Welt-Alzheimertag: Was Demenz für die Angehörigen bedeutet
"Dramatische Veränderungen":Demenz: Was das für die Angehörigen bedeutet
von Emina Mujagić
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Mit 55 Jahren bekommt Peggy Elfmanns Mutter die Diagnose Alzheimer. Peggy pflegt ihre Mutter 13 Jahre lang bis zu deren Tod im Januar 2024. Wie sie die Krankheit erlebt hat.
Die Diagnose Demenz bedeutet auch für nahe Verwandte, die die Betroffenen pflegen, "dramatische Veränderungen". (Symbolbild)
Quelle: Oliver Killig/dpa-Zentralbild/dpa
Peggy Elfmann nahm vor 13 Jahren bei ihrer Mutter drastische Veränderungen wahr: Sie war einfach "nicht mehr wie immer". Zu diesem Zeitpunkt ging die Familie von "einfacher Überarbeitung" aus. Doch dann kam die Diagnose: "Die Mama war 55 Jahre alt und hatte viel Stress im Job."
Peggy ist zu dem Zeitpunkt Anfang 30, hat eine kleine Tochter und arbeitet als freie Journalistin. Anfangs sei ihr gar nicht bewusst gewesen, was das jetzt bedeute, was auf sie zukomme.
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Demenz: Fast zwei Millionen Erkrankte in Deutschland
Bei ihr und den anderen Angehörigen der Mutter sei plötzlich diese große Angst und Unsicherheit dagewesen. "Wir haben uns weiter durchgewurschtelt".
Damit ist die Familie bei Weitem nicht allein: Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft lebten in Deutschland Ende 2023 rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Die häufigste Demenzursache ist die Alzheimer-Krankheit.
Bei dieser Krankheit kommt es zu einer Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten und zu schwerwiegenden Symptomen. Dazu gehören Gedächtnis- und Orientierungsprobleme, Sprachstörungen, Minderung des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit.
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Ist eine Heilung in Sicht?
Weltweit arbeiten Forscher*innen an Therapieansätzen, um Demenzerkrankungen wie Alzheimer behandeln und heilen zu können. In den letzten Jahren habe es sehr viele Fortschritte gegeben, doch die Suche nach wirksamen Behandlungsansätzen und Medikamenten sei immer noch schwierig, erklärt die Alzheimer Forschung Initiative.
Stadien der Alzheimer-Demenz
Zu Beginn der Erkrankung treten nur leichte kognitive Störungen auf. Bei den Betroffenen kommt es zu ersten Beeinträchtigungen im Kurzzeitgedächtnis. Sowohl die Merkfähigkeit als auch das Sprachvermögen nehmen ab. Typischerweise verlieren Betroffene mitten im Satz den "Faden" und können den Satz nicht mehr zu Ende bringen. Zudem gibt es Probleme bei der räumlichen und zeitlichen Orientierung. Auch alltägliche Herausforderungen, wie etwa eine Banküberweisung, kostet sie viel Mühe. Die Patienten bemerken in dieser Phase, dass sie des Öfteren nicht mehr "Herr ihrer Sinne" sind. Die Folgen sind sozialer Rückzug, Stimmungsschwankungen, Depressionen und leichte Reizbarkeit.
In diesem Stadium gibt es sowohl Defizite im Kurzzeitgedächtnis als auch im Langzeitgedächtnis. Betroffene haben massive Erinnerungslücken und können sich nicht mehr an bedeutende Ereignisse aus ihrem Leben erinnern, wie beispielsweise ihre eigene Hochzeit. Nur frühe Lebensereignisse aus der Kindheit und Jugend kehren schlaglichtartig ins Gedächtnis zurück. Bezeichnenderweise können Betroffene zwar noch Lieder oder Gedichte aus ihrer Kindheit vortragen, viele Dinge des alltäglichen Lebens sind jedoch für sie nicht mehr präsent. Der Verlust der Selbständigkeit macht sie hilfsbedürftig. Durch den allmählichen Ausfall des Langzeitgedächtnisses gehen auch Erinnerungen an den früher ausgeübten Beruf verloren. Auch Familienmitglieder werden nicht mehr erkannt, was eine große Belastung für die Angehörigen darstellt. Die Hilflosigkeit der Patienten findet Ausdruck in einer erhöhten Gereiztheit, Misstrauen und aggressivem Verhalten.
Das letzte Stadium ist von Kontrollverlust und einer Wesensänderung der Persönlichkeit geprägt. Die Patienten bauen in dieser Phase auch körperlich immer stärker ab. Sie werden zunehmend bettlägerig, weil sie scheinbar einfache Tätigkeiten nicht mehr beherrschen. Viele stellen das Sprechen ein. Auch die Mobilität ist stark eingeschränkt und die Betroffenen sind meist rund um die Uhr pflegebedürftig. Die Anfälligkeit für Infektionen und andere lebensbedrohende Erkrankungen ist groß.
Wie das Statistische Bundesamt zum Welt-Alzheimertag am 21. September 2024 mitteilt, hat sich die Zahl der Todesfälle binnen 20 Jahren infolge der unheilbaren Demenzerkrankung fast verdoppelt. Im Jahr 2023 starben rund 10.100 Menschen in Deutschland an einer Alzheimer-Erkrankung, 2003 waren es rund 5.100.
Deutsche Alzheimer Gesellschaft: Angehörige nicht alleine lassen
Peggys Vater war zum Zeitpunkt der Diagnose bereits im Ruhestand - für ihn sei sofort klar gewesen, dass er sich um seine Ehefrau kümmern würde, erzählt Peggy.
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft geht davon aus, dass die meisten Menschen mit Demenz in privaten Haushalten leben und von Angehörigen, vor allem den Ehepartner*innen, Töchtern und Schwiegertöchtern betreut und gepflegt werden.
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Dies verlange von den Angehörigen viel Engagement, Verzicht auf Freizeit und die Bereitschaft gegebenfalls "rund-um-die-Uhr" zu begleiten und zu unterstützen. Als besonders belastend werde es empfunden, wenn problematische Verhaltensweisen, wie Aggressivität, Schreien oder Wahnvorstellungen bei den Erkrankten hinzukomme.
Viele seien sich gar nicht bewusst, was so eine Diagnose für die Angehörigen bedeute, so Jörg Fröhlich, Vorsitzender der Alzheimer Gesellschaft in Augsburg. Hier werden unter anderem Seminare angeboten, wo sich die Angehörigen austauschen können.
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Angehörige: Erkrankte "wollen Normalität"
Peggy und ihre Familien wollten am Anfang alles allein schaffen. Ansonsten hätte sie das schlechte Gefühl gehabt, es nicht geschafft zu haben, wenn sie "Hilfe annehme".Die Idee eines Tagepflegedienstes sei noch in weiter Ferne gewesen, so Peggy.
Damals haben sie einfach schauen müssen, was gibt es, was passt und vor allem, wie finanziere man das. Sie fing an, sich auch online mit anderen Angehörigen auszutauschen. Denn ihr hätte vor allem ein Austausch darüber gefehlt, wie lange sich eine Alzheimer-Krankheit ziehe.
Anfang des Jahres treffen Peggy und ihre Familie eine Entscheidung: Ihre Mutter soll ins Heim ziehen. Es sei nicht leicht gewesen, diesen neuen Weg einzuschlagen, so Peggy.
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Einige Wochen später bekommt sie dann die Nachricht, dass ihre Mutter verstorben ist. Für Peggy sei es aber selbstverständlich gewesen, auch weiterhin über Alzheimer und Demenz aufzuklären.