Bosnien und Herzegowina:Gewalt in Balkanland: Wie Frauen sich wehren
von Oliver Heuchert
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Frauen in Bosnien und Herzegowina leiden massiv unter der Gewalt durch Männer. Nicht selten bleibt das ohne Konsequenzen. Doch immer öfter regt sich in dem Balkanland Widerstand.
Vor wenigen Wochen erst hat ein Mann seine Ex-Partnerin vor laufender Kamera getötet, nun steht ein Hotelbetreiber wegen Gewalttaten gegen eine Mitarbeiterin vor Gericht. Wegen der Gewalt gegen Frauen kommt es im Land zunehmen zu Protesten.06.11.2023 | 2:08 min
Gewalt gegen Frauen ist in Bosnien und Herzegowina nicht selten. Viele Frauen in dem südosteuropäischen Land leiden unter Übergriffen. Doch in dem Land regt sich immer mehr Protest, Frauen und auch Männer gehen auf die Straße, um zu demonstrieren. Aber nicht nur dort zeigt sich Widerstand: Eine Frau aus Jablanica wehrt sich vor Gericht.
Gewalt an Frauen - der Fall Enisa Klepo
Das Foto zeigt Enisa Klepo als die Verletzungen teilweise schon wieder verheilt sind und sie wieder sehen kann, die Augen nicht mehr zugeschwollen sind. Der Hotelier, in dessen Haus sie gearbeitet hat, habe sie so zugerichtet. ZDFheute sagt Enisa Klepo:
"Meine Augenhöhle war gebrochen. Ich hätte sehr leicht mein Augenlicht verlieren können", erklärt sie.
Das Bild, das Enisa Klepo selbst aufgenommen hat, zeigt sie nach dem beschuldigten Übergriff ihres Arbeitgebers.
Quelle: Enisa Klepo
Zu diesem Gewaltexzess soll es Anfang August gekommen sein. Die studierte Juristin arbeitete im "Hotel Jablanica" in der gleichnamigen Kleinstadt zwischen Sarajevo und Mostar.
Klepo zeigt Übergriff an - Hotelbetreiber vor Gericht
Eigentlich sei sie als Rezeptionistin angestellt gewesen, schildert sie die Situation, wurde aber auch zu Reinigungsarbeiten oder Diensten an der Bar herangezogen. Die Arbeitsbedingungen seien schlecht gewesen, das Gehalt gering. Es sei zu Diskussionen gekommen, auch mit anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Nach einer Gewalttat mit drei Toten in der nordbosnischen Kleinstadt Gradacac im August schockierten neue Einzelheiten die Öffentlichkeit. 23.08.2023 | 2:24 min
Als keine Verbesserung eintrat, habe sie beschlossen zu kündigen, erklärt Enisa Klepo. Als sie das dem Hotelier mitteilte und ihr letztes Gehalt verlangte, habe er zugeschlagen. Das aber lässt sich Enisa Klepo nicht gefallen und zeigt ihn an.
Es ist ungewöhnlich, dass sich eine Frau in Bosnien-Herzegowina nach einer Gewalttat zur Wehr setzt. Gegenüber ZDFheute erklärt es Enisa Klepo so:
Immer öfter Demonstrationen - Frauen fordern Ende von Femiziden
Diese Furchtlosigkeit führt dazu, dass der Hotelbetreiber jetzt vor Gericht steht. Dass ein Mann sich für Gewalt gegen eine Frau vor Gericht verantworten muss, ist in Bosnien und Herzegowina eine kleine Sensation. Am ersten Prozesstag weist der Angeklagte die Vorwürfe von sich und erklärt sich für "nicht schuldig!".
Viele Frauen auf dem ganzen Balkan haben sich mit Enisa Klepo solidarisiert. Mittlerweile treibt die Gewalt gegen Frauen in Bosnien und Herzegowina immer mehr von ihnen regelmäßig auf die Straße. Eine Gewalt, die oft mit dem Tod der Frau endet, einem Femizid.
Protest in Sarajevo
Eine Protestteilnehmerin hält ein Schild mit der Aufschrift: "Dies ist eine öffentliche Angelegenheit".
Quelle: ZDF
Bewusstsein für Gewaltproblem wächst - auch bei Männern
Anesa Karaselimović sagt auf einer Demonstration in Sarajevo gegenüber ZDFheute: "Ich bin hier, wie alle diese Frauen, die hinter und neben mir stehen, weil diese Gesellschaft endlich das Problem der Gewalt und vor allem das Problem der Femizide dauerhaft lösen muss."
… endet immer wieder mit dem Tod der Frau. Im August brachte ein Mann in Gradačac seine Ex-Frau vor laufender Kamera um und tötete danach zwei Passanten und sich selbst.
Diese allgegenwärtige Gewalt erklären viele mit den Balkan-Kriegen vor dreißig Jahren. Aus der Gewalt des Bürgerkriegs sei die häusliche Gewalt geworden, erklärt die Regisseurin Jasmila Žbanić:
"Wir hatten Krieg, eine reine Männersache. Das setzt sich jetzt zu Hause fort. Bosnien-Herzegowina ist zutiefst patriarchalisch, das muss sich ändern."
Diese allgegenwärtige Gewalt erklären viele mit den Balkan-Kriegen vor dreißig Jahren. Aus der Gewalt des Bürgerkriegs sei die häusliche Gewalt geworden, erklärt die Regisseurin Jasmila Žbanić:
"Wir hatten Krieg, eine reine Männersache. Das setzt sich jetzt zu Hause fort. Bosnien-Herzegowina ist zutiefst patriarchalisch, das muss sich ändern."
Auf Plakaten, die sie in Sarajevo jeden Monat zeigen, stehen unter anderem Fragen im Stil einer Traueranzeige: "Wer ist die Nächste?" oder Slogans wie: "Dies ist eine öffentliche Angelegenheit!"
Das zeigt, dass das Bewusstsein für das Gewaltproblem wächst in Bosnien und Herzegowina, zumindest unter den Frauen und einigen Männern, die gegen diesen Missstand immer wieder protestieren.
Oliver Heuchert berichtet aus dem ZDF-Studio in Wien.
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