Krimtataren in Ukraine: So kämpfen Partisanen gegen Putin
Krimtataren in der Ukraine:Krim: So kämpfen Partisanen gegen Russland
von Joachim Bartz und Katja Belousova
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Kiews militärischen Erfolge auf der Krim werden auch einer Gruppe krimtatarischer Partisanen angerechnet, die im Untergrund arbeitet: Atesch. Was sie antreibt und wie sie agieren.
Muss Präsident Selenskyj um die Unterstützung des Westens für die Ukraine bangen, weil der geopolitische Fokus gerade woanders liegt? Die Ukraine ist weiter auf Waffen angewiesen.10.10.2023 | 9:30 min
Es war ein Angriff, der Russland im Ukraine-Krieg besonders wehgetan haben dürfte: Am 22. September attackierte das ukrainische Militär die Kommandozentrale der russischen Schwarzmeerflotte auf der Krim mit drei Marschflugkörpern - ein Schlag mit großer Symbolkraft.
"Die Bilder, in denen eindeutig den britischen Marschflugkörper sieht, der auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte mitten in Sewastopol runterrattert und dann dieses Gebäude in Trümmer legt - das sind Bilder, die wahrscheinlich in den Geschichtsbüchern über diesen Krieg vorkommen werden", analysiert Militärexperte Gustav Gressel im Gespräch mit der ZDF-Sendung frontal rückblickend.
Krimtatarische Partisanen von "Atesch"
Immer wieder gelingen der Ukraine in den vergangenen Woche solche Teilerfolge über die russische Schwarzmeerflotte - und dazu dürfte auch die Untergrundarbeit einer besonderen Gruppe beigetragen haben: der krimtatarischen Partisanen von "Atesch".
Eigenen Angaben zufolge spionieren sie aus, welche Kriegsschiffe im Krim-Hafen von Sewastopol anlanden, veröffentlichen Fotos und Koordinaten. Anhand dieser Daten soll die ukrainische Armee dann ihre Schläge besser planen können.
Auf ihrem Telegram-Kanal verkündete die Gruppe zuletzt mit teils martialischen Worten die "Mobilisierung gegen den "Raschismus" - eine Zusammensetzung der Wörter Russland und Faschismus.
Russische Streitkräfte sollen bestochen werden
"Partisanen spielen gerade im Süden eine Rolle für die Ukraine", erklärt Gustav Gressel.
"Ateschs" Ziel ist klar: "Jeder will natürlich so weit wie möglich zur Befreiung des Landes, der besetzten Gebiete, beitragen", sagt der krimtatarisch-ukrainische Politiker Mustafa Dschemiljew. "Und jetzt konzentrieren sie sich, soweit ich weiß, hauptsächlich darauf, den Besatzern so viel Schaden wie möglich zuzufügen. Etwas in die Luft zu jagen, etwas zu zerstören."
Vertreibung der Krimtataren
Das Engagement der Krimtataren gegen die russischen Besatzer hängt unmittelbar mit ihrer Geschichte der Vertreibung zusammen. Im 18. Jahrhundert war die Halbinsel noch in krimtatarisch-osmanischer Hand. Heute machen Krimtataren nur noch etwa 13 Prozent der dortigen Bevölkerung aus. Nach der Annexion der Krim 2014 durch Russland verließen besonders viele von ihnen die Halbinsel in Richtung ukrainisches Festland.
Auch das historische Verhältnis zwischen Ukrainern und Krimtataren gilt als vorbelastet - doch die gemeinsame Feindschaft zu Russland hat viele von ihnen zusammengeschweißt. Anfang September berief der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Rustem Umerow zum neuen Verteidigungsminister. "Sein jüngster Schritt, einen Krimtataren zum Verteidigungsminister zu ernennen, ist sehr symbolisch", erklärt Mustafa Dschemiljew.
25-jähriger Krimtatarin wird Spionage vorgeworfen
Es ist auch ein Symbol für die vielen durch Russland inhaftierte Krimtataren. Laut Dschemiljew gebe es 180 politische Gefangene auf dem Territorium der Krim, 130 von ihnen seien Krimtataren.
Schlagzeilen machte zuletzt auch die Verhaftung der jungen Krimtatarin Lenje Umerowa. Im Dezember wurde die 25-Jährige aus Kiew von russischen Behörden an der Grenze zu Georgien festgenommen. Moskau wirft der Ukrainerin Spionage vor. Sie soll Informationen über russische Militäreinrichtungen und Ausrüstung weitergegeben haben.
Ihre Familie widerspricht der russischen Darstellung. "Sie war unterwegs zu unserem krebskranken Vater auf die Krim", erklärt ihr Bruder Aziz Umerow im Gesspräch mit ZDF frontal. Da sie nicht direkt von der Ukraine aus auf die Halbinsel gelangen kann, musste sie über Russland und Georgien reisen - an der Grenze wurde sie mit ihrem ukrainischen Pass festgenommen.
Hoffnung auf Befreiung der Krim
"Da die Ermittlungsbehörden den Vorgang jedoch als Verschlusssache eingestuft haben, liegen uns keine Verfahrensunterlagen dazu vor", beklagt ihr Bruder.
Es ist dieses Moskauer Regime mit seinen willkürlichen Verhaftungen, dieser Mangel an Rechtsstaatlichkeit und Freiheit, gegen das die Krimtataren kämpfen. Viele tragen diesen Kampf mit zivilen Mitteln aus, indem sie sich etwa weigerten, russische Pässe anzunehmen - wie Lenje Umerova. Andere nutzen militärische Mittel wie die Gruppe Atesch. Sie eint der Wunsch, eines Tages wieder frei auf der Krim leben zu können - ohne russische Besatzer.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.