Donald Trump und die Realitäten des Ukraine-Kriegs

    Analyse

    Wahlversprechen zu Kriegsende:Trump und die Realitäten des Ukraine-Kriegs

    von Christian Mölling und András Rácz
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    Der angehende US-Präsident Donald Trump wird den Ukraine-Krieg wohl kaum in 24 Stunden beenden können, wie er im Wahlkampf versprochen hat. Die Realitäten sprechen dagegen.

    Eine Frau betrachtet Fotos an einem Denkmal für gefallene ukrainische Soldaten auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew, Ukraine, Mittwoch, 6. 11. 2024.
    Eine schnelle Lösung des Ukraine-Kriegs unter Vermittlung eines neuen US-Präsidenten Trump erscheint Beobachtern sehr unrealistisch. (Symbolbild)
    Quelle: AP

    Das von Donald Trump im Wahlkampf gemachte Versprechen, den Krieg in der Ukraine in nur 24 Stunden zu beenden, dürfte sich kaum realisieren lassen: Die Realitäten sprechen dagegen.
    Zunächst einmal ist die Ukraine zwar stark von wirtschaftlicher und vor allem militärischer Unterstützung aus den USA abhängig, doch ist Kiew keineswegs eine Marionette Washingtons.

    Kiew nimmt keine Befehle aus Washington entgegen

    Viele haben oft unterschätzt, wie viel Handlungsfähigkeit und Handlungsspielraum die Ukraine gegenüber den politischen Interessen der USA hat. Die Ukraine nimmt keine direkten Befehle aus Washington entgegen, wie sich in den letzten zweieinhalb Jahren bereits mehrfach gezeigt hat.
    Sicherheitsexperte Maximilian Terhalle zugeschaltet
    Trump hat im Wahlkampf angekündigt, die Unterstützung für die Ukraine zurückziehen zu wollen. Putin würde das "brutal" ausnutzen, sagt Sicherheitsexperte Maximilian Terhalle. 06.11.2024 | 14:49 min
    Selbst wenn Trump das Anhalten der militärischen Unterstützung nicht nur androhen, sondern tatsächlich vollständig umsetzen würde, dürfte es mindestens mehrere Wochen dauern, bis das wirksam würde. Außerdem könnten die europäischen Verbündeten tatsächlich Teile der US-Lieferungen ersetzen, was das Zeitfenster weiter öffnen würde.



    Achillesferse ist die Informationsweitergabe

    Den größten Schaden, der sich am schnellsten auf die Ukraine auswirken würde, könnte Trump anrichten, indem er die nachrichtendienstliche Unterstützung durch die Vereinigten Staaten einstellen würde - einschließlich der nachrichtendienstlichen Informationen, die für die Zielerfassung verwendet werden. Dies ist eine US-Fähigkeit, die die Europäer sicherlich nicht vollständig ersetzen könnten, sodass ihr Verlust die Fähigkeit der Ukraine beeinträchtigen würde, sensible Ziele anzugreifen - insbesondere wenn sie tief in Russland liegen.
    SGS Hassanzadeh
    Die ukrainische Regierung hat sich auf alle möglichen Wahlausgänge vorbereitet, sagt ZDF-Reporter Dara Hassanzadeh in Kiew. In der ersten Amtszeit Trumps wurden Waffen geliefert.06.11.2024 | 2:54 min
    Der Verlust der Fähigkeit würde die Ukraine jedoch nicht dazu zwingen, jedes russische Ultimatum sofort zu akzeptieren, sondern nur die Verhandlungsbereitschaft Kiews erhöhen - und auch dies würde nicht innerhalb von 24 Stunden geschehen.

    Russland als große Unbekannte

    Das wichtigste strategische Problem bei der Umsetzung dieses Versprechens liegt jedoch nicht in der Ukraine, sondern in Russland. Das Problem ist, dass die USA einfach keine Mittel haben, um Russland zu zwingen, jeden Vorschlag aus Washington schnell und bedingungslos zu akzeptieren. Hätten die USA ein solches Mittel, hätte die scheidende Regierung es höchstwahrscheinlich bereits eingesetzt. Ein einseitiges US-Ultimatum, das Russland innerhalb von 24 Stunden auferlegt würde, kann daher mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden.
    Röttgen zur US-Wahl im Sutdio
    Ein Sieg Trumps hätte weitreichende Folgen für die Ukraine, so CDU-Politiker Röttgen. "Dass es unter Trump noch eine Unterstützung für die Ukraine gibt, ist nicht zu erwarten."06.11.2024 | 3:30 min
    Daher müsste Trump Russland davon überzeugen, Verhandlungen aufzunehmen. Das Problem ist jedoch, dass Russland derzeit absolut nicht zu einer Kompromisslösung bereit ist. Wladimir Putin ist zutiefst davon überzeugt, dass die Zeit für ihn arbeitet und dass Russland den Westen überleben und danach die Ukraine besiegen kann. Für ihn ist derzeit die vollständige Kapitulation der Ukraine der einzig akzeptable Weg, diesen Krieg zu beenden.

