anspruch auf die federführende Regierungsbildung, zwischen der rechtspopulistischen FPÖ und der konservativen Kanzlerpartei ÖVP entschieden.
Dem aktuellen Wahltrend der österreichischen Nachrichtenagentur APA zufolge wird die rechtspopulistische FPÖ mit rund 27,2 Prozent als stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen hervorgehen. Der konservativen ÖVP, die derzeit den Kanzler stellt, drohen massive Verluste im Vergleich zu 2019. Sie erreicht der Umfrage zufolge derzeit mit rund 24,7 Prozent Platz zwei.
Auf Platz drei folgen mit rund 20,6 Prozent die Sozialdemokraten (SPÖ), gefolgt von den liberalen NEOS mit 9,8 Prozent. Die Grünen als bisheriger kleiner Koalitionspartner in der österreichischen Bundesregierung verlieren ebenso wie ÖVP an Stimmen und liegen mit 8,3 Prozent auf Rang 5. Die BIER-Partei, die bisher nicht im Parlament vertreten ist, kommt auf 3,8 Prozent in den Vorwahlumfragen und ist damit knapp unter der 4-Prozent-Hürde (Stand 22.09.2024).
Sollte die FPÖ gewinnen, wäre die rechtspopulistische Partei erstmals stärkste Kraft in Österreich.
Am Sonntag wird in Österreich gewählt. Dass die rechtspopulistische FPÖ den Kanzler stellt, ist unwahrscheinlich. Nur die ÖVP ist unter Bedingungen zu einer Zusammenarbeit bereit.27.09.2024 | 2:44 min
Welche Parteien treten an?
Insgesamt treten neun Parteien österreichweit an, dazu kommen noch drei Kleinparteien, die in den Bundesländern auf dem Wahlzettel stehen.
Vorwahlumfragen zufolge haben allerdings nur sieben Parteien realistische Chancen, ins Parlament einzuziehen. Das sind:
die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP), die derzeit mit Karl Nehammer den Kanzler stellt
die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)
die Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ)
die liberalen NEOS
die Grünen
die BIER-Partei
die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ).
Wer zieht in den Nationalrat in Östereich ein?
Quelle: Hans Punz/APA/dpa
Die Parteienlandschaft ähnelt in Teilen der deutschen Parteienlandschaft. Wobei ÖVP und die Grünen in Teilen konservativer ausgerichtet sind als ihre deutschen Schwesterparteien. Auch die NEOS unterscheiden sich in ihrer Ausrichtung von der Schwesterpartei FDP.
Die SPÖ ist mit ihrem Spitzenkandidaten Andreas Babler wieder mehr nach links gerückt.
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Wer sind die Spitzenkandidierenden?
Der in Deutschland wohl bekannteste Spitzenkandidat ist der Rechtspopulist Herbert Kickl, der für die FPÖ antritt und auch deren Parteivorsitzender ist.
Für die ÖVP geht der amtierende Bundeskanzler Karl Nehammer ins Rennen, für die SPÖ der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler. Die Grünen schicken den amtierenden Vizekanzler Werner Kogler ins Rennen, die NEOS Beate Meinl-Reisinger.
Für die beiden kleineren Parteien BIER und KPÖ kandidieren Dominik Wlazny (BIER-Partei) und Tobias Schweiger (KPÖ) auf Listenplatz eins.
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Fraglich ist, ob der Bundespräsident einzelnen Personen den Amtseid verweigern kann. Dies hat Bundespräsident Alexander van der Bellen für die Person Herbert Kickl angekündigt.
Gegen eine mögliche Verweigerung könnte der juristisch vorgehen. Dann entscheidet der Verfassungsgerichtshof. Allerdings muss sich van der Bellen dies gut überlegen, denn er würde eine Verfassungskrise vom Zaun brechen, die zu instabilen politischen Verhältnissen führen könnte.
Welche Konstellationen und Szenarien sind möglich?
