Frankreich: Wie es nach der Parlamentswahl weitergeht

    FAQ

    Viele Blicke auf Macron:Frankreich: Wie es nach der Wahl weitergeht

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    Der Sieg des linken Lagers bei der Parlamentswahl in Frankreich hat selbst Experten überrascht. Regierungsoptionen, Zeitplan, Folgen: Jetzt hängt vieles von Präsident Macron ab.

    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht ein Selfie mit Wählern.
    Nach dem überraschenden Ausgang der zweiten Runde der Parlamentswahl richten sich die Blick in Frankreich auf den Präsidenten.
    Quelle: AFP

    Die Ereignisse bei der Parlamentswahl in Frankreich haben sich überschlagen. Überraschend gewinnt das linke Lager. Die Rechtsnationalen legen zu, haben aber keine Chance auf eine eigene Regierung. Und der Premier kündigt an, zurücktreten zu wollen. Wie es in Frankreich nun weitergeht.
    Sitzverteilung in Frankreich
    ZDFheute Infografik
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    Kommt das Linksbündnis jetzt an die Macht?

    Das zumindest fordern die Spitzen des Bündnisses Nouveau Front Populaire als stärkste Kraft in der Nationalversammlung. Als Präsident obliegt es Emmanuel Macron, den Premierminister zu ernennen. Noch ist nicht klar, ob er das Rücktrittsgesuch von Premier Gabriel Attal annehmen wird. Auch, wen er in einem solchen Fall mit der Regierungsbildung beauftragt, ist nicht abzusehen.
    Trotz ihres Überraschungserfolgs bleiben die Linken weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. Damit könnten die anderen Fraktionen eine linke Regierung nicht nur per Misstrauensvotum stürzen.
    Wahl in Frankreich
    Nach der zweiten Runde der Parlamentswahl feiern die Anhänger des Linksbündnisses in Paris. Der Rassemblement National gibt sich kämpferisch.08.07.2024 | 2:15 min
    Auch haben die vergangenen zwei Jahre, in denen das Macron-Lager nur eine relative Mehrheit in der Parlamentskammer hatte, gezeigt, wie schwer es in Frankreich ist, ohne absolute Mehrheit zu regieren. Ob dies den Linken besser gelingen würde, ist unklar, zumal sie noch über weit weniger Sitze verfügen dürften als Macrons Mitte-Kräfte vor der Auflösung der Nationalversammlung vor wenigen Wochen.
    Theoretisch ist auch eine Koalition aus Linken und Mitte-Kräften möglich. Aus dem Linksbündnis heraus kamen jedoch bereits klare Absagen an eine solche Allianz.

    Welchen Zeitplan gibt es für die Regierungsbildung?

    Hierzu gibt es keine genauen Vorgaben. Macron könnte mit der Ernennung eines Premiers auch bis nach der parlamentarischen Sommerpause warten. Allerdings kommt das neu gewählte Parlament am 18. Juli zu seiner ersten Sitzung zusammen. Dabei wird die Parlamentspräsidentin oder der Parlamentspräsident gewählt. Am Folgetag wird über die Vizepräsidenten und die Besetzung von Ausschüssen entschieden.
    Marietta Slomka im Schaltgespräch mit ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers und ZDF-Korrespondent Thomas Walde.
    Der Rechtsruck in Frankreich blieb aus, doch die Mehrheitsbildung werde kompliziert, so Thomas Walde in Paris. Von Erleichterung bei EU-Institutionen berichtet Isabelle Schaefers.07.07.2024 | 2:22 min

    Was passiert, wenn keine Regierung gefunden wird?

    "Der Präsident hat Gabriel Attal gebeten, vorerst Ministerpräsident zu bleiben, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten", teilte Macrons Büro am Montag mit. Attal hatte seinen Rücktritt angeboten, aber auch seine Bereitschaft erklärt, notfalls übergangsweise kommissarisch im Amt zu bleiben. Diese Übergangszeit kann etliche Wochen dauern, auch mit Blick auf die Olympischen Spiele, die am 26. Juli in Paris starten, sowie die politische Sommerpause.
    Macron könnte dann eine aus Experten, hohen Verwaltungskräften und Ökonomen zusammengestellte technische Regierung bilden. Eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen sind erst in einem Jahr wieder möglich.

    Was bedeutet das für die deutsch-französischen Beziehungen?

    Ziemlich exakt das Gegenteil dessen, was sich Macron von der vorgezogenen Neuwahl erhofft hatte: Klarheit. So groß die Erleichterung darüber ist, dass der befürchtete Rechtsruck ausblieb, so groß ist die Ungewissheit mit Blick auf die künftige Regierung. Entsprechend nannte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das Wahlergebnis zwar "ermutigend", sieht darin zugleich jedoch "eine enorme Herausforderung" vor allem für Frankreich selbst,

    ... aber auch für Europa, das sich ja gerade in der Phase der Neuaufstellung nach der Europawahl befindet und auch für das deutsch-französische Verhältnis.

