Freigabe für Lecanemab:EU lässt Wirkstoff gegen Alzheimer zu
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Etwa eine Million Menschen in Deutschland haben Alzheimer. Nun ist in der EU erstmals eine Therapie zugelassen, die Krankheitsprozesse bekämpft - geeignet ist sie nur für wenige.
Schon im November hatte die europäische Arzneimittel-Behörde EMA die Zulassung des Antikörpers Lecanemab empfohlen.
Quelle: Imago / Imagn Images
Die Europäische Kommission hat erstmals eine Alzheimer-Therapie zugelassen, die auf zugrundeliegende Krankheitsprozesse abzielt. Der Antikörper Lecanemab sei für eine Behandlung im frühen Stadium und das erste Medikament dieser Art, das in der EU zugelassen werde, teilte die Kommission mit. Fachleuten zufolge kommt aber nur ein sehr kleiner Teil der Alzheimer-Patienten für diese Therapie infrage.
Das Medikament, das in einigen Monaten verfügbar sein könnte, soll die Krankheit verlangsamen. Die Zulassung unterliegt laut EU-Kommission strengen Auflagen. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass der Nutzen des Arzneimittels bei einer bestimmten Gruppe von Patienten und unter bestimmten Voraussetzung die Risiken überwiege.
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Was beim Lecanemab-Wirkstoff anders ist
Die Brüsseler Behörde folgte mit der Zulassung der Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Bisherige Alzheimer-Therapien behandeln nur Symptome der Krankheit, nicht ursächliche Prozesse im Gehirn.
Das ist bei Lecanemab anders: Der Antikörper richtet sich gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und soll dadurch den Verlauf der Krankheit in einem frühen Stadium verlangsamen. Um Heilung oder Verbesserung geht es allerdings auch bei diesem Wirkstoff nicht - ein solches Mittel ist weiterhin nicht in Sicht.
Zugelassen ist Lecanemab nur zur Behandlung von leichter kognitiver Beeinträchtigung (Gedächtnis- und Denkstörungen) oder leichter Demenz in einem frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit. Der Grund ist, dass eine Entfernung der Amyloid-Plaques nichts mehr nützt, wenn diese schon irreversible Schäden im Gehirn angerichtet haben.
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Hinzu kommt eine weitere Einschränkung: Das Mittel soll nur für diejenigen Alzheimer-Patienten verwendet werden, die eine oder keine Kopie von ApoE4, einer bestimmten Form des Gens für das Protein Apolipoprotein E, haben. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit für bestimmte schwerwiegende Nebenwirkungen - Schwellungen und Blutungen im Gehirn - geringer als bei Menschen mit zwei ApoE4-Kopien.
Lecanemab wird als Infusion alle zwei Wochen verabreicht. Bei gut einem Viertel der Patienten kam es unter Lecanemab zu infusionsbedingten Reaktionen wie Schüttelfrost, Übelkeit oder Hautausschlag.
Bei 13 Prozent der Studienteilnehmer, die den Wirkstoff erhielten, verursachte er begrenzte Hirnschwellungen (Hirnödeme). Bei 17 Prozent traten - meist kleine - Blutungen in bestimmten Bereichen im Gehirn auf. Die Hirnveränderungen waren in der Mehrzahl der Fälle nur in der Kernspin-Tomografie (MRT) des Gehirns nachweisbar und verursachten keine klinischen Symptome.
Bei rund drei Prozent der Studienteilnehmenden, die Lecanemab erhielten, ging eine Hirnschwellung jedoch auch mit klinischen Symptomen einher, zumeist mit Kopfschmerzen, Sehstörungen und Verwirrtheit.
Bei 0,7 Prozent der mit Lecanemab behandelten Teilnehmenden trat eine große Hirnblutung mit zum Teil schweren neurologischen Symptomen auf.
Quelle: Faktencheck der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V.
Nur sehr wenige kommen für Therapie infrage
Von den geschätzt etwa 1,2 Millionen Alzheimer-Erkrankten in Deutschland kommt Experten des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) zufolge letztlich nur ein sehr kleiner Teil für die neue Therapie infrage. Als frühe Phase - und damit die mögliche Phase für eine Antikörpertherapie - sind demnach die ersten drei Jahre zu werten. Das sind in Deutschland aktuell schätzungsweise etwa 250.000 Menschen.
80 Prozent davon kommen mit Blick auf ApoE4 infrage. Nicht jeder dieser Patienten erfüllt aber alle Voraussetzungen für die Therapie und ist zudem daran interessiert. Konservativ geschätzt sind es Experten zufolge etwa zehn Prozent. In der Summe dieser Faktoren könnten das etwa 20.000 Patienten sein.
Bei Frauen ist der beobachtete klinische Effekt allerdings noch einmal deutlich geringer als bei Männern - ihr Risiko für Nebenwirkungen hingegen höher. Ob sie überhaupt von einer Behandlung profitieren, ist der Alzheimer Forschung Initiative zufolge noch unklar. Rund zwei Drittel aller Menschen mit Alzheimer sind Frauen.
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Hohe Kosten und mangelnde Kapazitäten
Ausreichend Kapazitäten für die nun zugelassene Therapie gibt es bisher wohl nicht. Der Neurologe Özgür Onur von der Uniklinik Köln erklärt:
Ich gehe bei uns in Köln von um die 100 Patienten aus, die wir pro Jahr behandeln können. Und wir sind ein großes Zentrum.
„
Özgür Onur, Neurologe von der Uniklinik Köln
Unklar sind auch die Medikamentenkosten für Lecanemab in Europa. In den USA seien es etwa 26.500 US-Dollar (ca. 23.000 Euro) jährlich pro Patient, hatte Johannes Levin vom DZNE Ende letzten Jahres gesagt. Hinzu kommen demnach im Vorfeld einmalige Kosten für die Diagnostik in Höhe von geschätzt 1.400 bis 5.000 Euro.
Die Kosten für die Verabreichung des Medikaments lägen groben Schätzungen zufolge bei etwa 6.000 bis 8.000 Euro jährlich, sagte der Experte. Lecanemab wird als intravenöse Infusion alle zwei Wochen verabreicht.
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