Forscher verlassen USA: Kann "Chance" für Deutschland sein
Interview
Wissenschaftler verlassen USA:"Deutschland kann das als Chance nutzen"
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Die Freiheit der Wissenschaft steht in den USA unter Druck – und Deutschland sieht darin eine Chance. Ein Anwerbe-Programm will US-Forscher locken. Eine Mit-Initiatorin berichtet.
Sehen Sie hier das ganze Gespräch mit Cornelia Woll im Video oder lesen Sie nachfolgend die wichtigsten Antworten.02.04.2025 | 3:41 min
Im US-amerikanischen Bildungs- und Wissenschaftssystem wächst das Unbehagen seit der Amtseinführung von Donald Trump. Er droht Universitäten, die Mittel zu kürzen, verbietet bestimmte Wörter in Forschungsanträgen, die ihm zu "woke" erscheinen, sei es "Geschlecht" oder "Diversität".
Viele Forschende sehen die Wissenschaftsfreiheit bedroht, erste haben bereits die USA verlassen.
Cornelia Woll, Präsidentin der Hertie School, sieht darin auch eine Chance für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Sie ist Mit-Initiatorin des "Meitner-Einstein-Programms", das unter dem Motto "100 kluge Köpfe für Deutschland" unter Trump leidende US-Wissenschaftler für eine neue Forschungsheimat anwerben will.
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Woll: Sind bestürzt über Druck auf freie Forschung
Im ZDF heute journal up:date betont die Forscherin die Bedeutung der freien Wissenschaft und sieht Deutschland in der Verantwortung, bedrohten Forschern eine Alternative zu bieten. "Wir sind alle Wissenschaftler mit vielen Kontakten in die USA und [sind] bestürzt über den Druck, der im Moment auf die freie Wissenschaft ausgeübt wird", erklärt Woll.
Das erklärte Ziel der Initiative sei es, ein klares Zeichen zu setzen: Wissenschaft habe einen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Wert, von dem andere profitieren. Auf die Frage, ob nun ein Massenexodus von US-Wissenschaftlern drohe, gibt sich Woll vorsichtig optimistisch.
Ich hoffe, es muss kein Massenexodus werden, aber die ersten Wissenschaftler haben jetzt das Land verlassen oder machen Pläne dafür.
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Cornelia Woll, Hertie School
Gleichwohl dächten besonders jüngere und somit flexiblere Forscher ernsthaft darüber nach, ihre Karriere in den USA nicht weiterzuführen. Deshalb sei es entscheidend, schnell das Signal zu senden: "Wissenschaft hat einen Wert und ist in Deutschland sehr willkommen."
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Historischer Vergleich zu NS-Zeit
Mit dem Namen des Programms zieht die Initiative einen historischen Vergleich: Deutschland habe im Nationalsozialismus eine Generation hervorragender Wissenschaftler verloren. Und das habe Deutschland Jahrzehnte danach noch geschadet. Nun könnte sich die Situation umkehren:
Der Fluss, der damals von Deutschland nach Amerika ging, [kann] auch umgedreht werden.
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Cornelia Woll
Es sei ein Vorteil, sagen zu können, "wir können Stabilität liefern und wir können die Bedingungen für unabhängige und freie Forschung bieten", so Woll.
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Aber nicht nur Deutschland wirbt um US-Forscher - auch Frankreich und andere europäische Länder sind aktiv. "Es ist eine Frage des politischen Willens und der Größe der Programme, die jetzt geschaffen werden", antwortet Woll auf die Frage, was Deutschland den Wissenschaftlern bieten könne.
Der Wettbewerb zwischen den Ländern [zeigt], dass diese Wissenschaftler etwas zu bieten haben – und dass wir bemüht sind, das zu uns zu holen.
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Cornelia Woll
Entscheidend sei, dass Wissenschaft frei bleibt und Forschern unter Druck Alternativen geboten werden.
Das Interview führte Nazan Göckdemir, zusammengefasst hat es Christian Harz.