Trump-Putin-Telefonat - Heusgen: Nun schlägt Europas Stunde
Interview
Nach Trump-Putin-Telefonat:Heusgen: "Gehöriger Weckruf" für Europa
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Christoph Heusgen, der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, über Trumps Telefonat mit Putin, die Rolle Europas und worauf es bei möglichen Friedensverhandlungen ankommt.
Nato-Treffen in Brüssel, erstmals mit dem neuen US-Verteidigungsminister Hegseth. Der vertritt klar Präsident Trumps Interessen: Europa müsse mehr für die eigene Verteidigung tun.13.02.2025 | 2:16 min
ZDFheute: US-Präsident Donald Trump hat mit Kremlchef Wladimir Putin telefoniert und Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs vereinbart. Wie bewerten Sie das?
Christoph Heusgen: Positiv ist, dass jetzt Bewegung in die Sache gekommen ist, dass Verhandlungen bevorstehen. Was einen schon ein bisschen erstaunt, ist, dass auf amerikanischer Seite Positionen relativ früh hergegeben werden, die eigentlich im Laufe der Verhandlungen auf der Tagesordnung hätten stehen müssen. Dass die Ukraine nicht Mitglied der Nato wird, das ist eine Grundsatzentscheidung und die sollte man nicht bei Verhandlungen schon vorab hergeben.
Donald Trump hat angekündigt, sofortige Verhandlungen über die Ukraine mit Wladimir Putin starten zu wollen. "Die Ukraine haben allen Grund, pessimistisch zu sein", so Politikwissenschaftler Prof. Carlo Masala.13.02.2025 | 4:17 min
ZDFheute: Welche Rolle spielt Europa noch, wenn die Präsidenten Trump und Putin am Telefon die wichtigen Deals machen?
Heusgen: Europa spielt eine sehr wichtige Rolle. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz schlägt die Stunde Europas. Europa wird auf jeden Fall auch bei jeder Regelung eine größere Rolle spielen, denn Europa muss für seine eigene Sicherheit sorgen, unabhängig vom amerikanischen Präsidenten. Das gilt seit Biden.
Europa muss mehr tun und spätestens jetzt haben wir den gehörigen Weckruf und ich hoffe darauf, dass der auch ankommt.
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ZDFheute: Der Putin-Vertraute und Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitrij Medwedew, sagt, Europas Zeit sei vorbei.
Friedensverhandlungen sind diplomatische Gespräche, die zwischen Konfliktparteien stattfinden können, um Frieden zu schaffen.
In der Regel nehmen die direkten Konfliktparteien an den Verhandlungen teil. In einigen Fällen können auch Dritte wie internationale Organisationen oder Staaten als Vermittler fungieren. Daher ist nun auch möglich, dass die USA als Vermittler auftreten. Eine fester Ablauf ist dabei nicht geregelt.
Solche Friedensverhandlungen beginnen oft, wenn ein bewaffneter Konflikt oder Krieg als nicht mehr lösbar angesehen wird. Kommt es dann zu einem Abschluss, schließen die Parteien einen Friedensvertrag. Dieser stellt einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den Parteien dar, der für die Parteien bindend ist. Sanktionsmöglichkeiten sind jedoch nicht möglich, da das völkerrechtliche Souveränitätsgebot gilt. Danach ist jedes Land eigenständig, aber auch gleichwertig, egal wie groß oder klein ein Land ist.
Ein Friedensvertrag kann nur zwischen völkerrechtlich anerkannten Ländern geschlossen werden, während ein Waffenstillstand auch zwischen nicht völkerrechtlichen anerkannten Kriegsparteien möglich ist. Dieser kann von längerer Natur sein, während eine Waffenruhe eher kurzweilig ist.
Inhalt eines solchen Friedensvertrages können eine territoriale Aufteilung, aber auch Reparationszahlungen sein. Zudem kann vereinbart werden, wie die Überwachung und Durchsetzung des Friedens erfolgen soll.
Die Frage von Verhandlungen zur Beendigung des Krieges zwischen Russland und der Ukraine stellte sich bereits in den ersten Tagen des Krieges im Jahre 2022, erledigte sich jedoch kurz darauf, als die beträchtlichen russischen Kriegsverbrechen bekannt wurden. Daher kam es zu keinem Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland, auch ein Waffenstillstand ist gerade nicht ersichtlich.
Es gab auch im Bundestag im Jahr 2024 keine Mehrheit für einen Antrag zu einem Waffenstillstand zwischen Ukraine und Russland.
Die Parteien in den Verhandlungen haben das Recht, selbst zu entscheiden, wie sie den Konflikt beenden wollen. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil des Völkerrechts, wie es in der Charta der Vereinten Nationen (Art. 2 Abs. 1) verankert ist. Eine völkerrechtliche Pflicht, wer am Verhandlungstisch sitzt, gibt es nicht. Daher können auch Verhandlungen zwischen einer Konfliktpartei und einem Drittstaat geführt werden. Es ist innerhalb der Friedensforschung auch umstritten, ob exklusive oder inklusive Verhandlungen einen größeren Erfolg versprechen.
