Alzheimer-Demenz:Ab wann vergesslich krank bedeutet
von Gunnar Fischer
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Die Angst vor einer Alzheimer-Erkrankung ist groß. Aber was unterscheidet altersbedingte Vergesslichkeit von dieser Demenz-Form? Wie Biomarker bei der Diagnose für Klarheit sorgen.
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Wo habe ich bloß mein Auto geparkt? Wo liegt nur meine Brille? Wann war nochmal der Arzttermin? Gedächtnislücken wie diese kennt fast jeder. Bis zu einem gewissen Grad ist zunehmende Vergesslichkeit eine Begleiterscheinung des Alterns oder kann auch ein Symptom von Stress sein.
Doch die Abgrenzung zwischen normaler Vergesslichkeit und den ersten Erscheinungen einer Alzheimer-Erkrankung ist gerade im Frühstadium schwierig.
"Wenn aber die Vergesslichkeit im Alltag lästig wird und wenn andere Leute einen deswegen darauf bereits ansprechen, dann sollte man das ärztlich abklären lassen", empfiehlt Lutz Frölich vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.
Demenz-Test: Biomarker sorgen für Klarheit
Bei der Diagnosestellung kommen Demenz-Tests zum Einsatz, mit denen die Gedächtnisleistung geprüft wird. Weitere Hinweise liefert die Liquordiagnostik, die Veränderungen im Nervenwasser aufzeigen kann. Bei Alzheimer sterben Nervenzellen im Gehirn ab.
Als eine mögliche Ursache gelten Eiweiß-Ablagerungen, sogenannte Amyloid-Plaques. Mit der sogenannten Positronen-Emissions-Tomographie (PET) können diese zerstörerischen Amyloid-Ablagerungen über spezielle Biomarker sichtbar gemacht werden. Die PET-Untersuchung kommt aus Kostengründen aber nur in klinischen Studien zur Anwendung.
Mit Hilfe von weiteren bildgebenden Verfahren wie dem MRT lässt sich zudem das Ausmaß möglicher Schädigungen im Gehirn darstellen. Für Alzheimer-Forscher Frölich sind die speziellen Biomarker eine große Errungenschaft: "Da hat es wirklich sehr geholfen, dass man die sogenannte Biomarker entwickeln konnte, dass man diese Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn entweder über die PET-Untersuchung sichtbar machen oder durch eine Nervenwasser-Untersuchung im Labor nachweisen kann."
Diagnose Demenz: Eine schwerer Einschnitt ins Leben - für Erkrankte, aber auch fürs Umfeld. Tipps für Angehörige zum Umgang mit der Krankheit, Hilfe und Vorbereitung.
Interview
Alzheimer entsteht lange, bevor Symptome auftreten
Das Erschreckende: Laut neuesten Erkenntnissen bilden sich die krankheitstypischen Eiweiß-Ablagerungen bereits 20 bis 40 Jahre, bevor erste Symptome wie Vergesslichkeit, Verwirrtheit oder Orientierungslosigkeit auftreten. Das macht die Therapie so schwierig, denn eigentlich müssten Menschen medikamentös behandelt werden, die noch keinerlei Symptome aufweisen und bei denen noch viele intakte Nervenzellen existieren.
In der Regel suchen Betroffene aber erst dann den Arzt auf, wenn sie bereits Symptome haben. In diesem Krankheitsstadium ist der Nervenzellverlust jedoch bereits so weit fortgeschritten, dass er nicht mehr zu stoppen ist. Denn abgestorbene Nervenzellen sind für immer verloren.
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Sechs Tipps, um Alzheimer vorzubeugen
Laut Studien bietet besonders die mediterrane Ernährung, die aus viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Nüssen und nativem Olivenöl besteht, einen wirksamen Schutz vor der Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung. Auch der Konsum von Fisch, vor allem von fetteren Meeresfischen, soll das Demenz-Risiko senken. Verarbeitetes Fleisch, wie Wurst und Schinken, soll hingegen das Risiko erhöhen.
Viele wissenschaftliche Arbeiten konnten im Sport eine effektive Präventionsmaßnahme gegen Alzheimer nachweisen. Sport sorgt für fitte Gehirnzellen. Denn durch die Bewegung wird das Gehirn optimal mit Blut und Sauerstoff versorgt. Außerdem führt regelmäßige Bewegung zur Gewichtsreduktion. Starkes Übergewicht und ungünstige Blutfettwerte werden als Risikofaktoren für die Entwicklung einer Demenz diskutiert.
03.04.2023 | 27:00 min
Wie zahlreiche Untersuchungen belegen, schützt geistige Aktivität vor der Alzheimer-Demenz. Es wurde erkannt, dass mit vermehrter Hirnaktivität die Nervenzellen angeregt werden, was zu intensiveren und neuen Vernetzungen im Gehirn führt. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von einer verbesserten "Plastizität des Gehirns". Um das Gehirn zu trainieren, wird das Lösen von Kreuzworträtseln, das Erlernen einer neuen Sprache oder beispielsweise das Üben eines Musikinstrumentes empfohlen.
Das Pflegen von sozialen Kontakten ist eine weitere wichtige Präventionsmaßnahme, denn der Kontakt mit anderen Menschen regt ebenfalls den Geist an. Dank sozialer Kontakte wird das Sprachvermögen, die Gedächtnisleistung und die Fähigkeit, sich mit seinen Mitmenschen auseinander setzen zu müssen, geschult.
