Holocaust-Überlebender Walter Frankenstein verstorben

Holocaust-Überlebender:Walter Frankenstein verstorben

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Der Holocaust-Überlebende und Jahrhundertzeuge Walter Frankenstein ist tot. Einer Prognose zufolge könnte die Hälfte der Überlebenden in sechs Jahren nicht mehr am Leben sein.

Walter Frankenstein, Archivbild
Walter Frankenstein ist im Alter von 100 Jahren gestorben (Archivbild)
Quelle: Imago

Der Holocaust-Überlebende und Zeitzeuge Walter Frankenstein ist tot. Er starb im Alter von 100 Jahren in seiner Wahlheimat Schweden, wie die Berliner Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas mitteilte.
In den vergangenen Jahren berichtete Frankenstein in Schulen, bei zahlreichen Zeitzeugengesprächen und Gedenkveranstaltungen im In- und Ausland vom eigenen Schicksal, um ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus zu setzen, erklärte die Stiftung. Er setzte sich auch für einen würdigen Gedenkort für die im Nationalsozialismus deportierten und ermordeten Zöglinge und Betreuer des Auerbach’schen Waisenhauses in Berlin-Prenzlauer Berg ein. Es galt bis zu seiner gewaltsamen Auflösung als Zufluchtsort für jüdische Kinder und Jugendliche.
Der in Flatow geborene Frankenstein kam 1936 nach Berlin und lebte zunächst in dem Waisenhaus. Dort lernte er 1941 Leonie Rosner kennen, die er im darauffolgenden Jahr heiratete. Zusammen mit ihr und dem erstgeborenen, sechs Wochen alten Sohn tauchte Frankenstein in Berlin unter. 1944 wurde dort im Versteck der zweite Sohn geboren. Die Familie wanderte 1946/47 erst nach Palästina und 1956 nach Schweden aus.
Walter Frankenstein
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Prognose: Hälfte der Überlebenden wird 2031 nicht mehr am Leben sein

Eine Prognose der Jewish Claims Conference geht davon aus, dass die Hälfte der inzwischen meist hochbetagten Überlebende es Holocausts in sechs Jahren nicht mehr am Leben sein dürfte. In zehn Jahren würden 70 Prozent, in 15 Jahren 90 Prozent von ihnen voraussichtlich gestorben sein, heißt es in der demografischen Prognose, die auf Grundlage der seit 1952 geführten Datenbanken der Claims Conference über Überlebende des Nationalsozialismus errechnet wurde.
Der Bericht mache die Dringlichkeit der Bildungsarbeit zur Schoa deutlich, sagte der Präsident der Claims Conference, Gideon Taylor:

Jetzt ist der Moment, Überlebende persönlich sprechen zu hören, sie in Klassenzimmer, Gotteshäuser und Institutionen einzuladen.

Gideo Taylor, Präsident der Jewish Claims Conference

Die Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference) vertritt die Entschädigungsansprüche von Holocaust-Überlebenden gegenüber Deutschland und setzt sich dafür ein, dass die Verbrechen und Opfer des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten.
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Weltweit rund 200.000 Holocaust-Überlebende

Wie viele Überlebende der Schoah noch am Leben sind, kann nur geschätzt werden. Die Claims Conference schätzt ihre Zahl weltweit auf rund 200.000, das Durchschnittsalter liege bei 87 Jahren. In Deutschland leben demnach noch rund 11.500 Holocaust-Überlebende. Laut Prognose wird die Zahl bis 2030 auf 7.600 sinken. In Israel gibt es der Schätzung zufolge noch rund 110.100 Überlebende, in den USA rund 34.600 und in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion 25.500.
Einer der letzten Holocaust-Überlebenden des Aufstands im Warschauer Ghetto im Jahr 1943, Pinchas Gutter, sagte anlässlich der Prognose: "Wir tragen ein wichtiges Stück Geschichte in uns, das nur wir besitzen und nur wir erzählen können." Er appellierte an die Jüngeren: "Wir zählen auf diese Generation, dass sie uns zuhören - und auf künftige Generationen, dass sie unsere Erfahrungen weitertragen, damit die Welt nicht vergisst."
Quelle: epd, ZDF

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