Klimaschutz: Wie viel kann Technik bewirken?

    Interview

    Experte zu negativen Emissionen:Klimaschutz: Wie viel kann Technik bewirken?

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    Es reicht nicht, im Kampf gegen den Klimawandel nur den Treibhausgasausstoß zu reduzieren, sagt Geologe Thorben Amann. Aber auch technische Lösungen würden nun schnell gebraucht.

    Mit Hilfe dieser Iglus wird CO2 im Boden Islands dauerhaft gespeichert
    Mit Hilfe dieser Iglus wird CO2 dauerhaft im Boden Islands gespeichert.
    Quelle: M. Hugo/ZDF

    Gesteinsmehl, Algen oder riesige CO2-Staubsauger. Weltweit wird gerade an technischen Methoden geforscht, das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) wieder aus der Atmosphäre zu holen.
    Viele Ideen sind "brillant" und haben großes Potenzial, sagt Experte Dr. Thorben Amann. Allerdings müsste es mit Forschung und Entwicklung deutlich schneller vorangehen.
    ZDFheute: Wie wichtig sind solche technischen Lösungen und welches Potenzial haben sie für den Klimaschutz?
    Thorben Amann: Das wird sehr wichtig sein, denn nur mit der Reduktion von Emissionen werden wir das jetzt nicht mehr hinkommen. Da sind wir ein bisschen spät dran. Wir können diese technischen Möglichkeiten unterstützend einsetzen.

    Sie können Emissionen kompensieren, die wir nicht so einfach auf andere Weise reduzieren können, zum Beispiel Emissionen aus der Landwirtschaft.

    Thorben Amann, Geologe

    Aber wir sind in der Forschung noch nicht so weit, dass wir wirklich sagen können, welches die maximalen Potenziale sind.
    CO2 Filtermaschine Island
    Die Anlage "Orca" filtert das Treibhausgas CO2 aus der Atmosphäre und presst es in die Erde, die gesäuberte Luft kann entweichen.07.11.2022 | 1:58 min
    ZDFheute: Inzwischen gibt es viele verschiedenen Ansätze wie zum Beispiel CO2-Filteranlagen in Island, Pflanzenkohle und spezielle Algen, die das Treibhausgas aufnehmen - oder Minerale, die es im Meer binden können. Hat sich da bereits ein Wettlauf konkurrierender Methoden entwickelt?
    Amann: Nein, das ist überhaupt keine Konkurrenz. Ich glaube, wir brauchen alle Methoden. Es muss ein Gesamtpaket sein, ein Portfolio aus verschiedenen Methoden, die sich möglicherweise auch gegenseitig befruchten können, die gegenseitig zusätzliche Synergieeffekte erzeugen können, sodass vielleicht insgesamt die Potenziale noch weiter erhöht werden.

    Ich glaube, alle Forschenden sehen, dass es die Notwendigkeit gibt, da Druck zu machen und schnell zu sein.

    Thorben Amann, Uni Hamburg

    ZDFheute: Sie selbst sind an Forschung zur sogenannten "beschleunigten Verwitterung" beteiligt. Dabei wird mineralhaltiges Gesteinsmehl auf dem Acker ausgebracht. Durch eine Reaktion mit Wasser wird CO2 dauerhaft gebunden. Es gab bereits Versuche. Wie gut funktioniert das und welches Potenzial hat es?

    Dr. Thorben Amann
    Quelle: M. Hugo/ZDF

    ... ist promovierter Wissenschaftler am Institut für Geologie der Universität Hamburg. Ein Schwerpunkt seiner Forschung ist die beschleunigte Verwitterung als Methode, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entnehmen und dauerhaft zu speichern.

