Hausärzte über Erkältungswelle: Wir sind am Anschlag

    Interview

    Erkältungswelle in Deutschland:Hausärzte: Wir sind am Anschlag

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    Erkältungen und Covid-Comeback: Die Hausärzte kämpfen mit einer Krankheitswelle. Und die Grippe kommt erst noch. Ein Interview.

    Mehrere Patienten sitzen in einem Wartezimmer, die Tür steht offen.
    Wegen der aktuellen Erkältungswelle sind viele Arztpraxen voll.
    Quelle: dpa/Sina Schuldt

    ZDFheute: Im Moment sind viele Menschen krank. Was geht gerade um?
    Dr. Michael Kulas: Es sind ganz viele Menschen krank. Erkältungskrankheiten würde ich das mal zunächst nennen. Das sind Viren, die wir in jedem Jahr haben, die unterschiedliche Symptome machen, auch von unterschiedlichen Viren ausgelöst. Und die Patienten kommen mit diesen Problemen hierher, weil sie zurzeit sehr, sehr darunter leiden.
    Im Umlauf sind im Wesentlichen typische virale Infektionen, ausgelöst durch bestimmte Viren, die Halsschmerzen machen, Kopfschmerzen machen, sehr starkes Krankheitsgefühl auslösen. Die Patienten haben Fieber, und manchmal werden diese Dinge dann nach einigen Tagen Fieber von heftigem Husten oder auch Entzündungen der Nasennebenhöhlen abgelöst.

    ... Facharzt für Allgemeinmedizin. Er ist Vorsitzender des Saarländischen Hausärzteverbandes. Er hat eine Praxis in Wallerfangen.

    ZDFheute: Was bedeutet das für Ihre Praxis und die Praxen der Allgemeinärzte?
    Kulas: Also wir hier in unserer Praxis, und da spreche ich für viele andere Kollegen mit, wir sind mit dem, was wir leisten können, am Anschlag. Wir haben dermaßen viele Patienten, die wir versuchen, in irgendeiner Art und Weise zu lenken, damit sich die vermeintlich gesunden Patienten in der Praxis nicht noch zusätzlich anstecken. Wir versuchen das über besondere Infekt-Sprechstunden, um den Patienten möglichst schnell gerecht zu werden.

    Es ist so, dass wir unendlich viel Arbeit haben.

    Michael Kulas

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    ZDFheute: Wir sind ja in einer Nach-Covid Phase, aber die Inzidenzen steigen. Stellen Sie das auch fest?
    Kulas: Covid ist massiv auf dem Vormarsch mit zwei bis drei unterschiedlichen Symptomkomplexen. Wir hatten etwa im Sommer zwei Covid-Infektionen in der Woche.

    Heute haben wir mittlerweile über 20 Covid-Infektionen am Tag. Und das sind Patienten, von denen wir wissen, dass sie getestet sind, die ihre Tests mitbringen. Von der Grauzone reden wir gar nicht.

    Michael Kulas

    ZDFheute: Es gibt keine Maßnahmen, keine Maskenpflicht. Hat sich das Virus verändert, oder die Lage?
    Kulas: Die Lage hat sich verändert. Es gibt in der Tat weder eine Testpflicht noch eine Abstandspflicht, noch sonst irgendwelche Maßnahmen, um Covid zu verhindern. Covid hat erfreulicherweise auch eine Entwicklung genommen, die nicht mehr so krank macht wie in den Jahren 2020, 2021 und 2022. Nichtsdestotrotz ist es eine Erkrankung, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.
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    ZDFheute: Was würden Sie den Menschen empfehlen?
    Kulas: Also grundsätzlich ist die Behandlung in den allermeisten Fällen eine symptomatische Behandlung. Das heißt, es muss das Fieber behandelt werden. Es müssen die Allgemeinsymptome behandelt werden. Es muss auch mal der Husten behandelt werden, die Nasennebenhöhlenentzündung, die Entzündung der Ohren. Aber im Grunde genommen sind es symptomatische Behandlungen.

    Das Hauptproblem ist, dass unser Immunsystem in den letzten Jahren, in denen wir uns vor Corona geschützt haben, massiv wenig Reize gehabt hat.

    Michael Kulas

    Dadurch fehlt dem Immunsystem in vielen Fällen aktuell die Möglichkeit einer schnellen und wirkungsvollen Abwehr auch banaler Infekte.

    Fachleute betonen, dass durch die Corona-Schutzmaßnahmen das Immunsystem nicht geschwächt wurde. "Es ist genauso gut wie vorher", erklärt der Immunologe Carsten Watzl im ARD-Interview. Durch die Maßnahmen ändere sich nichts "an der grundsätzlichen und nachhaltigen Funktion unserer Körperabwehr", sagt auch Experte Reinhold Förster dem SPIEGEL. Sie habe "nur einige spezifische Trainingseinheiten verpasst."

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    ZDFheute: Gibt es eine generelle Krankenwelle?
    Kulas: Im Moment ist das einfach eine Krankheitswelle. Und durch die muss man jetzt durch. Also es sind mehrere Viren, die jetzt hier auf uns zukommen. Es ist im Grunde genommen eine Welle durch unterschiedliche Viren mit etwas unterschiedlichen Symptomen, die aber in ihrer Behandlung sich sehr ähneln.
    • Welche schweren gesundheitliche Langzeitfolgen eine Corona-Infektion haben kann, erklären wir hier. 
    ZDFheute: Gibt es Licht am Ende des Tunnels? Wie lange wird das noch dauern?
    Kulas: Schwer zu sagen. Diese Dinge laufen sich normalerweise irgendwann tot. Das heißt also, die Viren sind dann nicht mehr da. Wann das passiert, wie das passiert, zu welcher Zeit das passiert, ist ganz schwer zu sagen. Und wir haben ja noch nicht die richtige Grippe. Die Influenza, die wir im Laufe des Jahreswechsels ins neue Jahr hinein erwarten. Das wird uns noch einmal vor eine neue Herausforderung stellen.
    Das Interview führte Susanne Freitag-Carteron.
    Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Version dieses Beitrags hieß es unter anderem, das Immunsystem sei durch die Covid-Schutzmaßnahmen geschwächt. Das ist nicht korrekt. Wir haben den Beitrag entsprechend angepasst. 
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