Auch Raucherinnen und Raucher sind stärker gefährdet, eine Demenz zu entwickeln. Schließlich ist Nikotin ein Nerven- und Zellgift, das auch Gefäße im Gehirn schädigen kann. Wissenschaftliche Beobachtungen zeigen, dass es bei Rauchern langfristig zu einer Blut- und Sauerstoffunterversorgung im Gehirn und im Hirngewebe kommt. Alkohol ist ebenfalls ein Zellgift. Er sollte daher nur in geringen Maßen konsumiert werden.
Das Demenzrisiko kann durch verschiedene bakterielle und virale Infektionen ansteigen. Experten empfehlen daher Routineimpfungen gegen Tetanus-Diphtherie, Herpes, Pneumokokken und Influenza, die das Alzheimer-Risiko herabsetzen können. Auch die regelmäßige Kontrolle des Blutdrucks ist wichtig. Denn Bluthochdruck gilt als Risikofaktor für Alzheimer. Diabetiker gelten auch als gefährdet. Sie sollten ihre Zuckerwerte immer optimal einstellen.
Verlauf der Alzheimer-Erkrankung
Bei der Alzheimer-Erkrankung kommt es zu einem geistigen Abbau, der sich mit anfänglicher Vergesslichkeit bis zum totalen Kontrollverlust zeigt, wie Frölich bei seinen Alzheimer-Patienten beobachtet: "Das weitet sich über die Jahre hinweg aus. Man kann sich nicht mehr gut orientieren, gewisse Räumlichkeiten nicht mehr gut erkennen oder findet nicht mehr die richtigen Worte."
Drei Stadien der Alzheimer-Demenz
Zu Beginn der Erkrankung treten nur leichte kognitive Störungen auf. Bei den Betroffenen kommt es zu ersten Beeinträchtigungen im Kurzzeitgedächtnis. Sowohl die Merkfähigkeit als auch das Sprachvermögen nehmen ab. Typischerweise verlieren Betroffene mitten im Satz den "Faden" und können den Satz nicht mehr zu Ende bringen. Zudem gibt es Probleme bei der räumlichen und zeitlichen Orientierung. Auch alltägliche Herausforderungen, wie etwa eine Banküberweisung, kostet sie viel Mühe. Die Patienten bemerken in dieser Phase, dass sie des Öfteren nicht mehr "Herr ihrer Sinne" sind. Die Folgen sind sozialer Rückzug, Stimmungsschwankungen, Depressionen und leichte Reizbarkeit.
In diesem Stadium gibt es sowohl Defizite im Kurzzeitgedächtnis als auch im Langzeitgedächtnis. Betroffene haben massive Erinnerungslücken und können sich nicht mehr an bedeutende Ereignisse aus ihrem Leben erinnern, wie beispielsweise ihre eigene Hochzeit. Nur frühe Lebensereignisse aus der Kindheit und Jugend kehren schlaglichtartig ins Gedächtnis zurück. Bezeichnenderweise können Betroffene zwar noch Lieder oder Gedichte aus ihrer Kindheit vortragen, viele Dinge des alltäglichen Lebens sind jedoch für sie nicht mehr präsent. Der Verlust der Selbständigkeit macht sie hilfsbedürftig. Durch den allmählichen Ausfall des Langzeitgedächtnisses gehen auch Erinnerungen an den früher ausgeübten Beruf verloren. Auch Familienmitglieder werden nicht mehr erkannt, was eine große Belastung für die Angehörigen darstellt. Die Hilflosigkeit der Patienten findet Ausdruck in einer erhöhten Gereiztheit, Misstrauen und aggressivem Verhalten.
Das letzte Stadium ist von Kontrollverlust und einer Wesensänderung der Persönlichkeit geprägt. Die Patienten bauen in dieser Phase auch körperlich immer stärker ab. Sie werden zunehmend bettlägerig, weil sie scheinbar einfache Tätigkeiten nicht mehr beherrschen. Viele stellen das Sprechen ein. Auch die Mobilität ist stark eingeschränkt und die Betroffenen sind meist rund um die Uhr pflegebedürftig. Die Anfälligkeit für Infektionen und andere lebensbedrohende Erkrankungen ist groß.
Bernhard (55) gehört zu den 1,6 Millionen Menschen in Deutschland, die an Demenz erkrankt sind. Familie und Freunde wollen ihm möglichst lange das gewohnte Umfeld bieten.16.05.2022 | 28:37 min
Alzheimer-Medikament verzögert Fortschreiten der Krankheit
Je früher die Krankheit entdeckt wird, desto besser lässt sie sich hinauszögern. Das gilt insbesondere für die medikamentöse Therapie.
Aktuelle Studien zeigen, dass neu entwickelte Antikörper-Wirkstoffe das Fortschreiten der Alzheimer-Demenz verzögern können. Die Substanzen zielen darauf ab, die schädlichen Eiweißablagerungen im Gehirn zu beseitigen. Sie sind damit in der Lage, direkt in den ursächlichen Krankheitsprozess einzugreifen und somit zumindest den Status Quo zu erhalten, während mit bisherigen Medikamenten nur die Symptome behandelt werden konnten.
Die Pflege älterer Menschen mit Demenz ist ein wachsendes gesellschaftliches Problem. Wie kann den Betroffenen - Erkrankten wie Angehörigen - ein erfülltes Leben ermöglicht werden?23.12.2022 | 43:41 min