    Amann: Wir konnten im Labor nachweisen, dass das Grundprinzip sehr gut funktioniert und auch sehr effizient ist. Es funktioniert auch im Feld. Davon müssen wir ausgehen. Dort ist es nur schwieriger, denn natürlich ist ein Feld kein Eimer und keine Regentonne, in der wir ein Experiment machen, sondern es ist in alle Richtungen offen - nach oben, nach unten und zu allen Seiten.
    Jetzt stehen wir vor der großen Herausforderung, im Feld nachzuweisen, dass es an einem Ort für eine gegebene Menge an Gesteinsmehl auch wirklich einen Verwitterungseffekt gab, einen CO2-Bindungseffekt. Und wir müssen an Methoden arbeiten, wie wir nachweisen können, dass das auch langfristig gespeichert bleibt.
    Feldversuch: Dieser Traktor bringt Gesteinsmehl aus. Es soll das Treibhausgas CO2 binden.
    Feldversuch: Dieser Traktor bringt Gesteinsmehl aus. Es soll das Treibhausgas CO2 binden.
    Quelle: ZDF

    Wenn es so weit ist, dann liegt das weltweite Potenzial im Bereich von fünf Prozent unserer gegenwärtigen CO2-Emission. Aber dann müssen wir wirklich viele landwirtschaftlich genutzte Flächen mit einbeziehen. Das ist nicht grundsätzlich ein technisches Problem, aber das bedeutet, dass alle mitmachen müssen.
    ZDFheute: Eine "Bestandsaufnahme" internationaler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hat Anfang des Jahres kritisiert, diese technischen Methoden würden viel zu wenig vorangetrieben. Bisher würden sie jährlich gerade mal 0,002 Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre nehmen. Um die Klimaziele zu erreichen, müsste das schon 2050 1300-mal mehr sein. Wie sehen Sie das?
    Amann: Ich teile diese Einschätzung. Es ist verhältnismäßig wenig Geld im Spiel, wenn es um Forschung geht. Und wir brauchen zwei Jahre, um einen Forschungsantrag zu schreiben, der möglicherweise nicht mal genehmigt wird.

    So wie es jetzt ist, geht es nicht, wenn wir bis 2050 Ergebnisse erzielen wollen. Es muss schneller gehen.

    Thorben Amann, Uni Hamburg

    Und schneller wird es gehen, wenn wir einerseits mehr Forschung fördern. Aber wir brauchen natürlich auch die entsprechenden politischen Leitlinien, um vorzugeben, in welche Richtung wir wollen, welches Ziel wir haben wollen. Wir brauchen die Präsenz in den Köpfen der Bevölkerung, dass es diese Lösungen gibt.



    ZDFheute: Woran liegt es denn, dass das ganz offenbar immer noch nicht so ist?
    Amann: Viele Lösungen sind technisch, auch teilweise kompliziert und in ihren gegenwärtigen Aussagen oft noch relativ vage. Diese Unsicherheit führt dazu, dass man dazu neigt, das noch nicht als Option in Betracht zu ziehen.
    Gleichzeitig ist es vielleicht auch eine gewisse Skepsis, wieder ins Klima, in die globalen Kreisläufe einzugreifen, wie wir es ja mit dem CO2 schon ganz massiv gemacht haben. Aber irgendetwas müssen wir tun. Es muss in den Klimaplänen der Länder auftauchen. Sonst kommen wir nicht weiter.
    ZDFheute: Könnte man bei all diesen Ansätzen und Ideen nicht sogar sagen: Wir setzen voll und ganz auf Technik, lehnen uns zurück und lassen das mit der Reduktion von Treibhausgasen sein?
    Amann: Das klingt erstmal attraktiv. Das Problem ist: Eine Tonne CO2 zu vermeiden, nicht auszustoßen, kostet einen gewissen Betrag, der relativ gering ist. Eine Tonne CO2, die erstmal in der Atmosphäre ist, wieder einzufangen, kostet sehr viel mehr.
    Dementsprechend muss man sich überlegen: Möchte man sich zurücklehnen und das Zehnfache zahlen oder vielleicht Zwanzigfache? Oder möchte man lieber Geld sparen und einfach das Naheliegende tun und das CO2 nicht mehr ausstoßen?
    Das Interview führte Mark Hugo aus der ZDF-Umweltredaktion

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    von Moritz Zajonz
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