G20-Gipfel: Warum Putin nicht nach Indien kommt

    G20-Gipfel ohne Kremlchef:Warum Putin nicht nach Indien kommt

    Sebastian Ehm, ZDF-Korrespondent in Moskau
    von Sebastian Ehm
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    Der G20-Gipfel findet ohne Putin statt. Der russische Präsident sagt wieder ein international viel beachtetes Treffen ab. Das hat sowohl innen- als auch außenpolitische Gründe.

    Wladimir Putin
    Der G20-Gipfel in Indien findet ohne Kremlchef Wladimir Putin statt.
    Quelle: AP

    Wladimir Putin liebt den großen Auftritt. Er liebt es, im Mittelpunkt zu stehen. Wenn er etwas Wichtiges zu verkünden hat, inszeniert er sich pompös. Im Kreml schreitet er oft auf rotem Teppich durch gewaltige goldene Flügeltüren Richtung Bühne und im Luschniki-Stadion präsentierte er sich bereits einige Male zu nationalistischer Musik und vor einem Fahnenmeer den Massen.
    Auch auf internationalen Gipfeln zeigte sich Putin in der Vergangenheit gerne im Kreise der Mächtigen. Zu Hause in Russland verbreiteten die Staatsmedien dann das Bild eines international angesehenen Staatsmannes. Den G20-Gipfel ließ sich Putin bis zum Beginn Corona-Krise eigentlich nicht entgehen. 2017 in Hamburg, 2018 in Buenos Aires, 2019 in Osaka. Putin war immer dabei.
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    Putin hat Angst, die Kontrolle zu verlieren

    Doch seit Beginn der Pandemie hat sich der russische Machthaber immer mehr zurückgezogen. Auslandsbesuche sind seltener geworden und zu Gipfeln reiste er zuletzt gar nicht mehr. Für Konstantin Eggert hat das vor allem einen Grund: Seit dem Aufstand der Wagner-Söldner fühle sich Putin seiner Macht nicht mehr sicher, so der politische Analyst.

    Putin will die volle Kontrolle in Russland behalten. Deswegen bin ich mir sehr sicher, dass Putin in naher Zukunft Russland nicht verlassen wird. Er wird auch keine befreundeten Staaten besuchen.

    Konstantin Eggert, Experte für internationale Beziehungen

    "Nach der Meuterei von Prigoschin hat er zweifellos Angst, dass wenn er das Land verlässt, eine ähnliche Situation passiert wie bei dem Aufstand von Prigoschin." Putin habe Angst, dass in seiner Abwesenheit etwas in Moskau passieren könne, was ihm eine Rückkehr unmöglich macht, so Experte Eggert. Dann wäre er gezwungen, im Ausland Zuflucht zu suchen, was angesichts des internationalen Haftbefehls schwierig wäre.
    Dass dieser Haftbefehl Putins Bewegungsfreiheit massiv einschränkt, konnte man zuletzt beim BRICS-Gipfel in Südafrika sehen, zu dem er aus Angst vor einer Festnahme gar nicht erst angereist war. Diese Gefahr droht ihm zwar in Indien nicht, doch Putin dürfte sich sicher sein, dass die Bilder von ihm beim G20-Gipfel keine positiven wären.

    Bereits Eklat beim Gipfel in Indonesien

    Schon vergangenes Jahr hatten einige Regierungschefs angekündigt, im Falle einer Teilnahme Putins nicht kommen zu wollen. Putin sagte den Gipfel ab und schickte Außenminister Sergej Lawrow, der eine Rede hielt und anschließend den Tagungsort verließ, ohne sich eine deutlich gegen Russland gerichtete Rede von Außenministerin Annalena Baerbock überhaupt anzuhören. Ein Eklat.
    Auch beim vorbereitenden Treffen der G20-Außenminister in Neu-Delhi im März diesen Jahres fand Baerbock deutliche Worte gegenüber Lawrow. "Stoppen Sie diesen Krieg. Stoppen Sie die Verletzung unserer internationalen Ordnung. Stoppen Sie die Bombardierung ukrainischer Städte und Zivilisten."
    Putin will so eine Situation unter allen Umständen vermeiden. Er will vermeiden, dass Bilder von einem international isolierten Präsidenten zu sehen sind, vor allem für die Russinnen und Russen.

    Ein wichtiger Gipfel für Putin

    Trotzdem ist der Gipfel für Russland extrem wichtig, sagt auch Konstatin Eggert. Russland wolle sich als Verbündeter des globalen Südens weiter etablieren. "Russland hat bei solchen Treffen als Gegner amerikanischer Hegemonie immer eine gewisse Chance, neue Partner zu treffen, die helfen westliche Sanktionen zu umgehen."
    Dabei helfe allerdings nicht, dass weder Putin noch Xi am Gipfel teilnehmen. Die USA könnten diese Lücke füllen. Dass der US-Präsident Joe Biden persönlich teilnehme, verleihe Washington mehr Gewicht, so Eggert.

    Washington wird sehr ernsthafte diplomatische Anstrengungen unternehmen, um die Positionen einer Reihe führender Akteure des globalen Südens zu ändern, vor allem Indiens und auch Saudi-Arabiens.

    Konstantin Eggert, Experte für internationale Beziehungen

    Eggert geht davon aus, dass die USA die Abwesenheit Putins zum Anlass nehmen könnten, die Beziehungen Russlands zu den Ländern des globalen Südens zu untergraben. Lawrow wird sich genau überlegen müssen, ob er auch dieses Mal vorzeitig abreist und die Bühne anderen überlässt.
    Sebastian Ehm ist ZDF-Korrespondent für Russland, die Kaukasus-Region und Zentralasien

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