Nachtreten im Flieger: Zwei "Auswärtssiege" für Erdoğan

    Zwei "Auswärtssiege" für Türkei:Nachtreten im Flieger: 2:0 für Erdoğan

    Carsten Rüger
    von Carsten Rüger, Istanbul
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    Der Ex-Fußballer Erdoğan kann Taktik. So gibt sich der türkische Präsident beim Berlin-Besuch zahm, kaum abgeflogen tritt er nach - und spricht wieder vom "Terrorstaat" Israel.

    Türkischer Präsident Recep Tayyip Erdogan
    Daumen hoch für die Türkei: Im Flieger nach Hause teilt Präsident Recep Tayyip Erdogan gleich mal wieder gut aus gegen Deutschland.
    Quelle: epa

    Die türkischen Boulevard-Blätter jubeln. 3:2 gegen Deutschland. Was für ein Abend! Zehntausende türkische Fans im Olympiastadion stellen die Welt auf den Kopf, machen die Partie für das türkische Team zu einem Heimspiel.
    Schon das genießt die auflagenstärkste, AKP-nahe Tageszeitung "Sabah" am Morgen mit der Schlagzeile: "Bize Her Yer Türkiye!". Heißt auf Deutsch: "Für uns ist die Türkei überall!"
    Jonathan Tah (Deutschland) und Yusuf Yazicõi (Türkei).
    Julian Nagelsmanns Heimdebüt als Fußball-Bundestrainer ist gründlich misslungen. Die deutsche Nationalmannschaft verlor im Berliner Olympiastadion gegen die Türkei 2:3 (1:2). 18.11.2023 | 2:58 min

    Erdoğan bei Pressekonferenz: Defensive, Stärke, Offensive

    Überlegenheit auf den Rängen, ein sportlicher Sieg auf dem Rasen - und das in Deutschland, in Berlin, also genau dort, wo nur einen Abend zuvor in den Augen fast aller türkischer Medien der ehemalige türkische Fußballspieler Recep Tayyip Erdoğan einen Auswärtssieg auf ganzer Linie erzielt hatte: beim deutschen Kanzler.
    Erdoğan, der in seiner Jugend bei seinem Istanbuler Heimatverein Kasımpaşa erfolgreich kickte, zeigte bei der kurzen Pressekonferenz mit dem deutschen Kanzler taktische Qualitäten: stark in der Defensive. Auf Fragen eines dpa-Journalisten vermied Erdoğan es, neben dem Kanzler zu sehr zu eskalieren und seinen Vorwurf zu wiederholen, Israel sei ein "Terrorstaat" und "betreibe Faschismus".
    Ruhe ins Spiel bringen, Kontrolle und Stärke zeigen: "Wir als Türkei sind eines der vorrangigsten Länder in der Nato. Wir sind unter den ersten fünf." Wir sind also wer! Und schließlich: Wer hat erfolgreich im Ukraine-Krieg den Getreidedeal zwischen Moskau und Kiew verhandelt?!
    Dann in die Offensive gehen - das zeigte Erdoğan, als er den Journalisten zurechtwies und Spitzen austeilte: Eigentlich war die Frage an Olaf Scholz gerichtet, ob Deutschland bei der derzeitigen Haltung der Türkei im Nahost-Konflikt dem Verkauf von 40 Eurofighter-Kampfjets zustimmen werde.

    Erdoğan feiert Fußballer - und sich

    Doch Erdoğan ist einen Tick schneller und grätscht dem Kanzler dazwischen: Eurofighter könne die Türkei auch von anderen bekommen. "Als Pressevertreter sollten Sie uns damit nicht drohen!"
    Die Erdoğan-nahe Zeitung "Yeni Şafak" feiert Erdoğan für dieses Dazwischengrätschen - und Erdoğan feiert natürlich die erfolgreichen Fußballer: Fast alle Zeitungen berichten, dass der Präsident nach dem 3:2 dem ganzen Team gratuliert hat - und gerne zitiert "Sabah" den italienischen Trainer, der erklärt: "Wir haben Fußballspieler, die ihre nationale Seele auf dem Rasen zeigen - ich bin stolz auf sie!" Worte, die ganz nach dem Geschmack Erdoğans gewesen sein dürften.

    Erdoğan: "Sie sehen diese Toten nicht"

    Der Präsident, Ex-Fußballer und Taktiker, geht aber kurz nach "Abpfiff" in die politische Verlängerung: Im Präsidentenflieger von Berlin zurück in die Türkei erklärt Erdoğan den in der Kabine um ihn herum versammelten türkischen Journalisten zu seinem Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz: "Ihre Einschätzung der Situation in Gaza ist falsch (…). Sie denken, die Hamas ist verantwortlich für das, was am 7. Oktober passiert ist. Wir haben das Gegenteil erklärt: Wir haben ganz klar erklärt, dass Israel ein Terror-Staat ist. In Palästina sind leider 13.000 Kinder, Frauen, alte Menschen getötet worden. Sie sehen diese Toten nicht, aber 100 bis 200 Tote auf israelischer Seite, das ist für sie das ganze Bild."
    So zitiert die "Hürriyet"-Reporterin Erdoğan. Und "Sabah" titelt: "Fakten zu hören, schmerzt sie!" Gemeint sind die Deutschen.
    100 bis 200 Tote auf israelischer Seite? Das sind also Erdoğans Fakten. Und um erneut zu unterstreichen, welche Bedeutung er habe, berichtet er hoch über den Wolken: Israelische Familien, die Angehörigen von Geiseln in der Hand der Hamas, hätten ihm persönlich geschrieben. Sie hätten das Vertrauen in ihre Regierung verloren. Nun solle er, Erdoğan, helfen, die Geiseln freizubekommen. Der türkische Geheimdienst werde sich darum kümmern, so Erdoğan.
    Also: Ohne die Türkei geht nichts. Die Türkei ein erfolgreicher Player - auf dem diplomatischen Krisen-Parkett als auch auf dem Rasen. Und aus Berlin dürfte der ehemalige Kasımpaşa-Spieler Recep Tayyip Erdoğan politisch und sportlich zufrieden zurückgeflogen sein - mit dem Gefühl: Die Reise nach Deutschland war ein klares 2:0.
    Carsten Rüger berichtet zur Zeit aus dem ZDF-Studio Istanbul.

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