Lecanemab: Keine Zulassung für Leqembi in Deutschland

    Keine EU-Zulassung für Leqembi:Alzheimer: Wie geht es weiter mit Lecanemab?

    von Anja Baumann
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    Alzheimer zumindest verlangsamen - diese Hoffnung ruht auf dem neuen Antikörper Lecanemab. Doch die EMA verweigerte die Zulassung in Deutschland. Was das für Betroffene bedeutet.

    Schock am Welt-Alzheimer-Tag
    Viele Betroffene hoffen, Alzheimer endlich behandeln zu können. Die Enttäuschung ist groß, dass ein neues Medikament in Deutschland nicht zugelassen wurde.20.09.2024 | 5:28 min
    Das Medikament Leqembi mit dem Wirkstoff Lecanemab ist einer der großen Hoffnungsträger im Kampf gegen Alzheimer. Doch die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) entschied sich im Juli 2024 gegen die Zulassung in der EU und Deutschland. Die zu erwartende Wirkung würde das Risiko von schweren Nebenwirkungen nicht aufwiegen, so die Begründung.
    Der US-Hersteller Biogen und sein japanischer Partner Eisai hatten den Antrag für die Zulassung des monoklonalen Antikörpers in Europa gestellt. Er ist seit Juli 2023 in den USA und unter anderem in Japan, China sowie mit Einschränkungen auch in Großbritannien zugelassen.

    In Deutschland leben derzeit etwa 1,8 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen. Etwa zwei Drittel davon werden in der häuslichen Umgebung von Angehörigen betreut und gepflegt.

    Jährlich erkranken rund 300.000 Menschen neu. Ungefähr 60 Prozent davon haben eine Demenz vom Typ Alzheimer.

    Die Zahl der Demenzerkrankten wird bis 2050 auf 2,4 bis 2,8 Millionen steigen, sofern kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingt.

    Quelle: Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V.

    Risiko durch Nebenwirkungen
    :EU lässt Alzheimer-Medikament Leqembi nicht zu

    Die europäische Arzneimittelbehörde EMA lässt das Alzheimer-Medikament Leqembi nicht zu. Nebenwirkungen wie eine lebensgefährliche Hirnschwellung seien zu schwerwiegend.
    "Leqembi"- das Alzheimermedikament

    Was Antikörper bei Alzheimer bewirken

    Die Behandlung mit Antikörpern wird als Durchbruch in der Alzheimerforschung angesehen, weil diese erstmals an einer der möglichen Ursachen der Erkrankung ansetzt - den gefährlichen Protein-Ablagerungen im Gehirn, sogenannten Beta-Amyloid-Plaques, die für das unwiederbringliche Absterben von Nervenzellen mitverantwortlich sind.

    Alzheimer ist eine Erkrankung mit einem chronischen Verlauf, die eine besondere Dramatik in sich trägt, weil man das individuelle Menschsein verliert.

    Prof. Dr. Lutz Frölich, Gerontopsychiater

    Bislang können bei Alzheimer lediglich Symptome und Begleiterscheinungen behandelt werden. Aufhalten oder gar heilen lässt sich die Krankheit nicht.

    Studien mit monoklonalen Antikörpern wie Lecanemab

    Monoklonale Antikörper stehen aktuell im Fokus der Alzheimer-Forschung. Ziel sei es, krankmachende Proteine und ihr Verklumpen zu reduzieren und das Voranschreiten von Symptomen der Alzheimer Erkrankung zu verlangsamen, erklärt Lutz Frölich, Mitautor einer großen Studie zu Lecanemab und Leiter der Abteilung Gerontopsychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.
    Mehrere monoklonale Antikörper sind in klinischen Studien getestet worden, doch nur drei zeigten eine klinische Wirksamkeit, darunter Lecanemab. Bestehende Symptome konnten bei den Studienteilnehmern zwar nicht verbessert, der geistige Abbau aber um bis zu 27 Prozent verlangsamt werden.
    Die Therapie eignet sich jedoch nur für eine kleine Gruppe von Patienten im Frühstadium der Erkrankung, die die typischen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn aufweisen. Lecanemab wirkt gezielt gegen diese Ablagerungen. Allerdings birgt die Therapie bei einigen Alzheimer-Patienten das Risiko für Nebenwirkungen wie ein Hirnödem.

    Bei gut einem Viertel der Patienten kam es unter Lecanemab zu infusionsbedingten Reaktionen wie Schüttelfrost, Übelkeit oder Hautausschlag. Bei 13 Prozent der Studienteilnehmer, die den Wirkstoff erhielten, verursachte er begrenzte Hirnschwellungen (Hirnödeme). Bei 17 Prozent traten - meist kleine - Blutungen im Gehirn auf. Die Hirnveränderungen waren in der Mehrzahl der Fälle nur in der Kernspin-Tomografie (MRT) des Gehirns nachweisbar und verursachten keine klinischen Symptome.

    Bei rund drei Prozent der Studienteilnehmenden, die Lecanemab erhielten, ging eine Hirnschwellung jedoch auch mit klinischen Symptomen einher, zumeist mit Kopfschmerzen, Sehstörungen und Verwirrtheit.

    Bei 0,7 Prozent der mit Lecanemab behandelten Teilnehmenden trat eine große Hirnblutung mit zum Teil schweren neurologischen Symptomen auf.

    Quelle: Faktencheck der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V.

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    Genetischer Risikofaktor für Nebenwirkungen bei Lecanemab

    Die Gefahr für Nebenwirkungen besteht vor allem bei Betroffenen mit einer bestimmten Veranlagung für die Krankheit.

    Die Risiken hängen deutlich davon ab, was für eine genetische Ausstattung man als Patient hat.

    Prof. Dr. Lutz Frölich, Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim

    So gebe es für Alzheimer einen Risikofaktor, das sogenannte Apolipoprotein E. Trete dies in der Variante 4 auf, verdoppele sich das Risiko, solche Nebenwirkungen zu bekommen gegenüber Betroffenen, die diese Variante nicht tragen, erklärt Frölich.
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    Wie geht es mit Lecanemab weiter?

    Nach der Ablehnung durch die EMA hat der Hersteller eine erneute Prüfung der EU-Zulassung beantragt.
    In Großbritannien wurde Lecanemab mit Einschränkungen zugelassen. Betroffene mit dem genetischen Risikofaktor dürfen nicht damit behandelt werden.
    Für die Zulassung in der EU könnte Großbritanniens Mittelweg ein Vorbild sein. Es sei ein guter Weg, wie man jetzige Daten deutlich verbessern kann, so Fröhlich.
    Sollte Leqembi in Europa nicht zugelassen werden, gehe die Forschung an Antikörpern trotzdem weiter. Das Feld der Alzheimer-Erkrankung sei hochdynamisch, erklärt Frölich. Man habe gerade eine Studie mit einem neuen Antikörper begonnen, der ähnlich wirke. Daneben gibt es andere Ansätze, wie man die Eiweißablagerungen im Gehirn beeinflussen kann.
    Anja Baumann ist Redakteurin der ZDF-Sendung "Volle Kanne - Service täglich".

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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