Militärabzug aus Westafrika:Frankreichs "Mission krachend gescheitert"
von Luis Jachmann
|
Nach Mali und Burkina Faso beendet Paris seine Militärmission im Niger. Das könnte ein Rückschlag sein im Antiterror-Kampf in der Region. Und die Flucht nach Europa verstärken.
Nach dem Putsch in Niger kündigt Emmanuel Macron den Truppenabzug aus der früheren Kolonie an.28.09.2023 | 2:10 min
Am Ende war der Druck zu groß. Auf der Straße in Niamey und seitens der nigrischen Militärjunta. Als der französische Präsident am Sonntagabend im Fernsehen den vollständigen Rückzug aller Truppen und des diplomatischen Personals verkündet, wird daraus die Einsicht deutlich, dass jeglicher Rückhalt für Frankreichs Militärmission im Niger weggebrochen ist.
"Wir beenden unsere militärische Zusammenarbeit mit dem Niger. Der möchte den Kampf gegen Terrorismus nicht fortführen", sagt Präsident Emmanuel Macron und gibt die neue Richtung vor:
Bittere Lektion für Frankreich
Wochenlang haben Zehntausende Menschen im Niger gegen die französische Präsenz demonstriert. 1.500 Soldatinnen und Soldaten waren bisher dort stationiert. Nigers neue Militärregierung hatte kurz nach der Machtübernahme den Abzug Frankreichs gefordert. Wenige Wochen später kommt Macron dieser Aufforderung nach. Der französische Botschafter hat das Land bereits verlassen, bis Jahresende sollen alle Soldaten und Soldatinnen abgezogen sein.
Für Frankreich ist es eine bittere Lektion. Eine mit Déjà-vu. Schon Anfang des Jahres ordnete Macron den militärischen Rückzug aus dem Nachbarland Burkina Faso an. Zuvor hatte Frankreich bereits in Mali seine Zelte abbrechen müssen.
Länder der Sahelzone in Afrika.
Quelle: ZDF
Die drei Länder in Westafrika haben eine ähnliche Entwicklung durchgemacht: Demokratisch gewählte Regierungen wurden weggeputscht. Seitdem haben Militärregierungen in den ehemaligen Kolonien Frankreichs das Sagen. Viele Experten und Expertinnen, die sich mit der Sahelzone befassen, werfen Frankreich eine falsche Strategie vor.
Burkina Faso setzt auf Russlands Wagner-Truppe
"Man kann keinen Krieg gegen Dschihadisten führen, ohne dabei auch an politische und ökonomische Lösungen zu denken. Weder in Burkina Faso noch im Niger hat sich die wirtschaftliche Situation in den letzten Jahren verbessert", sagt Politologe Luis Martinez von der Universität Sciences Po Paris.
Nun wird die Sahelzone von einem Gürtel aus Juntas dominiert, denen die europäische Präsenz der letzten Jahrzehnte missfällt. Und die das auch klar so zur Sprache bringen. Kürzlich erst in New York bei der UN-Vollversammlung. Bassolma Bazie, Minister für Staatsangelegenheiten in Burkina Faso, sieht das so:
Länder der Sahelzone wenden sich vom Westen ab
Längst sind die neuen Militärregierungen neue Partnerschaften eingegangen, die dem Westen den Rang ablaufen. Während die russische Söldnertruppe Wagner militärisch in Westafrika aktiv ist, investieren etwa China, Indien und die Türkei wirtschaftlich in die Region. Niger beispielsweise ist wegen seiner Bodenschätze attraktiv. Geschäfte mit dschihadistischen Gruppen mit Nähe zu Al-Kaida sind da nicht ausgeschlossen.
Vor rund einem Jahrzehnt hatte Frankreich mit fünf Sahelländern eine Allianz geschmiedet. Bis zu 5.100 französische Soldatinnen und Soldaten leisteten Unterstützung im Antiterror-Kampf, auf Bitte der damaligen demokratischen Regierungen in Westafrika.
Nach den ersten erfolgreichen Putschen war 2022 Schluss mit Frankreichs Militäreinsatz. Macron verteidigt die Mission im Rückblick: "Die Militäroperation Barkhane war ein Erfolg. Ohne sie wäre in den meisten dieser Länder schon ein Kalifat errichtet." Der Sahel-Experte Luis Martinez widerspricht:
Mehr Migration nach Europa?
Ein Problem - auch für Europa. Martinez rechnet mit neuen Herausforderungen an den EU-Außengrenzen: "In der Sahelzone leben schon jetzt 100 Millionen Menschen." Es gebe immer weniger Perspektiven. "Die Jungen fliehen in Nachbarländer wie Ghana, Nigeria und in die Elfenbeinküste." Er glaubt, dass auch viele junge Menschen das Risiko auf sich nehmen und versuchen werden, und über die Flüchtlingsrouten nach Europa zu kommen.
Mit dem Niger fällt ein einst verlässlicher, strategischer Partner für den Westen im Sahel jetzt aus. Auch für Deutschland ist das ein Problem: Die letzten deutschen Blauhelme der UN-Friedensmission im Mali sollten eigentlich über einen Stützpunkt im Niger Westafrika verlassen. Fraglich, ob das so noch möglich ist.
Frankreich hat noch etwa 1.000 Soldatinnen und Soldaten im Tschad. Die Ausbreitung dschihadistischer Gruppen Tausende Kilometer weiter westlich werden sie nicht verhindern können.
Mehr zur Lage in Westafrika
Interview
"Postkoloniale Strategien":Was Frankreich im Niger falsch gemacht hat
FAQ
Nach dem Putsch in Niger:Wie Wagner-Söldner Chaos in Afrika befeuern
von Nils Metzger