Absetzung von Kevin McCarthy:Wer von dem Chaos in den USA profitiert
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Radikale Republikaner stürzen den Chef, einen Nachfolger gibt's nicht. Das US-Chaos, so Expertin Clüver Ashbrook, dürfte zwei Politiker freuen: Donald Trump und Wladimir Putin.
Es ist das erste Mal in der Geschichte der USA, dass ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses durch die eigene Partei gestürzt wurde. Das Polit-Drama um Kevin McCarthy bringt nicht nur das US-Repräsentantenhaus komplett zum Stillstand, es hat Auswirkungen weit über die USA hinaus.
Einer, der sich diebisch freuen dürfte über das aktuelle Wirrwarr ist Ex-Präsident Donald Trump. "Er ist", sagt die Politologin Cathryn Clüver Ashbrook im ZDF, "ein Mann, der vom Chaos lebt".
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V.
... ist eine deutsch-amerikanische Politologin USA-Expertin und Senior Advisor bei der Bertelsmann Stiftung. Zuvor leitete sie das Future of Diplomacy Project an der Harvard Kennedy School und war Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Sehen Sie oben das gesamte Interview im Video und lesen Sie hier in Auszügen.
Clüver Ashbrook sagt im ZDFheute live ...
... dass Trump vom Chaos lebe
"Donald Trump sät weiterhin Chaos in seinen sozialen Medienkanälen", sagt Clüver Ashbrook, "selbst wenn er gerade ein bisschen beschäftigt ist, weil ihm in New York wieder ein Prozess gemacht wird".
Dennoch halte ihn das nicht davon ab, "in die sozialen Medien reinzuschreiben, dass er gerne ein komplettes Chaos gesehen hätte. Eine komplette Blockade". Trump habe den Republikanern in der Haushaltsdebatte empfohlen, "quasi das Land auflaufen zu lassen".
Das erinnere an die "schweren Zeiten in den Trump-Jahren, als über 30 Tage lang Amerika quasi handlungsunfähig war".
"Zwei haben den Hut schon in den Ring geworfen", berichtet ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen aus Washington. "Wer immer gewählt wird", lege es aber wohl "auf politisches Theater“ an.05.10.2023 | 3:20 min
... die Ukraine ohne Hilfe der USA keine Chance hat
Ohne die USA würde es "überhaupt nicht gehen", so Clüver Ashbrook. "Jedenfalls nicht so, wie gerade die Hilfen getaktet sind, bzw., wie schnell das Gerät geliefert werden kann." Um das zu kompensieren, wäre eine immense Kraftanstrengung der Europäer nötig.
Das Problem sei, dass amerikanische Wähler nicht mehr ohne Weiteres gewillt seien, "einen Krieg mitzutragen, der in einer wahnsinnigen Entfernung zu den USA stattfindet". Es gebe "keine 50-prozentige Mehrheit mehr in der amerikanischen Bevölkerung, diesen Krieg zu unterstützen".
"Die EU-Staaten müssen sich jetzt schon Gedanken darüber machen", bekräftigt Clüver Ashbrook, "wie man ein mögliches Ausfallen der amerikanischen Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland kompensieren könnte, auch aus den eigenen Haushalten".
"Leider ist die Republikanische Partei sehr gespalten", so Sudha David-Wilp, Direktorin German Marshall Fund Berlin. Darum werde es "schwierig für den neuen Kandidaten".05.10.2023 | 4:19 min
... der Kreml auf die USA blickt
Bei Wladimir Putin werde "diese historische Entscheidung" "ein politisches Feixen ausgelöst" haben, so die Expertin. Denn seit der Olympiade in Sotschi habe Putin immer darauf hingewiesen, dass "der Verfall der Werte, der Verfall des grundsätzlichen Verständnisses von Demokratie, dazu führen könnten, dass sich der Westen, aber eben besonders die USA, quasi selbst zerfleischen könnten".
Putin habe "ein ganz starkes Interesse daran, dass ein Republikaner ins Weiße Haus einzieht, im besten Fall einer, der den Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich beenden möchte". So wie Trump das gesagt habe. Und der dann umgekehrt Putin in die Hände spielen werde.
... was eine zweite Trump-Präsidentschaft für die Welt bedeuten würde
Man wisse schon jetzt über Trumps mögliche zweite Amtszeit, dass "er versuchen wird, noch aktiver die US-Demokratie in ihren Kernfunktionen zu zersetzen", sagt Clüver Ashbrook.
Trump habe soviele konservative Richter auf Lebenszeit eingesetzt, wie die USA das noch nie in der eigenen Geschichte erlebt hätten.
Es gebe ein großes "Projekt 2050", getragen von erzkonservativen Thinktanks in Washington, mit der Unterstützung von ehemaligen Chefstrategen. Hier werde versucht, die sogenannten "'Bundesagenturen' auszumerzen und - vor allen Dingen - die Bundesangestellten, also den ganzen Beamtenapparat, einem Präsidenten gefügig zu machen".
... dass die USA in Richtung eines exekutiv-autoritären Systems hinsteuere
Cathryn Clüver Ashbrook fasst zusammen: "Es steuert alles daraufhin, dass es ein quasi exekutiv-autoritäres System in den USA geben könnte, das die demokratischen Rechte und alles das, was die USA in ihrer pluralistischen Ausrichtung historisch ausmachen, aushebeln kann."
Das Fazit der Amerika-Expertin: "Wenn die USA in ihren Kernfunktionen, in ihrer Ankerfunktion für die internationale Weltordnung wegfallen, [...] dann ist es nicht verkehrt, davon zu sprechen, dass wir große architektonische Verschiebungen im System haben werden.
Das Interview führte ZDFheute-live-Moderatorin Victoria Reichelt.
Sehen Sie hier die ganze Sendung:
Quelle: ZDF
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