Weibliche Obdachlosigkeit:"Schlimm, was Frauen auf der Straße passiert"
von Miriam Müller und Christina Esselborn
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Etwa 20 Prozent der Obdachlosen in Deutschland sind Frauen. Sie haben es oft schwerer als Männer, sind auf der Straße vielen Gefahren ausgesetzt. Und brauchen dringend Hilfe.
Monika und ihr Team sind für Obdachlose oft die letzte Rettung.05.04.2024 | 23:09 min
"Ich bin gerade zum Glück rechtzeitig hier gewesen", sagt die junge blonde Frau, die mit ihrem Hund ihr Lager auf der Reeperbahn in Hamburg aufgeschlagen hat. Sie ist obdachlos und freut sich über die warme, regensichere Jacke, die ihr Monika Kelting aus einem Bus der Obdachlosenhilfe des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) gerade geholt hat.
"Das ist nicht selbstverständlich", erzählt uns die Obdachlose. "Man wird hier auch viel bemeckert auf der Straße."
Die Gefahren für Frauen auf der Straße
"Das ist schlimm, was den Frauen hier passiert", weiß auch Monika Kelting. Die 77-Jährige ist seit 14 Jahren ehrenamtlich tätig.
Auch Vergewaltigung sei oft ein Thema. Frauen hätten es auf der Straße viel schwerer. Deshalb kümmert sich die Fußpflegerin auch besonders gerne um sie. Etwa 20 Prozent der Obdachlosen in Deutschland sind weiblich.
Die Obdachlosenhilfe in Hamburg verteilt Essen an obdachlose Menschen aus dem Kiez
Quelle: Tobias Liesche
Gewalt in Familie oder Partnerschaft ist neben Armut ein wichtiger Auslöser dafür bei Frauen. Nur wenige leben offen sichtbar auf der Straße.
Sie bemühen sich oft lange Zeit, ihre Obdachlosigkeit zu verdecken, leben in Notunterkünften oder bei Familienangehörigen. Daher spricht man bei ihnen auch von "versteckter Wohnungslosigkeit".
"Sie schämen sich, in dieses Elend geraten zu sein"
Für Frauen sei das Thema Obdachlosigkeit sehr schambesetzt, weiß Heinz-Gerhard Wilkens, der Leiter der DRK-Obdachlosenhilfe in Hamburg. Deshalb legen sie in der Regel immer noch viel Wert auf Hygiene und Kleidung und seien dadurch quasi nicht im Straßenbild zu finden oder als Obdachlose zu erkennen.
Quelle: Tobias Liesche
Moin Menschlichkeit steht auf dem Bus der DRK-Obdachlosenhilfe in Hamburg. Regelmäßig fährt das Team zur Mönckebergstrasse und auf die Reeperbahn, um Menschen in Not zu unterstützen, mit Lebensmitteln, warmer Kleidung, Schlafsäcken, Isomatten oder Hygieneartikeln. Finanziert werden sie durch Spendengelder. Laut Statistik der BAG Wohnungslosenhilfe aus dem Jahr 2022 sind 607. 000 Menschen in Deutschland wohnungslos, was gegenüber 2021 einer Steigerung von 67 Prozent entspricht.
Die Gründe, die sie in diese Situation gebracht haben, liegen oft in einer Traumatisierung, so wie Schläge oder Missbrauch in der Kindheit und Jugend oder dann später in der Ehe.
Auch Altersarmut ist bei Frauen ein großes Thema. Sie haben den Job verlassen, die Kinder groß gezogen, sind von ihren Männern verlassen worden und landen in der finanziellen Misere, berichtet Wilkens.
Jeder kann obdachlos werden, da ist sich der 68-jährige Ehrenamtler sicher. Und deshalb nutzt er jede freie Sekunde, um sich mit seinem Team der Obdachlosenhilfe vom Deutschen Roten Kreuz um die "Gäste auf der Straße", wie er sie nennt, zu kümmern.
Immer mehr Menschen in Deutschland leben auf der Straße. Ein Grund: immens gestiegene Mieten. Von Wohnugsverlust sind zunehmend auch Menschen aus der Mittelschicht betroffen.
10.03.2022 | 45:01 min
Menstruationsartikel sind Mangelware
Viele obdachlose Frauen können sich aus Geldnot nicht ausreichend Hygieneartikel wie Tampons oder Binden leisten. Weil diese Menstruationsartikel nur begrenzt zur Verfügung stehen, werden sie oft zu lange benutzt. Das macht die Frauen anfälliger für Pilzinfektionen oder Geschlechtskrankheiten.
Die Mitarbeiter der Obdachlosenhilfe Hamburg haben deshalb auch immer eine große Auswahl von Hygieneartikeln an Bord ihres Busses. Das alles wird allein aus Spenden finanziert.
Monika Kelting freut sich deshalb immer, wenn einer Obdachlosen der Weg zurück in eine Sozialwohnung gelingt. Auch hier unterstützt die 77-Jährige bei der Einrichtung einer solchen Wohnung.
Seit 2014 ist die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland um 90 Prozent gestiegen. Bundesweit sind es etwa 680 000, allein in Berlin fast ein Viertel Familien mit Kindern.04.12.2020 | 28:58 min
"Mein Leben ist ausgefüllt dadurch. Ich würde jedem raten, nehmt euch ein Ehrenamt, macht irgendwas, was euch erfüllt", fordert sie. Monika Kelting tut es seit 14 Jahren in ihrer Freizeit. Sie und ihr Team sind unermüdlich im Einsatz. "Ich muss da kein Danke für haben", sagt die Hamburgerin. "Wenn die mich anlächeln, das genügt mir."
Die berührenden Begegnungen auf Hamburgs Straßen und weitere Helfer im Ehrenamt sind in der Dokuserie "Hobby Leben retten" in der ZDF-Mediathek zu sehen.
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