Rechnerisch sind den Vorwahlumfragen zufolge mehrere Konstellationen möglich, einige sind politisch aber nicht umsetzbar. Alle Parteien, außer der ÖVP, haben eine Koalition mit den Rechtspopulisten ausgeschlossen. Eine Übersicht über die politisch wahrscheinlichsten Koalitionen:
FPÖ in Koalition mit der ÖVP: Gewinnt die FPÖ wäre nur die ÖVP möglicher Koalitionspartner. Beide Parteien haben inhaltlich die größten Schnittmengen und alle anderen wollen mit den Freiheitlichen nicht koalieren. ÖVP-Spitzenkandidat Nehammer hat aber eine Bedingung: Kickl darf nicht in der Regierung sein. Doch darauf würde sich ein strahlender Held und Wahlsieger Kickl sicherlich nicht einlassen.
Bewegen müsste sich in diesem Fall die ÖVP. Nehammer müsste den Weg frei machen, für eine neue Führungsperson, die mit Kickl koalieren will. Freiwillig oder unter Druck. Es gibt sogar Pro-Kickl-Stimmen in der ÖVP, aber ob die sich bei einer möglichen Konfrontation durchsetzen würden, ist fraglich.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will nicht mit der FPÖ zusammenarbeiten.
Quelle: dpa
ÖVP in Koalition mit der FPÖ: Sollte die ÖVP die Wahl gewinnen, wäre die FPÖ wiederum ihr erster Ansprechpartner für eine Koalition. Wieder würde gelten: Nicht mit Kickl. Diesmal säße aber Nehammer am längeren Hebel und die FPÖ müsste sich bewegen.
Eine vielbemühte Lösungsvariante wäre, Kickl zum Vorsitzenden der FPÖ-Fraktion zu machen. Er wäre damit nicht Teil der Regierung, hätte aber entscheidende Macht über die Mehrheiten, die Nehammer zum Regieren bräuchte. Doch ob Kickl selbst im Falle einer Niederlage freiwillig das Feld räumen würde, ist nicht sicher. Druck aus der Partei, die er straff auf sich ausgerichtet hat, ist aus Sicht von Experten noch nicht zu erwarten.
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ÖVP in Koalition mit SPÖ: rechnerisch unter Umständen möglich, je nach Wahlausgang. Könnte aber rechnerisch eventuell nicht reichen, wenn kleine Parteien wie etwa die BIER-Partei noch ins Parlament einzögen. Dann könnte es für ein Zweierbündnis unter Umständen nicht reichen. Inhaltlich liegen beide Parteien zudem stellenwese weit auseinander.
Die Verfassung gibt nur wenige Regeln für die Bildung der Regierung vor. Es ist gelebte Praxis, dass der Bundespräsident einer Person den Auftrag zur Bildung einer Regierung erteilt. Er orientiert sich in der Regel an der Person, dessen Partei die stärkste Kraft ist und die eine stabile Regierungsmehrheit aufstellen kann. In Ausnahmefällen, etwa weil der Wahlausgang zu unklaren Mehrheiten geführt hat, kann der Bundespräsident vor dem Auftrag zur Bildung eine Regierung die Parteien zunächst sondieren lassen. Kann die beauftragte Person eine mögliche Regierungs-Mannschaft stellen, wird sie vom Bundesspräsidenten vereidigt - in Österreich heißt das angelobt. Eine reguläre Legislaturperiode beträgt fünf Jahre. Anders als in Deutschland benötigen die Parteien vier Prozent der Stimmen, um ins Parlament einzuziehen.
ÖVP in Koalition mit SPÖ und einem dritten Partner: Als Partner für ein Dreierbündnis kämen am ehesten die NEOS infrage - eine Zusammenarbeit von Grünen und ÖVP halten Beobachter wegen starker Differenzen für unwahrscheinlich. In Österreich wäre eine Dreierkoalition zudem ein Novum.
Andere Dreierkoalitionen hätten womöglich keine ausreichende Mehrheit.
Quelle: ZDF
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