FAQ
US-Präsidentschaftskandidat:Was passiert, wenn Trump ins Gefängnis muss?
von Elmar Theveßen, Washington
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Wahlkampf oder gar Regieren aus dem Gefängnis - geht das überhaupt? Sollte Donald Trump zu einer Haftstrafe verurteilt werden, wäre er nicht der erste Präsidentschaftskandidat.
Eine Angst geht um, auch bei deutschen Politikern, die in den vergangenen Monaten die USA besuchten: "Was, wenn Donald Trump wieder Präsident wird?" In Hintergrundgesprächen werden regelmäßig Schreckensszenarien angetextet - vom Ausverkauf der Ukraine an den russischen Diktator Wladimir Putin über den Ausstieg der USA aus der Nato bis zur Verwandlung der amerikanischen Demokratie in ein autoritäres System.
Jack Goldstone teilt die Sorgen. Der Politikwissenschaftler an der George-Mason-University sagte erst kürzlich: "Wenn Donald Trump gewählt wird, wird die Demokratie leiden, weil er keinen Respekt hat für unser Rechtssystem, wenn es nicht in seinem Sinne urteilt; keinen Respekt vor Wahlergebnissen, wenn sie nicht zu seinen Gunsten ausfallen."
Eine Bedrohung, die sogar dann Wirklichkeit werden könnte, wenn Donald Trump wegen schwerer Straftaten zu einer Haftstrafe verurteilt würde.
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Es klingt abstrus, aber es gibt einen fast vergleichbaren Fall in der US-Geschichte.
Könnte Trump trotz Verurteilung als Präsident kandidieren?
Klare Antwort: Ja, wie ein historisches Beispiel zeigt. "Ich danke den kapitalistischen Herren, dass sie mich hier reingesteckt haben", so schrieb einst ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat aus dem Gefängnis, "sie wissen, wo ich in ihrem kriminellen und korrupten System hingehöre. Es ist das einzige Kompliment, das sie mir machen konnten." Die Worte stammen von Eugene Debs, der an der Präsidentschaftswahl 1920 teilnahm.
Der Gründer der sozialistischen Partei der USA hatte im Juli 1918 die amerikanische Beteiligung am Ersten Weltkrieg massiv kritisiert und war deshalb unter dem Vorwurf der Aufwiegelung angeklagt und zu einer 30-jährigen Haftstrafe verurteilt worden. Debs hatte bei früheren Wahlen bis zu sechs Prozent der Stimmen gewonnen, diesmal wählten ihn sogar mehr als 900.000 Amerikaner. Natürlich landete er damit weit abgeschlagen hinter Kandidaten der beiden großen Parteien, aber der republikanische Wahlsieger Warren Harding begnadigte Debs im Dezember 1921. Wie damals gilt auch heute: Verurteilte Straftäter können für die Präsidentschaft kandidieren.
Könnte Trump seinen Wahlkampf aus dem Gefängnis steuern?
Kein Problem mit einem guten Wahlkampfteam, das die Kampagne in allen Einzelheiten mit ihm absprechen könnte. Außerdem würde er sicher auf seine Familie zählen können, allen voran auf seinen Sohn Donald Trump jr., der nicht nur den Namen mit seinem Vater teilt, sondern auch seinen aggressiven, populistischen Stil.
Voraussetzung ist, dass die republikanische Partei den abgewählten Ex-Präsidenten bei ihrem Parteitag in Milwaukee, Wisconsin im August 2024 wieder zu ihrem Präsidentschaftskandidaten macht. Er könnte dann zwar kaum aus dem Gefängnis an den Fernsehdebatten teilnehmen, aber sein Name würde auf allen Stimmzetteln im Land auftauchen. Selbst wenn einzelne Bundesstaaten die Teilnahme von verurteilten Straftätern an der Wahl per Gesetz verbieten wollten, hätte das vor Gericht wohl keinen Bestand, weil es sich um eine nationale, nicht regionale Wahl handelt.
Könnte Trump zum US-Präsidenten gewählt werden?
Absolut. Es gibt kein Gesetz, dass die Wahl eines verurteilten Straftäters auf Bundesebene verhindert. Aber er müsste wohl auf seine eigene Stimme verzichten, denn sein Wahlrecht ist für die Zeit seiner Haftstrafe suspendiert. Erst wenn er aus dem Gefängnis entlassen oder begnadigt würde, dürfte er wieder wählen - sich selbst oder andere Politiker.
Müsste Trump aus dem Gefängnis regieren?
Wir wüssten es wahrscheinlich, wenn Eugene Debs die Präsidentschaftswahl 1920 gewonnen hätte. Dann wäre sein Fall wohl vor dem Obersten Bundesgericht gelandet, das hätte prüfen müssen, ob durch die formelle Zertifizierung der Wahl die Verpflichtung zur Ausübung des Amtes vor der Verbüßung einer ordnungsgemäß verhängten Haftstrafe Vorrang hat.
Juristisch ist das ganz dünnes Eis, denn die amerikanische Verfassung und alle flankierenden Dokumente über die Beratungen der Gründungsväter sagen nichts über solch einen Fall aus. Am Ende würde der Supreme Court wohl ein rein politisches Urteil fällen müssen. Angesichts der konservativen Mehrheit mit handverlesenen Richtern aus seiner Amtszeit hätte Donald Trump vermutlich beste Chancen auf seine Vereidigung am 20. Januar 2025.
In New York ist Trump bereits verurteilt worden - er ist "nicht mehr unantastbar", sagt ZDF-Korrespondent Johannes Hano:
Könnte Trump sich selbst begnadigen?
Er würde es sicherlich versuchen, auch wenn das juristisch umstritten ist. Auch dieser Fall würde vor dem Obersten Gerichtshof landen. Wenn Trump gewänne, gäbe ihm das eine fast absolute Macht, denn er könnte sich für jede nur denkbare Straftat im Amt selbst die Absolution erteilen.
Amerika wäre keine Demokratie mehr, sondern ein autoritäres Regime. Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass Präsident Joe Biden bei einem deutlichen Wahlsieg Trumps seinen Widersacher begnadigt, um einen verfassungsmäßigen und friedlichen Übergang zu gewährleisten.
Wie wahrscheinlich ist diese Konstellation überhaupt?
Die Ungewissheit vor der US-Wahl 2024 ist genauso groß wie die Angst vor der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus. Es ist sehr gut möglich, dass keines der genannten Szenarien zum Tragen kommt, weil der angeklagte Ex-Präsident bis zum Wahltermin noch nicht verurteilt und inhaftiert ist; oder weil er vorher gar freigesprochen oder die Anklage fallengelassen wird. Spätestens nach Amtsantritt könnte Trump das Justizministerium unter Druck setzen, die Beendigung des oder der Bundesverfahren zu erwirken.
Donald Trump bezeichnet die Anklage gegen ihn in der Dokumentenaffäre als Machtmissbrauch:
Politikwissenschaftler Goldstone hofft jedenfalls, dass die Wähler all diese Überlegungen in ihre Entscheidung am 5. November 2024 mit einbeziehen: "Wenn die Amerikaner eine klare Wahl haben zwischen einem Verbreiter der Wahllüge, Abtreibungsgegner, Waffenbefürworter und dem genauen Gegenteil davon, und wenn sie dann für die jetzige Regierung stimmen, dann wäre das ein Signal für die Stärke der Demokratie und die Zukunft Amerikas."
Das wünschen sich offenbar auch deutsche Politiker aus Regierung und Opposition, die in den vergangenen Monaten hier in Washington zu Besuch waren.
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