Wie der Kadyrow-Clan in Tschetschenien wütet

    Analyse

    Putins "Bluthund" und Söhne:Wie der Kadyrow-Clan in Tschetschenien wütet

    Nina Niebergall, ZDF-Korrespondentin in Moskau
    von Nina Niebergall
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    Ramsan Kadyrow und seine Söhne regieren die Kaukasus-Region brutal und ohne Einmischung aus Moskau. Wieso Putin seinen "Bluthund" und dessen Familie gewähren lässt.

    Adam, Achmat und Eli (v.l.n.r): Die Kadyrow-Söhne, aufgenommen am 25.02.2022
    Adam (v.l.), Achmat und Eli: Die Kadyrow-Söhne. (Archivbild)
    Quelle: Imago

    Es ist ein Prozess, der selbst für russische Verhältnisse auffallend viele Regeln bricht: In Grosny, der Hauptstadt Tschetscheniens, steht ein junger Mann vor Gericht. Der 19-jährige Nikita Schurawel soll einen Koran verbrannt haben, nach russischer Darstellung im Auftrag des ukrainischen Geheimdienstes. Seit Kriegsbeginn werden in Russland ukrainische oder westliche Geheimdienste für allerlei innenpolitische Probleme verantwortlich gemacht.

    Geschenk des Kreml?

    Das Besondere an diesem Fall: Schurawel hat seine mutmaßliche Straftat gar nicht in Tschetschenien, einer russischen Teilrepublik im Nordkaukasus, begangen, sondern mehr als 800 Kilometer entfernt in Wolgograd. Trotzdem soll ihm am 16. November in Grosny der Prozess gemacht werden.
    Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich segnete das ab. Der russische Politikwissenschaftler Stanislaw Belkowski spricht von einer Missachtung der russischen Strafprozessordnung.

    Diese direkte Entscheidung Putins deutet darauf hin, dass er sich über die geschriebenen Gesetze der Russischen Föderation einfach so hinwegsetzen kann.

    Stanislaw Belkowski, russischer Politikwissenschaftler

    In Tschetschenien sind mehr als 95 Prozent der Menschen Muslim*innen. Wohl auch deshalb wurde der Fall öffentlichkeitswirksam inszeniert.
    Auf dem Bild ist ein Schild über politische Morde seitens Russland zu sehen.
    In München ist das Urteil zu einem geplanten politischen Auftragsmord gefallen. Ein russischer Staatsbürger soll im Auftrag des russlandtreuen Tschetschenen-Führers Kadyrow einen Mord an einem in tschetschenischen Oppositionellen geplant haben.31.08.2023 | 2:00 min

    Von Kadyrow-Sohn zusammengeschlagen

    Da kommen der tschetschenische Republikchef Ramsan Kadyrow und sein 15-jähriger Sohn Adam ins Spiel. Im September verbreiteten sie ein Video, auf dem Adam Kadyrow den inhaftierten Schurawel zusammenschlägt, offenbar im Untersuchungsgefängnis. Von Vater Ramsan gibt's Lob auf dessen Telegram-Kanal:

    Er hat ihn geschlagen und das Richtige getan. (…) Ohne Übertreibung: Ja, ich bin stolz auf Adams Tat.

    Ramsan Kadyrow, Republikchef Tschetschenien

    Adam Kadyrow , aufgenommen am 07.10.2022 in Grozny (Russland)
    15 Jahre alter Sicherheitschef: Adam Kadyrow
    Quelle: Imago

    Kadyrow-Kinder an der Front, beim Treffen mit Putin

    Seit dem Angriff auf die Ukraine hat Kadyrow seine Kinder immer mehr in den Fokus gerückt, ihnen Orden und Posten verliehen, was auch daran liegen mag, dass es Gerüchte über seinen Gesundheitszustand gibt.
    Und Kinder hat Kadyrow viele, mal sprach er von zwölf, mal von 14. Vor allem seine drei ältesten Söhne traten in den vergangenen Monaten immer wieder in Erscheinung: mit archaischen Auftritten als Kämpfer in der Ukraine, bei Treffen mit Putin oder bei der Ernennung des 15-jährigen Adam zum Sicherheitschef seines Vaters.

