Alexej Nawalny: In der Ukraine misstrauisch beäugt
Russischer Oppositioneller tot:Nawalny: In der Ukraine misstrauisch beäugt
von Thomas Dudek
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Alexej Nawalny war der wichtigste russische Oppositionelle. Doch in der Ukraine begegnete man dem in einem Straflager gestorbenen Gegner Putins seit Jahren mit Skepsis.
Alexej Nawalny, der bekannteste russische Gegner von Präsident Wladimir Putin, ist tot.
Quelle: Imago
Egal ob Bundeskanzler Olaf Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock, EU-Ratspräsident Charles Michel oder US-Außenminister Antony Blinken - westliche Politiker zeigen sich bestürzt über den Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny.
Dabei sparen sie nicht mit ihrer Kritik an der russischen Regierung. Besonders scharf kommentierte den Tod Nawalnys jedoch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seinem Treffen mit Scholz:
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Selenskyj: Putin ist ein Mörder
Noch deutlicher wurde das ukrainische Staatsoberhaupt in Paris, wo er am Freitagabend gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein französisch-ukrainisches Sicherheitsabkommen unterzeichnete:
Nawalny ist im russischen Straflager gestorben. Seine Witwe erfährt auf der Münchner Sicherheitskonferenz von seinem Tod und fordert die Bestrafung Putins.17.02.2024 | 3:26 min
Nawalny hatte ukrainische Wurzeln
Solche Kommentare Selenskyjs oder auch des Außenministers Dmytro Kuleba bedeuten jedoch nicht, dass Nawalny in der Ukraine unumstritten war. Im Gegenteil.
Nawalny wurde vielmehr mit Skepsis betrachtet, was sich auch in der größtenteils distanzierten Berichterstattung ukrainischer Medien über seinen Tod zeigt. Und dies, obwohl Nawalny selbst ukrainische Wurzeln hat.
Nawalnys Vater Anatolij wurde 1947 in dem Dorf Zalesje geboren, das heute zu der Sperrzone rund um Tschernobyl gehört. Wie Nawalny 2019 erklärte, hat er während seiner Kindheit einige Sommer in der Heimat seines Vaters verbracht. Bis heute leben in der Ukraine auch entfernte Verwandte des verstorbenen Oppositionspolitikers.
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Nawalny machte sich mit Aussagen unbeliebt
Die ukrainische Herkunft seines Vaters hinderte Nawalny jedoch nicht, zu Beginn seiner politischen Laufbahn vor allem durch nationalistische Positionen auf sich aufmerksam zu machen. Dabei äußerte er sich nicht nur abfällig über Migranten aus Zentralasien oder Georgier, die er während des Georgien-Krieges 2008 als "Nagetiere" bezeichnete.
2012, als er in einem Interview mit einem ukrainischen Fernsehsender auf die Existenz der ukrainischen Nation angesprochen wurde, verneinte er diese zwar nicht, erklärte aber auch: "Nun, es ist ganz offensichtlich, dass es kein Land gibt, das mit Russland mehr verbunden ist als die Ukraine". Es war eine Antwort, die viele Ukrainer als herablassend empfanden.
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Kolonialer Blick der Russen auf die Ukraine
Endgültig groß wurde in der Ukraine das Misstrauen gegenüber Nawalny jedoch mit der Annexion der Krim. Im März 2014, nur zwei Tage vor dem international nicht anerkannten Krim-Referendum, mit dem Russland die Einverleibung der Halbinsel zu legitimieren versuchte, schrieb er in seinem Blog, dass die Krim nur durch eine "illegale Entscheidung des Tyrannen Chruschtschow" an die Ukraine gelangte, was Nawalny als "beleidigend für jeden Bewohner der Russischen Föderation" bezeichnete.
Ein halbes Jahr später verglich er in einem Interview mit dem Radiosender Echo Moskwy die Krim mit einem "Wurstbrot" und sprach sich für ein neues Referendum auf der Halbinsel aus, mit dem der Streit um die Krim endgültig gelöst werden soll. Eine Position, die er auch in den späteren Jahren vertrat. Was auch innenpolitische Gründe gehabt haben dürfte, da viele liberale Russen die Annexion der Krim ebenfalls befürworteten und einen kolonialen Blick auf die Ukraine haben.
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Wandelt sich das Bild der Ukrainer von Nawalny?
Klare Position zu den Grenzen der Ukraine bezog Nawalny erst nach der russischen Großinvasion während seiner Haftzeit. Der Oppositionelle verurteilte nicht nur den russischen Einmarsch, sondern sprach sich im Februar vergangenen Jahres auch für die Grenzen der Ukraine von 1991 aus.
Einen Monat später wurde jedoch publik, dass ausgerechnet der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow gemeinsam mit acht weiteren russischen Oppositionellen sich bei der EU für den von Sanktionen betroffenen russischen Oligarchen Michail Fridman eingesetzt hat.
Offen ist, ob sich nun durch Nawalnys Tod dessen Ansehen in der Ukraine bessert. Einzelne, entsprechende Stimmen gibt es jedenfalls. "Ob man Nawalny mochte oder ihm vertraute, und viele Ukrainer hatten sicherlich Zweifel an ihm und seiner Vision von Russland, darauf kommt es jetzt nicht an", schrieb in einem Kommentar Bohdan Nahajlo, Chefredakteur der Kyiv Post. Er nannte Nawalny einen "mutigen Helden, der es wagte, unter Einsatz seines Lebens nach Russland zurückzukehren".
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.