Nach Fall von Awdijiwka: Angst im ostukrainischen Selydowe

    Ukraines Rückzug aus Kleinstadt:Nach Fall von Awdijiwka: Gehen oder bleiben?

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    Die kleine Industriestadt Awdijiwka war für die Ukraine ein Symbol des Widerstands - nun ist sie an russische Truppen gefallen. Auch in den umliegenden Orten ist die Angst groß.

    Im Osten hat sich die Armee aus Awdijiwka vorerst zurückgezogen, denn die Stadt ist von den russischen Soldaten umstellt.
    Im Osten hat sich die ukrainische Armee aus Awdijiwka vorerst zurückgezogen. Die Stadt ist von den russischen Soldaten eingekreist.17.02.2024 | 1:34 min
    Tage nach dem Angriff liegt noch immer ein beißender Geruch in der kalten Winterluft in Selydowe. "Es war ein Albtraum", sagt Olena Obodez, als sie vom Beschuss der Klinik vergangene Woche erzählt.
    Die Kämpfe rücken wieder näher an die ostukrainische Stadt. Und seit das benachbarte Awdijiwka am Wochenende an die russischen Angreifer fiel, denken viele Menschen in Selydowe an Flucht.

    "Meine Tochter bittet mich jeden Tag, zu gehen"

    "Sie reden darüber, ob sie sich evakuieren lassen sollen oder nicht", sagt Obodez während in der Ferne die Artillerie dumpf dröhnt. "Die Leute haben Angst. Meine Tochter bittet mich jeden Tag, zu gehen." Doch noch will die 42-Jährige bleiben - obwohl sie den Angriff am Mittwoch aus nächster Nähe erlebte.
    Obodez arbeitet seit acht Jahren in dem nun beschossenen Krankenhaus. Als die Rakete mitten in der Nacht in der Entbindungsstation einschlug, eilte sie zur Klinik, um die Patientinnen und Patienten in Sicherheit zu bringen.

    Menschen sterben bei Angriff in Klinik

    Für eine Schwangere sowie eine Mutter und ihren neunjährigen Sohn kam die Hilfe zu spät. Als Obodez vom eingestürzten Dach und der in Flammen stehenden Klinik erzählt, kommen ihr die Tränen.
    Jetzt vernageln Stadtangestellte die kaputten Fenster des Krankenhauses, drinnen sammeln Klinikmitarbeiter zwischen Glassplittern und verbogenem Metall medizinisches Material in Einkaufstüten, das nach dem Angriff noch brauchbar ist.
    Katrin Eigendorf
    Die ukrainische Armee sei an der Front in einer "verzweifelten Verteidigungshaltung". Den Krieg weiterzuführen sei trotz dieser Lage "alternativlos", so ZDF-Reporterin Eigendorf. 15.02.2024 | 4:12 min

    Angst in Städten um Awdijiwka

    Selydowe liegt rund 30 Kilometer östlich der Industriestadt Awdijiwka, aus der sich die ukrainischen Truppen am Samstag nach monatelangen schweren Kämpfen zurückzogen.
    Die Niederlage wirft bei den Bewohnern der umliegenden Städte und Dörfer quälende Fragen auf: Müssen sie jetzt fliehen? Oder können sie noch hoffen, dass ihre Soldaten sie schützen?

    Auch Polizeibeamte fliehen

    Es ist Aufgabe der Polizei, die Zivilisten aus dem immer gefährlicher werdenden Gebieten zu evakuieren. Einige Beamte sind selbst geflohen - aus den inzwischen von Russland besetzen Regionen.
    Wegen der russischen Luftangriffe und Vorstöße verließen immer mehr Menschen die Gegend, sagt Oleksandra Gawrylko, die Sprecherin der Regionalpolizei, ohne jedoch Zahlen zu nennen. Eigentlich hätten die Menschen schon vor einem Jahr gehen sollen, sagt sie.

    Jetzt evakuieren wir öfter getötete Zivilisten, damit ihre Familien sie beerdigen können.

    Oleksandra Gawrylko, Sprecherin der Regionalpolizei

    Ukraine: Reha-Klinik für Soldaten
    In Odessa ist ein ehemaliges Krankenhaus zu einer Reha-Einrichtung für Soldaten geworden. 19.02.2024 | 1:43 min

    Einige wagen sich in ihre beschossenen Häuser zurück

    Neben dem sowjetischen Denkmal aus dem Zweiten Weltkrieg in Selydowe wagen sich ein paar Menschen in die immer noch schwelenden Häuser zurück, die eine Stunde vor dem Krankenhaus getroffen worden waren.
    Sie versuchen, alles aus ihren Wohnungen zu retten, was noch zu retten ist. Panisch schleppt eine Frau Säcke voller Habseligkeiten aus dem Haus. Sie werde trotzdem in Selydowe bleiben, sagt sie. Ihre Tochter hingegen will nur noch weg.

    Staatsanwältin wieder auf der Flucht

    Auch Olena Osadtscha, eine 40 Jahre alte Staatsanwältin, hat sich zur Flucht entschlossen. Es ist bereits ihre zweite, denn eigentlich stammt sie aus der Regionalhauptstadt Donezk, die pro-russische Separatisten bereits vor zehn Jahren einnahmen.
    Die Behörden boten Osadtscha Arbeit im weiter westlich gelegenen Dnipro an. "Aber ich möchte nicht nach Dnipro gehen. Dort ist es auch nicht sicher", sagt sie.
    Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
    Präsident Selenskyj hat die ukrainischen Soldaten an der Front besucht. Er berichtet von Problemen und beklagt einen Mangel an Material. 19.02.2024 | 1:34 min

    Einige Bewohner zum Bleiben entschlossen

    Fast zwei Dutzend der 350 Angestellten wollten nach dem jüngsten Angriff im Ukraine-Krieg die Stadt verlassen, sagt Oleg Kiatschko, der Leiter des zerstörten Krankenhauses. "Wir alle denken darüber nach, wo wir Zuflucht finden könnten. Aber wenn es nötig ist, dass wir jetzt hier sind, dann bleiben wir hier", sagt der 46-Jährige.

    Ich werde vorerst nirgendwo hingehen.

    Oleg Kiatschko, Leiter des zerstörten Krankenhauses

    Auch andere Bewohner scheinen entschlossen, auf jeden Fall in Selydowe zu bleiben - zum Beispiel jene, die diesen Monat ein Sushi-Restaurant wiedereröffneten.
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    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Auf dem Bild sieht man ukrainische Soldaten von hinten.
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    Quelle: AFP

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