Wirecard-Skandal: Drei Vorstände verurteilt

    Millionenschwerer Schadenersatz:Wirecard-Skandal: Drei Vorstände verurteilt

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    Im Fall des Finanzunternehmens Wirecard sind drei ehemalige Vorstände zu hohen Zahlungen von Schadenersatz verurteilt worden. Geklagt hatte der Insolvenzverwalter von Wirecard.

    Bayern, Aschheim: Die ehemalige Wirecard-Zentrale
    2020 ging Wirecard spektakulär pleite, Vorstandsmitglied Jan Marsalek wird seitdem gesucht. Nun wurden die drei anderen Ex-Vorstände verurteilt.05.09.2024 | 1:26 min
    Das Landgericht München hat drei ehemalige Vorstände von Wirecard zur Zahlung von insgesamt 140 Millionen Euro Schadenersatz plus Zinsen verurteilt.
    Der Vorsitzende Richter Helmut Krenek geht davon aus, dass sie bei der Vergabe eines Kredits und bei der Zeichnung von Schuldverschreibungen mindestens fahrlässig gehandelt haben und deswegen für den entstandenen Schaden haften müssen.
    Konkret geht es um den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Markus Braun sowie die Finanz- und Produktvorstände. Geklagt hatte der Insolvenzverwalter Michael Jaffé, der durch das Vorgehen Geld für die Gläubiger sichern will. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Im Gegenteil: Prozessbeobachter rechnen damit, dass es Berufungen geben wird.

    Ehemaliger stellvertretender Aufsichtsratschef verschont

    Mit einem Teil der Klage scheiterte Jaffé allerdings: Der ehemalige stellvertretende Aufsichtsratschef Stefan Klestil soll nach dem Urteil nicht zahlen. Zwar attestierte Krenek auch ihm eine Verletzung seiner Aufsichtspflichten. Das führt dem Richter zufolge allerdings nicht zu einer Haftung. Weil der Vorstand sich bereits in der Vergangenheit nicht an Vorgaben des Aufsichtsrates gehalten habe, sei nicht sicher, ob Maßnahmen des Aufsichtsrates in den beiden Fällen geholfen hätten.
    Bildmontage aus zwei Profilbildern (ohne und mit Bart) von Jan Marsalek
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    Bei den drei Vorständen sah das Gericht dagegen eine klare Verantwortung, weil der Kredit nicht besichert gewesen sei und es vor der Zeichnung der Schuldverschreibungen keine gründliche finanzielle Prüfung gegeben habe. Bei Braun und dem Finanzvorstand leitete Krenek die Verantwortlichkeit dabei direkt aus ihren Ressortzuständigkeiten ab.

    Vorstände hätten misstrauisch werden müssen

    Bei der Produktvorständin argumentierte er, dass sie nach fragwürdigen Vorgehensweisen bei der Kreditvergabe hätte misstrauisch werden müssen. Im Einzelnen ging es bei dem Verfahren um einen Kredit über 100 Millionen sowie die Zeichnung von Schuldverschreibungen über weitere 100 Millionen gegenüber einem Unternehmen namens OCAP.
    Dass der Schaden nur bei 140 Millionen liegt, geht darauf zurück, dass ein Teil des Kredites mit 60 Millionen aus den später gezeichneten Schuldverschreibungen getilgt wurde.

    Eine Recherche der Financial Times deckte Anfang Februar 2019 auf, dass Wirecard-Mitarbeiter in Singapur Kunden und Umsätze erfunden hätten, um eine Geschäftslizenz in Hongkong zu erhalten und die Ertragsziele von Wirecard zu erreichen. Im Oktober erneuerten Berichte der Financial Times den Vorwurf der Manipulation bei Wirecard. Interne Unterlagen würden nahelegen, dass Wirecard zu hohe Umsätze und Gewinne bei Tochtergesellschaften angegeben habe.

    Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG wurde von Wirecard mit einer Sonderprüfung beauftragt. Das Ergebnis der KPMG-Untersuchung wurde Ende April 2020 veröffentlicht. Danach konnten nicht alle Daten vollständig ausgewertet und somit die Vorwürfe nicht völlig ausgeräumt werden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erstattete Anfang Juni 2020 wegen Verdacht auf Marktmanipulation Anzeige, dieses Mal gegen den Vorstandsvorsitzenden Braun und drei weitere Vorstandsmitglieder; die Staatsanwaltschaft ließ die Geschäftsräume von Wirecard durchsuchen. Die Wirtschaftsprüfung EY hatte die mutmaßlich gefälschten Bilanzen des früheren Dax-Konzerns über Jahre testiert.

    Manager-Haftpflicht zahlt nicht bei Straftaten

    Selbst nach der Verurteilung zu Schadenersatz ist ungewiss, wie viel Geld der Insolvenzverwalter für die Gläubiger letztlich bekommen kann. Die Manager haften zwar mit ihrem Privatvermögen, es ist aber mehr als fraglich, dass dieses dafür ausreichen würde. Wirecard hatte für die Vorstände und Aufsichtsräte zwar auch eine Manager-Haftpflicht abgeschlossen, die die geforderte Summe decken könnte.
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    Aber bei Straftaten von Managern zahlen Manager-Haftpflichtversicherungen nicht. Braun steht mit zwei anderen Managern wegen Betrugsverdachts vor Gericht, der ehemalige Vertriebsvorstand Jan Marsalek ist untergetaucht. Dem ehemaligen stellvertretenden Aufsichtsratschef Stefan Klestil hingegen werden keine Straftaten vorgeworfen. Klestils Anwälte zeigten sich nach der Entscheidung zufrieden. Ein Sprecher des Insolvenzverwalters kommentierte das Urteil dagegen nicht.

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    Quelle: ZDF

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    Quelle: dpa

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