    Er zeigt damit, dass die Macht in Tschetschenien vererbt wird.

    Stanislaw Belkowski, russischer Politikwissenschaftler

    Der tschetschenische Dichter Apti Bisultanow und die Schwester des in Berlin ermordeten Militäroffiziers Selimchan Changoschwili stehen neben einem Panzer, der durch ein Dorf fährt.
    Im zweiten Tschetschenienkrieg bringt Wladimir Putin als neuer starker Mann Russlands den Nordkaukasus unter seine Kontrolle. Dennoch gilt die Region bis heute als aktiver Konfliktherd.08.09.2022 | 45:10 min

    Putin unterstützt Kadyrow

    Putin lässt keinen Zweifel daran, dass er den Kadyrow-Clan unterstützt. Er braucht ihn. Putin wurde 2000 als Ruhestifter Tschetscheniens und Besieger des Terrorismus zum Präsidenten gewählt. Dass es ihm gelungen ist, den Kaukasus zu befrieden, machte ihn zu Beginn seiner Herrschaft so populär. Kadyrow ist mit der Aufrechterhaltung dieses Friedens betraut.
    Dass er dafür brutale Mittel einsetzt, ist dem Kreml egal. Umso mehr, seit Russland Krieg gegen die Ukraine führt. Putin braucht die Kämpfer aus dem armen Nordkaukasus für die Front. Unruhe dort kann er nicht gebrauchen. Und wie volatil die Atmosphäre ist, zeigte sich zuletzt bei den antisemitischen Pogromen in Dagestan.

    Wir sehen eine deutliche Stärkung von Ramsan Kadyrow, der sich schon vorher so verhalten hat, als dürfe er alles machen. Aber jetzt benimmt er sich so hemmungslos wie nie zuvor.

    Stanislaw Belkowski, russischer Politikwissenschaftler

     Montage: rechts Vladimir Putin, dahinter Panzer auf Schienenverkehr überlappt von der russischen Flagge mit Textur einer Wand.
    Putin will mit militärischer Gewalt zurück zu imperialer Größe. Seine Kriege in Tschetschenien und Georgien sind nur Vorspiele. Sein Ziel: verlorene Territorien zurückholen.22.02.2023 | 44:19 min

    Wie Kadyrow vom Tod Prigoschins profitiert

    Politikwissenschaftler Belkowski sieht noch zwei weitere Gründe für Kadyrows Macht:
    1. Den Tod von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin: Putin hatte zuvor zwei "Bösewichte", die für ihn schmutzige Arbeit erledigten. Jetzt, wo nur noch einer übrig sei, brauche Putin Kadyrow umso mehr.
    2. Moskaus Hinwendung zur islamischen Welt: Im Krieg gegen Israel unterstütze Putin eindeutig die Hamas.

    Kadyrow ist der informelle Führer der russischen islamischen Gemeinschaft und für den Kreml ein wichtiger Gesprächspartner mit internationalen Akteuren, insbesondere mit Eliten der sunnitischen Monarchien am Persischen Golf.

    Stanislaw Belkowski, russischer Politikwissenschaftler

    So ist das Regime in Tschetschenien so mächtig wie nie. Der Kadyrow-Clan beherrscht das öffentliche Leben. Fast alle Kadyrow-Kinder haben politische Ämter inne. Sie regieren Tschetschenien mit Korruption, politischen Morden und Folter von politischen Gegner*innen.
    Nina Niebergall berichtet als ZDF-Korrespondentin über Russland, die Kaukasusregion und Zentralasien.

    Auftragsmord geplant
    :Kadyrow-Anhänger in Bayern zu Haft verurteilt

    Für einen Mordplan gegen einen Exil-Tschetschenen in Bayern ist ein Russe zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Tschetschenen-Machthaber Kadyrow soll den Auftrag gegeben haben.
    von Samuel Kirsch
    Ramsan Kadyrow

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