Letztlich ist es eine politische Frage, was Inhalt und Ergebnis der Verhandlungen zwischen Washington und Moskau ist. Ob dies im Sinne der Ukraine, aber auch der europäischen Staaten ist, bleibt abzuwarten (Autor: Wilhelm Terporten, Redaktion Recht und Justiz - Erstellt am 13. Februar 2025).
Heusgen: Medwedew sollte sich mal um sein eigenes Land kümmern. Es gibt große Probleme in Russland. Die wirtschaftliche Situation ist sehr schlecht. Russland ist heute, wie John McCain einmal gesagt hat, zur Tankstelle Chinas geworden. Und ob man darauf so stolz sein kann, das lasse ich mal dahingestellt.
Viele europäische Außenminister äußern Kritik an Trumps Zugeständnissen für Putin. Sie fordern in einer gemeinsamen Erklärung, Europa an den Verhandlungen mit Putin zu beteiligen.13.02.2025 | 0:19 min
ZDFheute: Vertreter der russischen Regierung sind nicht eingeladen zur Münchner Sicherheitskonferenz. Wäre es nicht gerade jetzt wichtig, mit Russland zu sprechen?
Heusgen: Das Motto der Sicherheitskonferenz ist "Frieden durch Dialog". Wladimir Putin lehnt es bis heute ab, mit dem ukrainischen Präsidenten zu reden. Er nimmt diese gewählte Regierung in der Ukraine nicht ernst. Solange er mit den Ukrainern nicht bereit ist zu reden, bringt es auch nichts, dass man ihn einlädt.
Von Freitag bis Sonntag wird das Münchner Luxushotel Bayerischer Hof wieder aus allen Nähten platzen: Rund 500 Staats- und Regierungschefs, Minister, Diplomaten und Militärs treffen sich zur Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Die Geschichte der Konferenz begann 1963, damals unter dem Namen "Internationale Wehrkunde-Begegnung" und in wesentlich kleinerem Rahmen. Heute gilt die MCS als weltweit wichtigstes sicherheitspolitisches Dialogforum.
Vor dem Hintergrund der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten wird es in München auch um die Zukunft der transatlantischen Beziehungen und den Umgang des Westens mit dem Ukraine-Krieg gehen. Zu beiden Themen sind die Gäste hochrangig. Aus den USA haben sich Vize-Präsident J.D. Vance und Außenminister Marco Rubio angekündigt. Die ukrainische Delegation wird von Präsident Selenskyj angeführt. Vertreter der russischen Regierung sind nicht eingeladen.
Weitere Themen sind der Konflikt im Sudan mit mehr als zehn Millionen Flüchtlingen sowie die Krise in Haiti, aber auch die Situation in Venezuela oder Afghanistan.
Quelle: Imago
Welchen Kurs schlägt Deutschland in der Sicherheitspolitik ein? Diese Frage wird dieses Jahr von besonderem Interesse sein. Denn wegen der vorgezogenen Neuwahl findet die MSC diesmal eine Woche vor der Bundestagswahl statt. Von den Spitzenkandidaten werden Kanzler Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) erwartet. Auch Vertreter der Linken sind dabei.
AfD und BSW sind hingegen nicht eingeladen. Konferenz-Chef Christoph Heusgen begründet die Entscheidung damit, dass die beiden Parteien den Deutschen Bundestag verlassen haben, als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Juni 2024 dort gesprochen hat. Damit entsprächen sie nicht dem Grundprinzip der Konferenz: "Frieden durch Dialog".
ZDFheute: Worauf kommt es bei Friedensverhandlungen nun an?
Heusgen: Ganz, ganz wichtig ist, dass Verhandlungen auf einer Grundlage passieren. Und diese Grundlage muss und kann nur das internationale Recht sein, das kann nur das Völkerrecht sein, das kann die Charta der Vereinten Nationen sein.
Die Stärke des Rechts muss wichtiger sein als das Recht des Stärkeren.
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Das ist ein Kernbereich, der Kern der Charta der Vereinten Nationen, dass Gebiete nicht durch Gewalt erobert werden dürfen, dass Grenzen nicht mit Gewalt verändert werden.
ZDFheute: Sieht das auch Trump so?
Heusgen: Ich weiß nicht, inwieweit er die UN-Charta kennt und das kennt, was seine Vorgänger als Präsidenten uns Deutschen auch immer wieder gesagt haben: Nach dem Holocaust, nach dem zweiten Weltkrieg richtet ihr euch nach internationalem Recht! Das war den Amerikanern immer wichtig. Ob Trump das weiß, weiß ich nicht. Wichtig ist, dass wir das immer wieder als Deutsche, als Europäer vermitteln und klar herausstellen: Für uns gilt die Stärke des Rechts.
Das Interview führten Jutta Sonnewald und Simon Pfanzelt.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.