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Interview
Migrationsforscher:Knaus: EU-Asylreform wird nicht helfen
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Der Migrationsexperte Gerald Knaus sieht in der EU-Reform für irreguläre Migranten "keinen Grund, nicht in die Boote zu steigen". Die EU stoße an ihre Grenzen, so Knaus.
Sehen Sie hier das Interview mit Migrationsforscher Knaus in voller Länge.20.12.2023 | 4:56 min
Am Mittwoch haben sich die EU-Staaten auf eine Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems geeinigt. Vorgesehen sind künftig einheitliche Verfahren an den Außengrenzen. Wie sinnvoll die neuen Änderungen sind, schätzt Migrationsforscher Gerald Knaus im heute journal ein.
ZDFheute: Wird die Reform eine Verbesserung bringen?
Gerald Knaus: Ich fürchte, weder die irreguläre Migration, noch die Sekundärmigration in der EU, noch die Zahl der Abschiebungen Ausreisepflichtiger, noch die Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen, werden dadurch gestoppt. Diese verpflichteten Grenzverfahren können das nicht erreichen.
ZDFheute: Wird sich für die Anrainerländer wie zum Beispiel Italien etwas verbessern?
Knaus: Also ich fürchte, dass es gerade für ein Land wie Italien praktisch unmöglich ist, das umzusetzen. Allerdings sind auch einige Lücken in dem Gesetzestext. Zum Beispiel muss man diese Grenzverfahren gar nicht an den Grenzen machen.
Wenn wie im letzten Jahr jede Woche im Durchschnitt 3.000 Menschen kommen, dann ist es unvorstellbar, diese Verfahren in Aufnahmezentren in Lampedusa oder Sizilien umzusetzen. Man wird sie in Italien verteilen müssen. Und dann wird es so sein wie heute.
EU-Staaten, Parlament und Kommission haben sich auf eine Reform des europäischen Asyl-Systems verständigt.20.12.2023 | 3:01 min
ZDFheute: Der Bundeskanzler hat heute gesagt, es sei ein wichtiger Beschluss, der Deutschland entlastet. Was sagen Sie dazu?
Knaus: Das Grundproblem ist sehr einfach: Spanien, Italien, Griechenland, aber auch Frankreich und Deutschland sind derzeit nicht in der Lage, die die Europa erreichen, zurück oder in sichere Drittstaaten zu bringen. Es steht auch nichts in dem Kompromiss, dass es möglich macht.
ZDFheute: Wenn Sie Recht haben, dann scheint niemandem geholfen zu sein. Heißt das, dass die EU sich selbst und alle Bürger veräppelt?
Knaus: Nein, ich glaube, die, die da verhandelt haben, wollten das richtige erreichen: Im Einklang mit den Menschenrechten irreguläre Migration reduzieren. Der einzige, der das gar nicht will, ist Viktor Orban. Aber wir erkennen hier, dass die EU an ihre Grenzen stößt.
Wichtig ist, dass jetzt niemand darauf wartet, dass sich das Problem durch diese Gesetze löst, sondern dass Deutschland und andere vorangehen. Sie müssen vor den Europa-Parlamentswahlen beweisen, dass eine humane Kontrolle durch strategische Migrationsabkommen immer noch möglich ist.
Die EU hat sich auf eine Asylreform geeinigt. Welche Herausforderungen dies mit sich bringt, erklärt ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers in Brüssel. 20.12.2023 | 0:58 min
ZDFheute: Familien mit Kindern, egal wie alt, müssen zur Prüfung jetzt auch in die Auffanglager. Die deutsche Innenministerin war eigentlich dagegen. Dann hat sie gesagt, sollte es so kommen, dann werde Deutschland mitstimmen. Verstehen Sie diese Entscheidung?
Knaus: Auch schon bisher war es so, dass die Dublin Regeln ausgesetzt wurden, wenn sie gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen. Darum gibt es keine Rückführungen nach Griechenland. Auch die Haft oder das Festhalten muss den Standards der Menschenrechtskonvention entsprechen.
"Dieser Kompromiss wird weder zu weniger irregulärer Migration noch zu weniger Toten, noch zu mehr Solidarität, noch zu weniger Weiterwandern in der EU führen", sagt Gerald Knaus, Migrationsforscher. 20.12.2023 | 4:57 min
Die Krise, die wir derzeit haben, ist eine andere. Politiker in Europa beginnen, darüber nachzudenken, die Menschenrechtskonvention außen vor zu lassen, um irreguläre Migration zu reduzieren - wie Viktor Orban oder die englische Regierung.
Das ist eine wahre Gefahr. Denn dann gibt es keinen Schutz mehr der Menschenwürde und der Grundrechte.
Das Interview führte ZDF-Moderatorin Dunja Hayali.
Quelle: ZDF
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