1 (-) Die Geisteswissenschaften beschäftigen sich mit menschlichem Handeln – der Klimawandel wiederum ist Folge menschlichen Handelns. In Gesellschaftstheorien wurde er dennoch lange ausgeblendet. Nun, im Angesicht der Katastrophe, müsse neu gedacht werden, schreibt der Historiker Dipesh Chakrabarty. Seine Geschichtsphilosophie nimmt den Menschen aus „planetarischer“ Perspektive in den Blick. 65 Punkte
2 (1) Anfang 1945 floh Christiane Hoffmanns Vater aus Schlesien, 550 Kilometer nach Westen. 75 Jahre später geht die Journalistin denselben Weg – nur andersherum. Dabei trifft sie Menschen, deren Leben auf ähnliche Weise mit der Geschichte verknüpft sind. Ein Buch über das von Fluchterfahrung gezeichnete Europa, von großer Aktualität. 55 Punkte
3 (7) „Ich habe mich nie gefragt, was Freiheit bedeutet, nicht bis zu dem Tag, als ich Stalin umarmte.“ So beginnt die Politologin Lea Ypi ihr Memoir. Sie ist elf, als das Regime in ihrer Heimat Albanien gestürzt wird. Im „Freiluftgefängnis“ unter Hoxha fühlt sie sich behütet, die Wende bringt Arbeitslosigkeit, macht dunkle Familiengeheimnisse sichtbar. Die kleine Lea fragt sich: Freiheit? Was ist das? 40 Punkte
4 (5) Sie sind klein, bewirken jedoch Großes: Insekten entsorgen Abfälle, bestäuben Pflanzen und ernähren unzählige Tierarten. Seit den 1970 sei ihre Biomasse jedoch um 75 Prozent geschrumpft, beklagt der Star-Biologe Dave Goulson. Er warnt: Wenn wir den Schwund nicht stoppen, drohten globale Hungersnöte. Ein Buch, das schockiert, das aber auch Faszination für das tierische Gewimmel weckt. 36 Punkte
5 (9) Kalendersprüche, Ratgeber, Life-Coaches: alle fordern uns auf, positiv zu denken, Niederlagen zu Chancen umzudeuten. Damit muss Schluss sein, schreibt die Journalistin Juliane Marie Schreiber. Politische Probleme werden so individualisiert, Veränderung unmöglich gemacht. Wut dagegen sei der Motor des Fortschritts. Denn: Wäre die Französische Revolution mit Hygge und Glückstee denkbar gewesen? 35 Punkte
6 (2) "Russland-Versteher" ist zum Schimpfwort geworden. Jedoch sollten wir die "Frage des Verstehens" – anders als Billigung – nicht verdammen, schreibt Stefan Creuzberger. Der Historiker beleuchtet die bewegte deutsch-russische Beziehungsgeschichte, von der Oktoberrevolution bis Perestroika. Er zeigt: kaum ein Land ist so schicksalhaft mit uns verbunden, wie Russland. 33 Punkte
7 (-) Als der Student Martin Buber einmal Edmund Husserl vorgestellt wurde, soll dieser gerufen haben: "Buber? Ich dachte, das wäre eine Legende." Der charismatische Philosoph Buber übersetzte chassidische Erzählungen und wurde damit prägend für den Zionismus. Im Mittelpunkt seines Denkens: Der Dialog. 1938 nach Jerusalem emigriert, suchte er das Gespräch mit Arabern – und nach dem Krieg zu Deutschen. 31 Punkte
7 (-) Seit jeher nutzen Menschen psychoaktive Pflanzen, um sich zu berauschen. Anhand der Beispiele Kaffee, Schlafmohn (Opium) und Peyote-Kaktus (Meskalin) nähert sich der Journalist Michael Pollan diesem Phänomen an. Er wagt den Selbstversuch, ergänzt seine Erfahrungen mit botanischem und historischem Wissen. Eine Kulturgeschichte, die zugleich Anklage ist gegen die Irrungen des „War on Drugs“. 31 Punkte
9 (-) Gender nur ein Nebenschauplatz? Das Gegenteil sei der Fall, schreibt die britische Feministin Laurie Penny. Arbeit, Gesundheit, Naturzerstörung, Krieg und Frieden – alle Fragen der Gegenwart seien eng mit dem Geschlecht verknüpft. Zeit für eine Revolution! Ihr Ziel: Eine Kultur des „Consent“, des Einverständnisses, die nicht nur den Sex, sondern die Gesellschaft als Ganzes durchdringt. 28 Punkte
9 (-) Keine Boomer mehr, aber noch keine Millenials: Die Schriftstellerin Nora Bossong beschreibt den Seelenzustand ihrer Generation, der heute 40-Jährigen. Aufgewachsen mit der Gewissheit, dass alles gut wird, sehen sie sich nun mit einer Kaskade an Krisen konfrontiert. Die „Geschmeidigen“ sind leise und konsensorientiert – aber vielleicht gerade deshalb die besseren Krisenmanager? 28 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Marlen Hobrack (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Catherine Newmark (Deutschlandfund Kultur), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)