    Russischer Sieg kein Erfolg für Trump

    Die Ukraine zu zwingen, ein solches Ende zu akzeptieren, würde bedeuten, dass Trump den Sieg vollständig an Russland abgäbe, anstatt eine echte Einigung zu erzielen. Trump ist kein Mensch, der gerne Niederlagen eingesteht und schwach aussieht.
    Darüber hinaus würde eine vollständige Niederlage der Ukraine andere Akteure auf der internationalen Bühne ermutigen, vor allem China, dass militärische Macht in der Tat ein geeignetes Mittel ist, um nicht nur politische Interessen durchzusetzen, sondern auch, um Territorium zu gewinnen. China zu ermutigen, Taiwan anzugreifen, steht in direktem Widerspruch zu Trumps oft geäußerter Priorität, Peking einzudämmen und zu bekämpfen.
    SGS Schmidt
    In den chinesischen Nachrichten wurde kaum ein Wort über die US-Wahl verloren, sagt ZDF-Korrespondentin Elisabeth Schmidt. China habe sich auf das Szenario vorbereitet. 06.11.2024 | 1:53 min

    USA würden wichtigen Markt verlieren

    Darüber hinaus würde die Akzeptanz - und de facto die Förderung - eines vollständigen Sieges Russlands über die Ukraine auch die wirtschaftlichen Interessen der USA in dem Land gefährden, einschließlich derjenigen, die mit dem Wiederaufbau und der Wiederbewaffnung der Ukraine verbunden sind.
    Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass ein von Russland eingesetztes Marionettenregime in der Ukraine (das ist es, was Moskau immer wieder fordert) dulden würde, dass die Ukraine moderne US-Waffen kauft. Ein Sieg Russlands in der Ukraine würde daher für die USA den Verlust eines wichtigen und zukunftsträchtigen Marktes bedeuten.

    Details der Vereinbarung würden zählen

    Zusätzlich zu all dem muss man auch die eher technischen Aspekte im Auge behalten. Die Ausarbeitung eines tragfähigen Waffenstillstandsvorschlags erfordert ein hohes Maß an Koordination zwischen den Konfliktparteien. Dieser Krieg ist der bei weitem größte bewaffnete Konflikt, der in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden hat.
    Dmytro Kuleba, Ex-Außenminister der Ukraine im ZDF-Interview.
    Der ehemalige ukrainische Außenminister Kuleba redet nach dem Amtsende freier, sagt er. Themen, die ihn bewegen, gibt es reichlich zu besprechen. Ungekürzt aus einer Bar in Kiew.03.11.2024 | 22:12 min
    Die Beendigung eines Krieges mit einer Frontlänge von mehr als tausend Kilometern und mehr als einer Million einsatzfähiger Soldaten ist kein schnelles Unterfangen, zumal bisher keine erfolgreichen Vorbereitungen getroffen wurden. Kein vernünftiger Mensch kann denken oder glauben, dass dieser Krieg innerhalb von 24 Stunden beendet werden kann.

    Konzentrierte und dauerhafte Diplomatie erforderlich

    Um die kämpfenden Seiten dazu zu bringen, den Krieg innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu beenden, wären so konzentrierte, dauerhafte und taktvolle diplomatische Bemühungen erforderlich, wie sie bisher nicht zu erkennen waren. Selbst wenn Trumps Diplomatie über all diese Fähigkeiten und noch mehr verfügen würde, würde es mindestens mehrere Wochen dauern, einen funktionierenden Waffenstillstand zu schmieden.
    Schaltgespräch Roeller und Wehrmann
    Auf Trump-Amerika könne man sich nicht verlassen, so ZDF-Korrespondent Röller. Nur ein selbstständiges, geeintes Europa sei stark genug, um Trump die Stirn zu bieten.07.11.2024 | 1:40 min
    Die Frage, wie lange dieser halten könnte und wie man die Voraussetzungen dafür - vor allem die Sicherheitsgarantien für die Ukraine vor einem dritten Überfall - glaubhaft für alle Parteien schaffen kann, ist damit noch nicht einmal angesprochen. Hier würden die USA wieder eine zentrale Rolle bei Abschreckung und Schutz spielen.
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Auf dem Bild sieht man ukrainische Soldaten von hinten.
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