    Robert Habeck, Grüne

    Denn im siegreichen Linksbündnis finden sich ebenfalls stark nationalistische Tendenzen, die europäische Ausrichtung wie auch die bilaterale Partnerschaft sind einer Belastungsprobe ausgesetzt. LFI-Parteichef Jean-Luc Mélenchon "ist ein Anti-Deutscher durch und durch", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), dem Tagesspiegel.

    Er unterscheidet sich in seinen anti-deutschen und anti-europäischen Tiraden nicht substanziell von Frau Le Pen.

    Michael Roth über Jean-Luc Mélenchon

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) werde beim Nato-Gipfel in Washington über diese "ungewöhnliche historische Konstellation" sicherlich "mit seinem Freund" Macron sprechen, so ein Regierungssprecher. "Wir können da nicht wirklich helfen", ergänzte Habeck, "aber wir können die Gesprächskanäle nutzen, um vielleicht Hinweise zu geben." So werde man die vorhandenen Kontakte in die einzelnen Parteien nutzen, "um die Herausforderungen, die europäisch bewältigt werden müssen, noch einmal zu verdeutlichen."

    Was sind die Auswirkungen auf Deutschland und Europa?

    Das ist nicht klar. Das Linksbündnis hat die Führungsfrage bisher offen gelassen und auch kein gemeinsames Programm. Insofern ist noch nicht ausgemacht, welche Politik es umsetzen will, wenn es an die Regierung kommt. Fest steht aber, dass das Bündnis bis auf einzelne Teile am linken Rand klar proeuropäisch eingestellt ist und auch fest zur Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg steht.
    Ulf Röller | ZDF-Korrespondent in Brüssel
    Frankreich steht vor einer zähen Regierungsbildung. Das könne die Rolle des Landes in der EU schwächen. In Brüssel blicke man darauf mit Sorge, sagt ZDF-Korrespondent Ulf Röller.08.07.2024 | 3:09 min
    Bei politischem Stillstand in Frankreich könnten Berlin und Brüssel nicht weiter auf Frankreich als starken Partner setzen. Das Land wäre mehr auf das Verwalten als auf das Anstoßen neuer Vorhaben ausgerichtet.

    Profitieren Le Pens Rechtsnationale dennoch vom Wahlausgang?

    Auch wenn das Rassemblement National anders als prognostiziert nicht stärkste Kraft geworden ist und selbst hinter dem Präsidentenlager landen könnte, verbucht die Partei von Marine Le Pen erhebliche Zugewinne in der Nationalversammlung. Sie ist dort stärker denn je vertreten.
    Damit wächst der Einfluss der Partei in der Parlamentsarbeit und sie erhält mehr Geld aus der Parteienfinanzierung, mit dem sie sich bereits auf die Präsidentschaftswahl 2027 und die spätestens dann auch anstehende nächste Parlamentswahl vorbereiten kann.
    Anna Warsberg | ZDF-Korrespondentin in Paris
    Bei der Wahl in Frankreich haben so viele Menschen abgestimmt wie seit mehr als vier Jahrzehnten nicht. Es habe eine starke Mobilisierung gegeben, berichtet ZDF-Korrespondentin Anna Warsberg.08.07.2024 | 3:59 min

    Was ist mit Macron?

    Ob Macron noch etwas von seinem ursprünglichen Anspruch als Frankreichs Reformer und Verfechter eines starken Europas wird retten können, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen. Sollte es ihm mit Taktieren und Zugeständnissen entgegen der überwiegenden Erwartung gelingen, eine auf Dauer regierungsfähige Mehrheit unter Beteiligung seines Regierungslagers auf die Beine zu stellen, käme er möglicherweise noch mit einem blauen Auge davon.
    Da es aber bereits in den vergangenen zwei Jahren unter wesentlich klareren Machtverhältnissen nicht gelang, eine Koalition zu schmieden, wird Macrons bleibende Amtszeit möglicherweise eher aus dem Verwalten instabiler Verhältnisse und Stillstand in Frankreich bestehen. Innen- und außenpolitisch wäre er geschwächt.
    Obwohl ein Sieg der Rechtsnationalen bei der Parlamentswahl verhindert wurde, hat Macron sich und seinem Vermächtnis durch die Neuwahl mehr geschadet als geholfen.
    Verfolgen Sie die aktuellen Entwicklungen nach der Parlamentswahl in Frankreich im Liveblog:

    Parlamentswahl in Frankreich
    :Premierminister Attal bleibt "vorerst" im Amt

    Frankreichs Premierminister Attal bleibt im Amt. Präsident Macron habe dessen Rücktrittsgesuch "vorerst" abgelehnt, heißt es aus dem Elysée-Palast. Aktuelles im Liveblog.
    Gabriel Attal, französischer Premierminister
    Liveblog
    Quelle: dpa

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