Budapester Gipfeltage: Die Krisen überholen die EU
Budapester Gipfeltage:Die Krisen überholen die EU
von Ulf Röller
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Die Krisen häufen sich, beim Gipfel in Budapest klingt durch: Die EU braucht dringend eine handlungsfähige deutsche Regierung - und zwar schnell. Berlins Ausfall ist ein Problem.
Kanzler Scholz ist heute zum EU-Gipfel nach Budapest gereist. Dort beraten die Staats- und Regierungschefs unter anderem auch über das Wahlergebnis in den USA.08.11.2024 | 1:47 min
Zwei Tage lang haben sich Europas Regierungschefs in Budapest getroffen, um Auswege aus der Krise zu finden. Vor allem die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist ein Warnsignal. Die USA als Schutzmacht ist nicht mehr selbstverständlich. Gerade jetzt bräuchte es ein starke deutsche Regierung, die die EU in die Selbstständigkeit führt. Der Ausfall Berlins ist ein Problem.
Als Bundeskanzler Olaf Scholz zum Gala-Dinner im ungarischen Parlament eintraf, empfing ihn ein gut gelaunter Gastgeber, der ungarische Regierungschef Victor Orban. "Wir haben Sie vermisst." Vielleicht einer der nettesten Sätze, die der Bundeskanzler in den letzten 48 Stunden gehört hatte. Scholz musste gestern den Super-Gipfel mit 47 europäischen Regierungschefs wegen der Regierungskrise daheim schwänzen. Aber er war dennoch Gesprächsthema in Budapest.
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola sagte den Satz am Morgen, den so viele dachten:
Dass dies auch umgekehrt gilt, ließ sie unausgesprochen - die Mächtigen gehen höflich miteinander um. Aber es gibt einen Wunsch aus Budapest: Die EU braucht eine handlungsfähige deutsche Regierung - und zwar schnell.
Bei seinem Besuch auf dem EU-Gipfel in Budapest erklärt Bundeskanzler Scholz seine Bereitschaft über den Termin für die Neuwahlen "möglichst unaufgeregt" zu diskutieren.08.11.2024 | 2:51 min
Orban: Mit Wodka auf Trump angestoßen
Scholz will natürlich dem Eindruck auf dem Gipfel nicht zulassen, handlungsunfähig zu sein. Morgens kommt er mit Aktentasche zum Fototermin. Begrüßt von Victor Orban, dem Querulanten in der EU und Anführer der Rechtspopulisten in Europa. Orban wirkt noch breitschultriger als sonst. Er habe mit Wodka auf den Sieg von Donald Trump angestoßen, erklärt er später.
Die beiden jedenfalls schütteln nur kurz Hände. Das letzte, was Scholz jetzt braucht, ist die Umarmung von einem Trump-Fanboy und Putin-Versteher. Ansonsten sucht er die Nähe zu seinen Kollegen. "Viele haben mir auf die Schulter geklopft", erklärt er später in der Pressekonferenz.
Aber das ändert nichts daran, dass der Ausfall Deutschlands zur Unzeit kommt. Denn die Krisen schwellen langsam zu einem Tsunami an. Ukraine-Krise, Nahost-Konflikt, Wirtschafts- und Klimakrise. Irgendetwas vergessen? Ach ja, ganz frisch - Trump-Krise. Das sind einfach zu viele: Der nächste US-Präsident Trump stellt die politischen Lebenslinien der EU infrage. 300 Millionen Amerikaner sind bereit, 400 Millionen Europäer zu verteidigen - diese für wahr gehaltene geostrategische Weisheit gilt so nicht mehr. Europa muss mehr tun, um sich selbst zu verteidigen.
Die Krisen in Europa lassen die Frage aufkommen, ob die EU nicht zu langsam arbeite. Es herrsche jedoch Konsens, dass man zusammenhalte, so Ulf Röller aus Budapest.08.11.2024 | 1:04 min
Militärische Unabhängigkeit - das kostet
Eigentlich weiß dies die EU seit längerem - spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Aber mit dem Einzug des wütenden Mannes ins Weiße Haus ist diese Erkenntnis zur Gewissheit geworden. Darin sind sich alle EU-Regierungschefs einig. Der französische Präsident fasste dies in ein drastisches Bild: "Die Welt besteht aus Pflanzenfressern und aus Fleischfressern, erklärte Emmanuel Macron:
Macron sieht sich natürlich als Fleischfresser. Er ist einer, der am lautesten die militärische Unabhängigkeit Europas fordert. Das kostet viele 100 Milliarden. Woher sollen die kommen? Um im Bild zu bleiben: Der Franzose bestellt das Menu, will aber nicht zahlen. Da denkt er eher an die Deutschen. Kurz gesagt: Fehlanzeige.
Das sollte auch die Ukraine nervös machen. Der Auftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Der Winter in der Ukraine wird noch härter und Russland gewinnt, wenn der Westen uns im Stich lässt.
Und nun droht Trump auch noch mit einem Handelskrieg. Antwort auf dem Gipfel: Wir müssen zusammenstehen und mehr für unsere Wettbewerbsfähigkeit tun. Auch das sagt man seit Jahren. Aber die EU entscheidet zu langsam. Die Krisen überholen die EU.
Mit Trump ist offen, ob und wie die USA im Ukraine-Krieg involviert bleiben. Was der Ukraine drohen könnte analysiert ZDFheute live mit Militärexperte Nico Lange. 08.11.2024 | 38:10 min