BGH: Desinfektionsmittel kann nicht hautfreundlich sein
Irreführende Werbung:BGH: Desinfektionsmittel nicht hautfreundlich
von Christoph Schneider
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Immer wieder geht Werbung an Grenzen. Der BGH hat jetzt geurteilt: Ein Desinfektionsmittel von dm darf nicht mehr als "hautfreundlich" beworben werden. Das sei verharmlosend.
Der Bundesgerichtshof urteilte: Desinfektionsmittel darf nicht mit "hautfreundlich" beworben werden.
Quelle: dpa
Es ist Mitte 2020, die Corona-Pandemie greift immer weiter um sich. Testkits, Masken und Desinfektionsmittel werden in Supermärkten, Apotheken und Drogerien vielfältig angeboten, sind manchmal aber auch Mangelware, weil ständig nachgefragt. Die Drogeriemarktkette dm vertreibt das auch online angebotene Produkt "BioLYTHE" als "ökologisches Universal-Breitband-Desinfektionsmittel" - so wird das Konzentrat auf der Verpackung erklärt. Und: Ihm wird noch die Eigenschaft "hautfreundlich" zugeschrieben.
Ein Desinfektionsmittel, das als "hautfreundlich" gilt? Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs mahnt dm ab, sieht einen Verstoß gegen die europäische Biozidverordnung.
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Klage durch alle Instanzen
dm hält jedoch an der Werbung mit "hautfreundlich" fest, so dass die Wettbewerbshüter einen langen Rechtsweg beschreiten. Zunächst gibt das Landgericht Karlsruhe diesen auch Recht. Die Produktbeschreibung sei irreführend, denn Bezeichnungen wie "hautfreundlich", "bio", oder "ökologisch" weckten bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern Vorstellungen, denen das Desinfektionsmittel nicht gerecht werde.
Doch das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, sieht das anders, gibt dm Recht. "Hautfreundlich" lasse sich nicht als "ähnlicher Hinweis" im Sinne der Verordnung einordnen, denn der Begriff relativiere nicht das Risikopotenzial des Produkts. "Hautfreundlich" beschreibe eher, wenn auch allgemein, die Produktwirkung auf ein spezifisches Organ, nämlich die Haut des Menschen, so das OLG. Die Wettbewerbshüter legen Revision ein.
Biozide sind Produkte und Substanzen, die Schäd- und Lästlinge wie Mäuse, Ratten oder Insekten, aber auch Bakterien oder Pilze bekämpfen. Sie werden in vielen Bereichen eingesetzt, z.B. in Holzschutzmitteln oder Mückensprays, aber auch in Putz- oder Desinfektionsmitteln.
Die europäische Biozidverordnung (Biozid-VO) soll durch rechtliche Rahmenregelungen ein hohen Schutz für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt vor den Auswirkungen von Biozidprodukten gewährleisten.
Artikel 72 Absatz 3 Satz 2 der Biozidverordnung stellt fest, dass die Werbung für ein Biozidprodukt auf keinen Fall die Angaben "Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial", "ungiftig", "unschädlich", "natürlich", "umweltfreundlich", "tierfreundlich" oder "ähnliche Hinweise" enthalten darf.
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EuGH: Verharmlosende Begriffe in Werbung für Biozide verboten
Der Bundesgerichtshof (BGH) fragt daraufhin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach, was unter "ähnliche Hinweise" im Sinne der Verordnung zu verstehen ist. Sehr deutlich klärt der EuGH im Juni, dass "ähnliche Hinweise" bei der Werbung jeden verharmlosenden oder sogar negierenden Begriff hinsichtlich der Risiken eines Biozidprodukts umfasst.
Bei "hautfreundlich" heißt das, dass man damit zunächst Positives verbinde und kein Risiko erwarte, so der EuGH, denn damit würden schädliche Nebenwirkungen relativiert und eher angedeutet, dass das Produkt für die Haut sogar von Nutzen sein könnte. Eine solche Angabe sei irreführend, das Verbot der Verwendung in der Werbung gerechtfertigt, so der EuGH.
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von Christina-Maria Pfersdorf
Die abschließende Entscheidung lag nun beim BGH, der an die Rechtsauffassung des EuGH gebunden ist. Danach hebe die Angabe "hautfreundlich" eine positive Eigenschaft des beworbenen Desinfektionsmittels hervor und sei dadurch geeignet, die Risiken des Biozidprodukts zu verharmlosen, sagt der I. Senat des BGH.
Damit stellt der BGH die erste Entscheidung des LG Karlsruhe wieder her.
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Wettbewerbshüter zufrieden
Die Wettbewerbshüter zeigten sich schon nach der europarechtlichen Grundsatzentscheidung sehr zufrieden:
Diese Entscheidung ist ein in jeder Hinsicht verbraucherfreundliches und klares Urteil. Und die Werbung hat einen Fall mehr von "geht nicht".
Christoph Schneider ist Redakteur in der Fachredaktion Recht und Justiz des ZDF