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Interview
Extreme Rechte in Frankreich:Strobl: "Atempause für die Demokratie"
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Nach der Wahl in Frankreich gebe es eine "Atempause für die Demokratie", sagt Expertin Strobl. Sie plädiert dafür, dass Parteien nicht der extremen Rechten "hinterherhoppeln".
Der Vorsitzende der rechten französischen Partei Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, hatte sich mehr von der Wahl in Frankreich erhofft.
Quelle: AFP
ZDFheute: Die Brandmauer der linken und gemäßigten Kräfte gegen die extreme Rechte in Frankreich hat offensichtlich funktioniert. Wie bewerten Sie den Wahlausgang?
Natascha Strobl: Dass der Rassemblement National (RN) nicht stärkste Kraft geworden ist, ist erst einmal ein gutes Wahlergebnis in Zeiten wie diesen. Gleichzeitig war der Wahlausgang sehr knapp. Was wir erleben, ist eine Atempause für die Demokratie, die genutzt werden sollte, an die Ursachen zu gehen. Denn die extreme Rechte hat ja trotzdem sehr viele Stimmen bekommen und ist eine starke Kraft.
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ZDFheute: Gerade in den ländlichen Regionen hat der RN stark abgeschnitten. Das Land ist stark polarisiert. Was bedeutet das?
Strobl: In den letzten Jahren beobachten wir den Trend, dass der RN neue Wählerschichten erschlossen hat. Menschen, die nie die extreme Rechte gewählt haben, tun es jetzt - etwa gut ausgebildete Menschen der Mittelschicht, vermehrt Frauen. Verstärken wird sich dieser Trend, wenn man jetzt glaubt, man müsse nichts ändern, weil es nochmal gut ausgegangen ist.
Das gute Abschneiden des RN hat auch was mit denjenigen zu tun, die regieren, also mit Macron und seiner Partei. Soziale Kürzungen, die Pensionsreformen, Einschnitte im Sozialstaat - all das ist Wasser auf die Mühlen des RN. Zusammen mit Frust, Perspektivlosigkeit und Kulturkampf entsteht so ein Gebräu, das den Erfolg des RN erst möglich gemacht hat.
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ZDFheute: Wie bewerten Sie die Rhetorik von RN-Spitzenkandidat Jordan Bardella, der noch am Wahlabend von einer "gestohlenen Wahl" spricht?
Strobl: Diese Rhetorik ist Gift für eine Demokratie. Wir kennen das aus den USA, dass eine Wahl nur dann akzeptiert wird, wenn man sie gewinnt. Dann haben wir es nicht mit demokratischen Parteien zu tun, sondern mit Parteien, die unbedingt an die Macht kommen wollen, koste es, was es wolle und mit welchen Mitteln auch immer. Wenn man Zweifel sät am demokratischen System, droht Instabilität in der Folge, so wie Trump sie in den USA geschaffen hat.
... ist Politikwissenschaftlerin und Expertin für die extreme Rechte, ihre Ideologie und Strategien. Sie schreibt u.a. für die Frankfurter Rundschau und die Süddeutsche Zeitung und ist regelmäßig Interviewpartnerin für deutsche Leitmedien. Ihr Buch Radikalisierter Konservatismus. Eine Analyse war ein Bestseller und wurde 2021 mit dem Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch ausgezeichnet. Strobl lebt in Wien.
ZDFheute: Der Parteichef der konservativen Republikaner, Eric Ciotti, hat vor der Wahl teilweise eine ähnliche Rhetorik gepflegt wie der RN und zum Beispiel von der "großen Umvolkung" gesprochen, ist gegen den Willen seiner Partei ein Bündnis mit dem RN eingegangen. Wie bewerten Sie jetzt das Abschneiden der Republikaner?
Strobl: Im schlechten Abschneiden der Konservativen zeigt sich, dass der RN ihnen in vielen Regionen und in vielen Wählerschichten den Rang abgelaufen hat. Viele, die sonst konservativ wählen, wählen nun den RN. Die Lehre ist: anbiedern führt nicht zum Wahlerfolg. Übernehmen Konservative Sprache und Positionen der extremen Rechten, wählen die Leute trotzdem das Original. Das heißt, die Selbstaufgabe des Konservatismus führt zu seiner Selbstauflösung.
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ZDFheute: Was ist die Lehre aus den Wahlen in Frankreich für die anstehenden drei Landtagswahlen im Herbst in Deutschland?
Strobl: Jede selbstbewusste, demokratische Partei sollte eigenständige Positionen vertreten und nicht der extremen Rechten hinterher hoppeln und für ein paar Prozentpunkte mehr demokratische Werte aufgeben. Wähler goutieren Authentizität, Ehrlichkeit und Eigenständigkeit.
Wir haben in vielen Ländern wie etwa Großbritannien, den USA und Österreich ein Abrutschen des Bürgertums, eine Radikalisierung des Konservatismus beobachtet, weil man glaubt, mit der Übernahme der Positionen der extremen Rechten Wahlerfolge zu bekommen. Das funktioniert vielleicht kurzfristig, aber mittel- und langfristig zerlegt es diese Parteien. Diese Strategie nutzt nur der extremen Rechten. Deshalb ist es so wichtig, das eigene Profil in Bezug auf die extreme Rechte nicht aufzugeben.
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Das Interview führte Anne Herzlieb aus der ZDF-Redaktion "frontal".
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